- Stau aus dem Nichts
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Ein Stau aus dem Nichts (oder auch Phantomstau) entsteht zumeist, wenn nachfolgende Fahrzeuge in einer Kolonne wegen zu geringen Sicherheitsabstands oder des Stauendes hinter einer unübersichtlichen Stelle (Kurve, Kuppe) stärker abbremsen müssen als die jeweils vorausfahrenden Fahrzeuge. Das übermäßige Bremsen verstärkt sich von Fahrzeug zu Fahrzeug, bis das erste Fahrzeug zum Stillstand kommt – ein Stau aus dem Nichts entsteht.
Dieses Verhalten aufgrund übermäßigen Bremsens, kurzfristiger Geschwindigkeitsschwankungen oder verzögerten Beschleunigens wird durch das Nagel-Schreckenberg-Modell beschrieben.
Bei geringer Verkehrsstärke bleiben Staus aus dem Nichts lokal beschränkt und lösen sich schnell wieder auf, bei einer größeren Anzahl von Fahrzeugen pro Streckenabschnitt treten die einzelnen Verkehrsbehinderungen in Beziehung zueinander und verbinden sich zu längeren Staus.
Inhaltsverzeichnis
„Nichts“
Umgangssprachlich wird unter „Nichts“ im Zusammenhang mit dem „Stau aus dem Nichts“ üblicherweise das Fehlen eines Unfalls, einer übermäßig hohen Verkehrsdichte oder einer „Störung“ bzw. einer „Engstelle“, wie z. B. einer Autobahnauffahrt verstanden. Ob jedoch geringere Ursachen, wie erhöhte Spurwechselfrequenz notwendig sind, oder ob selbst ohne diese ein Stau entstehen kann, war lange Zeit unklar. Auch Verstöße gegen das Rechtsfahrgebot sowie neugierige Verkehrsteilnehmer bei liegengebliebenen Fahrzeugen (Panne) oder Unfällen auf der Gegenrichtung spielen hier mit hinein. Unter anderem in einem Experiment in Japan (siehe Weblinks) konnte jedoch gezeigt werden, dass Stauwellen ab einer gewissen Verkehrsdichte selbst dann entstehen, wenn die Fahrer explizit zu gleichmäßiger Fahrweise aufgefordert werden. Auch wenn eine solche angestrebt ist, mangelt es dem menschlichen Fahrer also an dem Vermögen, dieses angestrebte, gleichmäßige Fahrverhalten umzusetzen. Für die Zukunft besteht damit die Hoffnung, dass durch Fahrerassistenzsysteme bei gegebener Verkehrsdichte im Vergleich zu heute Staus vermieden werden können beziehungsweise dass bei gleicher Stauhäufigkeit und gleichbleibenden Fahrtdauern die Verkehrsdichte durch Fahrerassistenzsysteme erhöht werden kann.
Ein bis zwei Sekunden vergehen, bis ein Fahrer sein Fahrzeug an der Staufront wieder startet und eine Straßenlänge von 5 bis 10 Meter freigibt. Somit wandert die Staufront mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 15 km/h gegen die Fahrtrichtung.
Menschliches Fehlverhalten
In einem Experiment der Universität Köln (siehe Weblinks, Bericht bei Kopfball) wurde der Stau aus dem Nichts erforscht. Bei der Untersuchung traten vier menschliche Fehlerursachen zutage:
- Zu dichtes Auffahren, was ein abruptes Abbremsen des ersten und aller folgenden Autos auslösen kann,
- zu schnelles Aufschließen und dadurch bedingtes ebenso schnelles Abbremsen und
- eine geistige Unterforderung in zähfließendem Verkehr ständig einen ausreichenden Abstand einzuhalten, weil die Autofahrer mit ihren Gedanken abschweifen.
- kontraproduktives Fahren, um auf der Spur mit vermeintlich fließenderem Verkehr schneller voranzukommen (Kolonnenspringen).
Die Fahrer, die zu Anfang den Stau verursachen, erleben dabei die Folgen ihres kurzsichtigen Handelns nicht, weil der Stau meist erst eine ganze Reihe Fahrzeuge hinter dem Verursacher beginnt und sich entgegen der Fahrtrichtung fortbewegt. Der Stauverursacher erhält damit keine unmittelbare Rückmeldung und kann sein Verhalten nicht in Frage stellen.
Siehe auch
Weblinks
Wissenschaftliche Veröffentlichungen:
Medienberichte:
Simulationsanimationen:
- Entstehung eines Phantomstaus simuliert mit VISSIM
- Ausbleiben eines Phantomstaus durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung unter ansonsten gleichen Bedingungen.
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