Stefanskrone

Stefanskrone

Als Stephanskrone bezeichnet man im deutschen Sprachraum die Königskrone des ehemaligen Königreiches Ungarn, den wichtigsten Gegenstand der ungarischen Krönungsinsignien. Unter ihr waren die Länder der heiligen Stephanskrone vereinigt. Seit dem Jahr 2000 wird sie zusammen mit weiteren ungarischen Krönungsinsignien (Reichsapfel und Zepter) im Kuppelraum des ungarischen Parlamentsgebäudes in Budapest aufbewahrt.

In ungarischem Sprachgebrauch heißt diese Insigne Szent Korona (dt. „Heilige Krone“).

Die Stephanskrone im ungarischen Parlament
Heraldische Zeichnung der Stephanskrone
Stephanskrone als Teil des ungarischen Wappens

Inhaltsverzeichnis

Aussehen und Bedeutung

Die Krone besteht aus zwei zusammengesetzten, ursprünglich selbständigen Teilen:

  • Der corona graeca, einer offenen Reifkrone mit zehn Bildplatten aus emailliertem Gold und vergleichsweise geringwertigen Edelsteinen. Auf der Frontalplatte thront Christus Pantokrator, auf der rückwärtigen Platte der byzantinische Kaiser quasi als weltliches Pendant. Die griechische Beischrift weist ihn als Michael Dukas (1071–1078) aus. Rechts von ihm thront sein designierter Nachfolger Konstantios, links der ungarische König Géza I. (1074–1077). Auf den anderen Bildplatten sind Heilige dargestellt.
  • Der corona latina: Zwei sich überkreuzende Bügel vervollständigen die corona graeca zu einer kompletten Krone. Auf den Bügeln sitzen weitere Emailbilder mit nun lateinischen Beischriften: Im Scheitel ist ein weiterer Christus Pantokrator zu sehen, auf den Bügeln acht Apostel. Die obere Pantokrator-Platte ist durchbohrt und mit dem charakteristischen seitwärts schräggeneigten Kreuz versehen, welches erstmals im 17. Jahrhundert nachzuweisen ist.

Die Datierung der corona graeca ist durch die Personendarstellungen beziehungsweise deren Beischriften gesichert. Die Entstehungszeit der corona latina hingegen ist unbekannt; als sicher gilt jedoch, dass es sich nicht um ein Relikt der ursprünglichen Krone des Heiligen Stephan I. von Ungarn handelt. Der Zeitpunkt der Zusammenfügung beider „Kronen“ (deren Zweck als solche selbst keineswegs sicher ist) wird in Fachkreisen noch diskutiert; man favorisiert das Jahr 1185 zur Zeit Bélas III.[1].

Die Stephanskrone gilt als Symbol der ungarischen Einheit. Das wird beispielsweise an dem Umstand deutlich, dass das Wappen von Ungarn vom Abbild des Kleinods „gekrönt“ wird. Eine andere Krone war bei der ungarischen Krönung ungültig. Nicht nur im weltlichen, sondern auch im religiösen Sinn galt die Krone als die „einzig heilige“ Krone, die das irdische mit dem himmlischen Königreich verband. Traditionell wird die Krone zusammen mit zwei Engeln als Symbolen für ihre göttliche Abkunft dargestellt. Als weiterer Bezug auf ihre religiöse Bedeutung sind die Heiligenbilder der Krone anzusehen[2] [3].

Nach altungarischer Rechtsauffassung ist das Land Ungarn Besitztum der Stephanskrone. Daher konnte sich nur derjenige Monarch, der mit ihr gekrönt wurde, als rechtmäßiger Herrscher über Ungarn sehen.

Geschichte

Die ursprüngliche Stephanskrone übersandte angeblich Papst Silvester II. im Jahr 1000 an den kurz zuvor zum Christentum übergetretenen König Stephan I. von Ungarn zu dessen Krönung. Diese Krone (in Form eines Diadems) ging wohl um 1074 an unbekanntem Ort in Österreich für immer verloren. Die heutige so genannte Stephanskrone wurde dann in mehreren Phasen zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert hergestellt; sie heißt im Ungarischen (in Abgrenzung zur eigentlichen Stephanskrone) Szent Korona (dt. „Heilige Krone“).

Seit 1267 wird der Treueschwur der ungarischen Könige auf die Krone abgelegt. Die Stephanskrone wurde daher im ungarischen Königtum zur wichtigsten Insigne, wodurch sich ihre Bedeutung als Nationalsymbol erklärt. Die Krönungsstadt war dabei im Mittelalter Stuhlweißenburg, danach (als Zentralungarn türkisch war) Preßburg (ung. Pozsony), dem Regierungssitz des habsburgischen Teilstaates Ungarn während dieser Zeit. Die Krönung Kaiser Franz Josephs zum König von Ungarn fand 1867 in Buda statt.

Das Königtum der Habsburger in Ungarn bestand von 1551 bis 1918, während dieser Zeit war die Krone in ihrem Besitz. 1916 wurde als letzter Monarch der österreichische Kaiser Karl I. zum ungarischen König Karl IV. (Károly IV.) gekrönt. Verfassungsmäßig ist Ungarn allerdings erst seit 1949 Republik.

Wenn man Stephanskrone und Heilige Krone zusammenfasst, wurden insgesamt 55 ungarische Könige mit ihr gekrönt; drei Herrscher trugen sie nicht oder erst später: Wladyslaw (1434–1444; siehe unten), Johann Sigismund (1540–1570 als Johann II.; sein „Gegenkönig“ und Kaiser Ferdinand I. hielt sie 1527–1538) sowie Josef II. (1780–1790), der die ungarische Verfassung und eine Krönung mit der Stephanskrone ablehnte).

1945 gelangte die Stephanskrone durch ungarische Patrioten mit dem legendären Goldzug in den Westen, später weiter in die USA, die sie erst 1978 als Teilergebnis der Verhandlungen über die Rückgabe von Kriegsbeute aus der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs an Ungarn zurückgaben.

1990 wurde die Darstellung der Stephanskrone per Parlamentsbeschluss wieder in das Wappen der ungarischen Republik integriert. Außenpolitisch ist sie ein schwieriges Nationalsymbol, da die gelegentlichen Forderungen nach Revision der ungarischen Grenzen nicht zuletzt im Namen der Stephanskrone erfolgen.

Schräges Kreuz

Die Stephanskrone wird durch ein seitwärts schräggeneigtes Kreuz charakterisiert. Der Legende nach steht es in Zusammenhang mit Ladislaus Postumus (1440–1457): Er konnte sich anfangs nicht als König in Ungarn durchsetzen, und der Jagiellone Wladyslaw wurde zum König gewählt. Daraufhin soll er die Hofdame Helene Kottanner beauftragt haben, die ungarische Stephanskrone zu stehlen und nach Wiener Neustadt zu bringen. Beim Transport soll das Kreuz beschädigt worden sein und seitdem schief stehen.

Laut einer anderen Legende wurde das Kreuz von den Habsburgern verbogen, um die „magischen Kräfte“, die die Ungarn ihrer Krone zusprechen, zu brechen.

Anderen Symboliken zufolge soll das schräge Kreuz eine Verneigung vor Gott bedeuten.


Einzelnachweise

  1. Insignienkunde (Philosophische Fakultät der Universität Passau). Stand 23. Feb, 2009.
  2. Gàbor Pap: Angyali korona, szent csillag (dt. Engelhafte Krone, heilige Sterne). 2006. 
  3. Szent korona - vollständiger Text der Abhandlung Paps mit zahlreichen Abbildungen (ungarisch). Stand 23. Feb, 2009.

Literatur

  • Kovács E., Lovag Zs.: A Magyar Koronázási Jelvények, Budapest, 1980 (dtsch: Die ungarischen Krönungsinsignien, Budapest 1988)
  • Tóth E., Szelényi K: Die heilige Krone von Ungarn, Budapest, 2000.

Weblinks


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