- 8. Venezianischer Türkenkrieg
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Der Venezianisch-Österreichische Türkenkrieg (auch 6. Österreichischer Türkenkrieg, 1. Türkenkrieg Karls VI. oder 8. Venezianischer Türkenkrieg) dauerte von 1714 bis 1718. Er stellte einen Versuch des Osmanischen Reiches dar, die Bedingungen des Friedens von Karlowitz (1699) zu revidieren, und begann zunächst als Konflikt mit Venedig. Erst im Jahre 1716 trat Österreich auf Seiten Venedigs in den Krieg ein. Die kaiserlichen Truppen standen unter dem Kommando des Prinzen Eugen von Savoyen.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Nach Ende des Großen Türkenkrieges 1683 - 1699 musste das Osmanische Reich im Frieden von Karlowitz 1699 auf sämtliche Eroberungen nördlich der Donau (mit Ausnahme des Banats) zu Gunsten Österreichs verzichten und die Herrschaft Venedigs über den Peloponnes (Morea) anerkennen. In den folgenden Jahren erlaubte es die eigene Schwäche den Osmanen nicht, an eine erneute Eroberung dieser Gebiete zu gehen. Zu dieser Zeit kam es lediglich zu einem begrenzten Krieg gegen das russische Zarenreich, welchen die Osmanen im Jahre 1711 mit dem Frieden vom Pruth für sich entschieden. Durch diesen Erfolg ermutigt, plante man die Revision des Karlowitzer Friedens. Zunächst wandten sich die Osmanen gegen die Republik Venedig, die man für schwach hielt. Mit einem Eingreifen Österreichs rechnete man nicht, da dieses durch den gerade abgeschlossenen Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) noch sehr geschwächt war.
Militärischer Verlauf
Der Krieg bis zum Eintritt Österreichs
Unter dem Vorwand einiger Ungesetzlichkeiten, welche venezianische Händler begangen hätten, erklärte das Osmanische Reich am 9. Dezember 1714 den Krieg. Doch erst im darauffolgenden Sommer wurden die Operationen eröffnet. Am 27. Juni 1715 drang ein 40.000 Mann starkes osmanisches Heer in Peloponnes ein, während eine Flotte von 80 Schiffen unter dem Kapudan Pascha bei Cerigo landete. Dem konnten die Venezianer lediglich 10.000 Mann und 19 Schiffe unter dem Proveditore Geronimo Delphino entgegenstellen. Sie verteidigten im Wesentlichen nur die festen Plätze der Halbinsel, so dass es den Osmanen gelang, bis zum Dezember 1715 die ganze Morea (Peloponnes) einzunehmen.[1]
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Venedig sich auf sein Bündnis mit Österreich (Heilige Liga von 1684) berufen und somit einen Kriegseintritt Habsburgs unumgänglich machen würde. Kaiser Karl VI., dessen Armee und Finanzen durch den Spanischen Erbfolgekrieg noch sehr angeschlagen waren, zögerte noch mit der Erneuerung der Allianz. Erst als Papst Clemens XI. Geldmittel bereitstellte und eine Garantieerklärung Frankreichs für die österreichischen Besitzungen in Italien erwirkte, erneuerte Karl am 13. April 1716 das Bündnis mit Venedig.[2] Daraufhin erklärte das Osmanische Reich auch Österreich den Krieg.
Die Schlacht von Peterwardein 1716
- Artikel: Schlacht von Peterwardein
Im Juli 1716 marschierte eine riesige türkische Armee in Richtung Peterwardein, deren Stärke mit 200.000 Mann beziffert wird. Dabei darf jedoch nicht die Tatsache vergessen werden, dass eine osmanische Armee immer mit einem ungeheuren Tross ins Feld zog: Diener, Sklaven, Handwerker, Händler und sogar Haremsdamen wurden mitgeführt. Man kann davon ausgehen, dass die kämpfende Truppe dieser Armee in etwa 100.000 Mann stark war.[3] Prinz Eugen, seit 1703 Präsident des Hofkriegsrates, standen im Gegensatz dazu etwa 70.000 Mann zur Verfügung. Anfang August waren beide Heere im Gebiet vor Peterwardein eingetroffen: Die Armee Eugens stand zwischen den Sümpfen am Donauufer und der Festung, die Türken hatten auf den nahegelegenen Hügeln Schanzen errichtet und befanden sich daher in der eindeutig besseren Position. Eugens Generalität riet zu einer defensiven Taktik: Entweder sollte man sich auf die Verteidigung der Festung konzentrieren oder in den Schanzen am Donauufer abwarten. Die grundlegende offensive Einstellung des Prinzen konnte jedoch mit diesem Vorschlag nicht viel anfangen und so befahl er den Angriff auf die osmanischen Stellungen für 5. August.[4]
Zu Beginn der Schlacht kam das kaiserliche Zentrum sehr in Bedrängnis und es bestand die Gefahr, dass die Schlachtordnung zusammenbrach. Durch ein persönlich geführtes Kavalleriemanöver gelang es Prinz Eugen jedoch die türkische Front von der linke Flanke her aufzurollen: Die leichten osmanischen Reiter wurden von den gepanzerten kaiserlichen Kürassieren buchstäblich niedergeritten. Nach fünfstündigem Kampf war die Schlacht zu Ende. Sie hatte ca. 30.000 Türken und 5.000 Kaiserliche das Leben gekostet und für die Truppen Karl VI. enorme Beute eingebracht: Die gesamte türkische Zeltstadt, 5 Rossschweife, 156 Fahnen, Artillerie, Munition, Pferde, Büffel, Kamele, 12.000 Sack Reis, 2.500 Fässer Mehl, 1.000 Wagen Hafer, 500 Wagen Kaffee, 500 Wagen Zwieback,...[5] Zu Ehren dieses Sieges ließ der Papst alle Glocken Roms läuten und sendete dem Prinzen geweihten Hut und Degen, während der Reichstag dem Kaiser zusätzliche Türkensteuern bewilligte.
Die Einnahme von Temesvár
Nach der siegreichen Schlacht von Peterwardein wollte Prinz Eugen seinen Sieg gegen die Türken strategisch weiter ausnützen. Für eine Belagerung Belgrads reichte jedoch seine Flussflottille nicht aus, da die Festung Belgrad genau zwischen Donau und Save lag. Also beschloss er den Angriff auf die Festung Temesvár und somit die Einnahme des Banats, der letzten Region des alten Königreichs Ungarn, welche noch von den Osmanen gehalten wurde. Die im August begonnene Belagerung endete ziemlich unerwartet, da die Besatzung im Oktober kapitulierte und ihr samt Zivilbevölkerung der freie Abzug nach Belgrad erlaubt wurde. Mit der Übergabe von Temesvár endeten 164 Jahre türkische Oberhoheit über das Banat, welches bis zum Ende des 1. Weltkriegs habsburgisch blieb.
Die Schlacht von Belgrad 1717
Nach den Erfolgen von 1716 hieß das nächste logische Ziel: Belgrad. Die Stadt liegt genau an der Stelle, an der die Save in die Donau mündet. Wegen der Flussbiegungen der Save und Donau war die Festung nur von südlicher Richtung aus direkt attackierbar. Der strategische Wert dieser Position ist sowohl als Bollwerk gegen einen Angreifer aus Südosten als auch gegen einen Angreifer aus Nordwesten unbezahlbar und war somit für die Habsburger wie für die Osmanen die Schlüsselstellung auf dem Balkan. 1688 war Belgrad bereits den Türken entrissen worden, doch ging es 1690 wieder an die Hohe Pforte verloren. Prinz Eugen, der 1688 vor Belgrad schwer verwundet worden war, forcierte mit Unterstützung des Kaisers den Aufbau einer schlagkräftigen Donauflottille, die er zur Einnahme Belgrads für unentbehrlich hielt: Die Donauflotte hatte die Aufgabe, der erfahrenen und kampferprobten türkischen Donaustreitmacht Paroli zu bieten und die Versorgung des kaiserlichen Heeres sicherzustellen. Die Besatzungen für die eilig aufgestellte Flotte wurden kurzerhand aus den habsburgischen Niederlanden angeworben.[6]
Am 13. Mai 1717, einen Tag vor der Geburt Maria Theresias, verließ der Prinz Wien und traf am 21. Mai bei seiner Truppe in Futtak ein. Noch bevor alle Truppenkörper ganz versammelt waren, marschierte er am 9. Juni 1717 mit zirka 70.000 Mann Richtung Belgrad. Er wollte möglichst rasch mit der Belagerung beginnen um die Stadt noch vor Eintreffen eines türkischen Heeres zu nehmen. Das erste große Problem stellte der Anmarsch auf Belgrad dar: Da die Festung nur von Süden her erreichbar war, musste entweder die Save oder die Donau überquert werden. Der direkte Weg führte über die viel schmälere Save, doch lag dieser in Reichweite der Festungsgeschütze.[7] Auf Anraten eines seiner Generäle wählte man jedoch die Überquerung weiter östlich über die Donau. Da die Osmanen annahmen, dass niemand auf die Idee kommen würde diesen breiten Strom zu überqueren, gelang dem kaiserliche Heer das Übersetzen vom 15. auf den 16. Juni ohne nennenswerten Widerstand.[8] Schnell begann man Artilleriestellungen und Laufgräben gegen die Festung anzulegen, und gleichzeitig legten die Truppen des Kaisers auch Schanzen im Rücken des Heeres an (später als Eugenische Linien bekannt[9]), da man Eugen berichtet hatte, dass ein 150.000 Mann starkes osmanisches Heer auf dem Weg nach Belgrad sei.[10] Am 28. Juli traf schließlich die Entsatzarmee ein, die jedoch keinen Angriff gegen die Belagerer startete, sondern ihrerseits Schanzen anlegte.
Nun waren die Belagerer zu Belagerten geworden, und der ursprüngliche Plan Eugens, das Entsatzheer vor den Eugenischen Linien verbluten zu lassen und dann die Stadt zu nehmen, scheiterte, da die osmanischen Streitmacht keinen Angriff startete. Stattdessen wurden Eugens Truppen nun zwischen der Festung und der 150.000 Mann starken Armee in die Zange genommen. Durch Ausfälle, Feuerüberfälle, Kanonaden von zwei Seiten und Sumpffieber durch die nahen Donau- und Saveauen schrumpfte Eugens Streitmacht langsam dahin.
Die nun entstandene Lage war äußerst gefährlich, denn die Osmanen hatten alle Zeit der Welt die christlichen Truppen langsam aufzureiben. Als die Lage für die Kaiserlichen immer bedrohlichere Ausmaße annahm, wurde am 14. August Belgrad plötzlich von einer gewaltigen Explosion erschüttert: Ein Mörser hatte das Pulvermagazin der Festung getroffen und auf einen Schlag starben an die 3.000 Verteidiger.[11] Durch dieses Ereignis und durch die eigene Niederlage vor Augen, befahl Eugen am folgenden Tag seinen Stab zu sich und gab die Befehle für den Angriff auf die türkische Entsatzarmee: In der Nacht auf den 16. August sollte genau um Mitternacht der Überraschungsangriff stattfinden, Infanterie im Zentrum, Kavallerie an den Flanken. Außer der Besatzung der Laufgräben vor der Festung sollte sich jeder an dem Angriff beteiligen.
Als sich die kaiserliche Armee ab Mitternacht des 16. August 1717 zum Angriff bereitmachte, merkten die Türken nichts davon, da ein Nachtangriff in der damaligen Zeit als Novum galt. Als die ersten Stunden der Schlacht geschlagen waren und es langsam hell wurde, bemerkte man eine Lücke im Zentrum der Kaiserlichen, die die Osmanen für einen Gegenangriff nutzten. Eugen schickte seine Reserven in die Lücke und begab sich selbst an die Spitze der Kavallerie. Der türkische Gegenangriff wurde abgewehrt und in Folge davon die türkischen Schanzen erstürmt, woraufhin die türkische Schlachtordnung in Unordnung geriet und abermals, wie schon in vergangen Schlachten, eine regelrechte Flucht ausbrach.
Um 10 Uhr morgens war die Schlacht gewonnen. Die Besatzung von Belgrad kapitulierte nach der Niederlage des Entsatzheeres und zog unter freiem Geleit aus der Stadt ab. Die Verluste der Türken betrugen etwa 20.000 Mann sowie abermals unzähliges Material an Munition, Kanonen und Verpflegung. In Folge dieser Schlacht entstand das bis heute überlieferte Volkslied von "Prinz Eugen dem edlen Ritter", welches von der Schlacht bei Belgrad erzählt.
Der Friede von Passarowitz 1718
Nach den zahlreichen Niederlagen dieses Krieges war das Osmanische Reich zum Frieden bereit, ebenso der Kaiser, da ein neuer Konflikt mit Spanien um Sardinien drohte.
Im Friedensvertrag von Passarowitz vom 21. Juli 1718 wurden die österreichischen Eroberungen bestätigt: Österreich erhielt das Banat, später Banat von Temesvár, die westliche Walachei, das nördliche Serbien mit Belgrad und Teile Nordbosniens und Venedig verlor Morea endgültig an die Türken.
Schlussbetrachtung
Mit dem Frieden von Passarowitz war die Gefahr der osmanischen Expansion nach Europa ein für alle Mal gebannt. Österreich ließ sich die von Prinz Eugen erkämpften territorialen Eroberungen bestätigen und erreichte seine größte Ausdehnung in Südosteuropa. Im Russisch-Österreichischen Türkenkrieg (1736–1739) gingen zwar die eroberten Gebiete südlich der Donau wieder verloren, die Gebiete nördlich der Donau blieben aber bis zum Ende der Monarchie habsburgisches Gebiet. Das Jahr 1718 wird häufig als das Jahr tituliert, in dem das Haus Österreich endgültig zur Großmacht aufstieg. Diese These ist unter Historikern umstritten, da die österreichischen Lande zwar militärisch und politisch gestärkt, die Staatsfinanzen aber weiterhin dem Bankrott nahe waren. [12]
Fußnoten
- ↑ Bernhard von Poten (Hg.), Handwörterbuch der gesamten Militärwissenschaften.(Bd.9, Leipzig 1880). S.204
- ↑ Walter Hummelberger, Die Türkenkriege und Prinz Eugen. In: Herbert St. Fürlinger (Hg.), Unser Heer. 300 Jahre österreichisches Soldatentum in Krieg und Frieden. (Wien-München-Zürich 1963) S. 102
- ↑ ebenda, S.102
- ↑ Ernst Trost, Prinz Eugen von Savoyen. (Wien-München ²1985). S.243
- ↑ ebenda, S. 245
- ↑ Renate Barsch-Ritter, Österreich auf allen Meeren. Geschichte der K.(u.)K. Marine 1382 bis 1918. (Graz-Wien-Köln 2000) S. 36
- ↑ Ernst Trost, Prinz Eugen von Savoyen. (Wien-München ²1985) S. 252
- ↑ Walter Hummelberger, Die Türkenkriege und Prinz Eugen. In: Herbert St. Fürlinger(Hg.), Unser Heer. 300 Jahre Österreichisches Soldatentum in Krieg und Frieden. (Wien-München-Zürich 1963)S. 103
- ↑ ebenda, S. 103
- ↑ Ernst Trost, Prinz Eugen von Savoyen. (Wien-München ²1985) S. 258
- ↑ ebenda, S.258
- ↑ Siehe dazu: Karl Vocelka, Glanz und Untergang der höfischen Welt. Representation, Reform und Reaktion im Habsburgischen Vielvölkerstaat. In: Herwig Wolfram(Hg.), Österreichische Geschichte 1699-1815. (Wien 2004) S. 79 - 84
Siehe auch
Literatur
- Walter Hummelberger: Die Türkenkriege und Prinz Eugen . In: Herbert St. Fürlinger(Hg.), Unser Heer. 300 Jahre Österreichisches Soldatentum in Krieg und Frieden. Wien-München-Zürich 1963.
- Ernst Trost: Prinz Eugen von Savoyen. Wien, München 2. Aufl. 1985.
- Richard Schmitt, Peter Strasser: Rot-weiß-rote Schicksalstage. Entscheidungsschlachten um Österreich.' St.Pölten,Wien,Linz 2004.
- Feldmarschall Viscount Montgomery of Alamein, Kriegsgeschichte. Weltgeschichte der Schlachten und Kriegszüge. London 1968.
- Renate Barsch-Ritter: Österreich auf allen Meeren. Geschichte der K.(u.)K. Marine 1382 bis 1918. Graz, Wien, Köln 2000.
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