Studierfähigkeitstest

Studierfähigkeitstest

Als Studierfähigkeitstests werden in der psychologischen Literatur Testverfahren bezeichnet, die zur Messung vor allem kognitiver Aspekte der Studieneignung dienen. Zu solchen kognitiven Aspekten gehören beispielsweise Fähigkeiten wie verbales und numerisches Schlussfolgern, Merk- und Konzentrationsfähigkeit oder räumliches Vorstellungsvermögen. Auch soziale Fähigkeiten und Fertigkeiten können mit dazugehören.

Inhaltsverzeichnis

Arten und Ziele von Studierfähigkeitstests

Unterschieden werden zwei Arten von Studierfähigkeitstests:

  1. Allgemeine Studierfähigkeitstests sollen kognitive Studienvoraussetzungen prüfen, die allen Studiengängen zugrunde liegen. Dazu zählt beispielsweise der in den USA verbreitete SAT, früher auch als Scholastic Assessment Test, Scholastic Aptitude Test und Scholastic Achievement Test bekannt.
  2. Spezifische Studierfähigkeitstests prüfen Fähigkeiten, die nur für die Bewältigung einzelner Studiengänge oder Studienfelder relevant sind. Dazu zählt beispielsweise der in Deutschland bekannte Test für medizinische Studiengänge (TMS) bzw. der Schweizer Eignungstest für das Medizinstudium (EMS).

Ihr Einsatz erfolgt vor allem in Fächern mit Numerus clausus, wo die Nachfrage die zur Verfügung stehende Zahl der Studienplätze deutlich übersteigt und eine Zulassung aller Personen nicht möglich ist. Ihr Einsatz wird mit einer besseren Nutzung der begrenzt zur Verfügung stehenden Studienplatz-Kapazität begründet: Diejenigen, die bessere Test-Leistungen erzielen, verfügen über eine höhere Studieneignung und folglich ist eine bevorzugte Zulassung gerechtfertigt. Bessere Studieneignung bedeutet dabei

  • die Studiendauer der optimalen Dauer anzunähern (keine Verzögerungen durch Wiederantritte zu Prüfungen) und so die begrenzte Ausbildungskapazität baldigst für die Nächsten wieder freizugeben;
  • qualitativ bessere Leistungen (Prüfungsergebnisse) zu erreichen.

Die Verwendbarkeit eines Tests für die Studienzulassung, der Zusammenhang Testleistung und Studieneignung, bedarf der Evaluation, d.h. die Prognosekraft des Tests für Studienerfolg muss konkret nachgewiesen und gerechtfertigt werden (ohne diese Rechtfertigung wäre eine Verlosung der Studienplätze der Verwendung eines Tests gleichwertig).

Die Studienzugangsberechtigung wurde durch das Abitur/die Maturität erworben. Eine Verwendung dieser Noten für die Zulassung hat zwei Nachteile: (1) die Notenmassstäbe unterscheiden sich zwischen (Bundes-)Ländern, Schultypen und Bildungswegen und sind durch statistische Korrekturverfahren nur bedingt ausgleichbar, und (2) Rückwirkungen auf das Benotungssystem sind möglich, wenn negative Benotungen vor allem in nichtstandardisierten Prüfungen durch das Lehrpersonal vermieden werden ("Gefälligkeitsbenotungen"). Die Studierfähigkeitstests bieten den Vorteil der Objektivität - alle Personen haben beim Test grundsätzlich die gleichen Bedingungen und damit Chancen. Dazu müssen die Tests selbst fair sein - d.h. keine Gruppen dürfen aufgrund von z.B. berufsspezifischem Vorwissen oder Vorerfahrungen oder von für den Studienerfolg nicht relevanten Handicaps Vor- oder Nachteile im Test haben.


Auch in der Studienberatung ist der Einsatz solcher Tests sinnvoll, hier als Entscheidungshilfe, ob die individuellen Ressourcen und Potentiale für die Bewältigung der Studienanforderungen ausreichen und eine Bewerbung für dieses Studium angeraten ist.

Gütekriterien von Studierfähigkeitstests

  • Objektivität und Reliabilität (Messgenauigkeit) von Testverfahren lassen sich durch die Beachtung von bestimmten Konstruktionsprinzipien der psychometrischen Testkonstruktion erreichen. Studierfähigkeitstests, die nach diesen Prinzipien konstruiert werden (wie die erwähnten Verfahren SAT oder TMS) weisen in der Regel eine hohe Objektivität und Reliabilität auf.
  • Die Validität von Studierfähigkeitstests wird üblicherweise durch die Korrelation des Testergebnisses mit einem Außenkriterium bestimmt. Dieses Außenkriterium soll zumeist den Studienerfolg repräsentieren. Dafür kommen im Einzelnen verschiedene Kriterien in Frage. In den meisten Validierungsstudien wurden jedoch – auch aus untersuchungsökonomischen Gründen – nur die Studiennoten sowie das erfolgreiche Erreichen eines Studienabschlusses (im Gegensatz zum Abbruch des Studiums) untersucht.
    • Studierfähigkeitstests erweisen sich dabei vor allem als valide zur Vorhersage von Noten im Studium sowie von Prüfungserfolg in den ersten Jahren. Hier wird argumentiert, dass die Studienabbrüche vor allem in den ersten Jahren stattfinden und deren Vorhersage bzw. Berücksichtigung bei der Zulassungsentscheidung vor allem notwendig ist. [1][2] Kombiniert man schulische Abschlussnoten (Deutschland: Abiturdurchschnittsnote; USA: High School GPA) mit den Ergebnissen von Studierfähigkeitstests, führt dies zu einer noch besseren Vorhersage von Studiennoten, als sie durch schulische Noten oder Studierfähigkeitstests allein erreicht wird (sog. inkrementelle Validität). Nach gängigen eignungsdiagnostischen Maßstäben wird dabei ein relativ hohes Niveau an Vorhersagegenauigkeit erreicht. Dies bedeutet aber andererseits, dass die Varianzaufklärung – selbst nach Korrekturen für die angenommene Unreliabilität von Studiennoten – deutlich unter 40% bleibt. So wird für den TMS ein mittlerer Korrelationskoeffizient von r = 0,54 bei einer Kombination von TMS-Ergebnis und Abiturdurchschnittsnote berichtet.[3] Dies entspricht einer Varianzaufklärung von ca. 30%.
    • Zur Vorhersage des erfolgreichen Studienabschlusses scheinen sich Studierfähigkeitstests hingegen weniger zu eignen. Dies kann auch daran liegen, dass die Prognosefähgkeit von Tests generell nur für bestimmte Zeiträume gilt und mit der Zeitdauer der Vorhersage abnimmt. [4][5] Eine andere Erklärung wäre, dass Studienabbrüche eher mit einer nicht gelungenen Passung zwischen Studierenden und Hochschulumwelt sowie motivationalen und psychosozialen Aspekten zusammenhängen, als mit mangelnder Studierfähigkeit.[6][7][8]
  • Die Normierung von Tests lässt sich durch die Erprobung eines in Entwicklung befindlichen Verfahrens an einer größeren Stichprobe aus der interessierenden Zielgruppe erreichen. Durch die Normierung eines Tests wird ein Bezugssystem geschaffen, um die Ergebnisse der Testteilnehmer im Verhältnis zu den Ergebnissen aus einer größeren Bezugsgruppe einordnen zu können. Da Studierfähigkeitstests in der Regel der Auswahl unter Studienplatzbewerbern dienen, reicht tatsächlich die Bildung einer Rangreihe unter diesen Bewerbern aus, so dass auf eine Normierung an einer anderen Stichprobe verzichtet werden kann.
  • Die Testfairness von Studierfähigkeitstests ist insbesondere in den USA sehr umstritten. Dort haben Studierfähigkeitstests eine erheblich größere Bedeutung als in Deutschland, da sehr viele Hochschulen die Ergebnisse von Tests bei der Hochschulzulassung berücksichtigen. Bei den dort verwendeten Wissenstests hat das in der Schule erworbene Wissen ein stärkeres Gewicht und dort wird die Chancengleichheit der Personen bezweifelt. [9] Testteilnehmer afrikanischer Herkunft erreichen im Mittel deutlich geringere Testergebnisse, als Testteilnehmer europäischer Herkunft.[10] Testbefürworter argumentieren hingegen, dass im Mittel ungleiche Testergebnisse verschiedener ethnischer Gruppen kein Argument gegen Tests seien, solange diese für alle Testteilnehmer gleichermaßen valide sind (Modell der fairen Vorhersage). Für Studierfähigkeitstests, die weniger den Wissensstand, sondern die Fähigkeit, neues Wissen zu erwerben, prüfen, gilt diese Kritik weniger stark.

Einsatzbeispiele für Studierfähigkeitstests

Wegen der hohen Kosten eines Studienplatzes im Fach Medizin wurde in Deutschland von 1986 bis 1996 und wird seit 2008 wieder für einzelne Universitäten und Bundesländer der TMS als ein Zulassungskriterium (in Verbindung mit Abiturnoten, Wartezeit u.a.) verwendet. In der Deutschschweiz seit 1998 und in Österreich (Wien und Innsbruck) seit 2006 kommt der EMS als exklusives Zulassungskriterium zum Einsatz. Tests für die Medizinzulassung werden z.B. in den USA, in Kanada, Japan, Australien, Belgien ebenfalls eingesetzt.

Zudem hat sich das Prinzip der Auswahl von Studienbewerbern durch Studierfähigkeitstests auch in wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen durchgesetzt, so beispielsweise an der FH Pforzheim oder der privaten International School of Management in Dortmund. Die Inhalte der Tests hängen stark von den Anforderungen ab, die von der Hochschulen aufgestellt werden.[11]

Als eine der ersten staatlichen Universitäten im deutschen Sprachraum hat die Leuphana Universität Lüneburg einen obligatorischen Studierfähigkeitstest für die meisten Fächer eingeführt. Die meisten privaten Hochschulen, wie etwa die Jacobs University Bremen sowie die International University in Germany in Bruchsal, fordern ebenfalls das Ablegen eines Tests.

Literatur

  • Deidesheimer-Kreis: Hochschulzulassung und Studieneignungstests. Studienfeldbezogene Verfahren zur Feststellung der Eignung für Numerus-clausus- und andere Studiengänge. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997, ISBN 3-525-45309-4.
  • H. Rindermann und V. Oubaid: Auswahl von Studienanfängern durch Universitäten. Kriterien, Verfahren und Prognostizierbarkeit des Studienerfolgs. In: Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie. Band 20, Hogrefe & Huber 1999, S. 172–191.
  • Manfred Amelang und Werner Zielinski: Psychologische Diagnostik und Intervention. 3. Auflage, Springer, Heidelberg 2002, ISBN 3-540-42840-2.
  • Simone Dlugosch: Prognose von Studienerfolg. Shaker, Aachen 2005, ISBN 3-8322-4557-X.
  • Benedikt Hell, Sabrina Trapmann und Heinz Schuler: Eine Metaanalyse der Validität von fachspezifischen Studierfähigkeitstests im deutschsprachigen Raum. In: Empirische Pädagogik. Band 21, 2007, S. 251–270.
  • Heinz Schuler und Benedikt Hell (Herausgeber). Studierendenauswahl und Studienentscheidung. Hogrefe, Göttingen 2007.
  • Felix Petersen und Marcus Mery: Die Bewerbung zum Studium: Erfolgreich bewerben für Bachelor und Master. Verlag Ausbildungspark, Offenbach/ Main 2010, ISBN 978-3-941-35602-3.

Siehe auch

Weblinks

  • FairTest ist eine Organisation, die sich in den USA kritisch mit der Anwendung standardisierter Tests im Bildungsbereich auseinandersetzt.
  • Educational Testing Service Herausgeber des SAT und anderer psychometrischer Tests im Bildungsbereich.
  • ITB-Consulting Anbieter deutschsprachiger Studierfähigkeitstests.

Referenzen

  1. N. W. Burton und L. Ramist: Predicting Success in College. SAT Studies of Classes Graduating Since 1980. College Entrance Examination Board, New York 2001.
  2. B. Hell, S. Trapmann und H. Schuler: Eine Metaanalyse der Validität von fachspezifischen Studierfähigkeitstests im deutschsprachigen Raum. In: Empirische Pädagogik. Band 21, 2007, S. 251–270.
  3. G. Trost, E. Klieme und H.-U. Nauels: Prognostische Validität des Tests für medizinische Studiengänge (TMS). In: Theo Herrmann (Hrsg.): Hochschulentwicklung. Aufgaben und Chancen. Asanger, Heidelberg 1997, ISBN 3-89334-327-X, S. 57–87.
  4. William G. Bowen und Derek Bok: The shape of the river. Princeton University Press, Princeton, NJ 1998, ISBN 0691002746.
  5. S. B. Robbins, D. Davis, H. L. Davis, K. Lauver und R. Langley: Do Psychosocial and Study Skill Factors Predict College Outcomes? - A Meta-Analysis. In: Psychological Bulletin. Band 130, Nr. 2, 2004, S. 261–288.
  6. Ulrich Heublein, Heike Spangenberg und Dieter Sommer: Ursachen des Studienabbruchs. Analyse 2002. HIS GmbH, Hannover 2003, ISBN 3-930447-54-1.
  7. J. Pixner und H. Schüpbach: Zur Vorhersagbarkeit von Studienabbrüchen als Kriterium des Studien(miss)erfolgs. In: Heinz Schuler und Benedikt Hell (Hrsg.): Studierendenauswahl und Studienentscheidung. Hogrefe, Göttingen 2008, ISBN 978-3-8017-2103-9.
  8. Vincent Tinto: Leaving college. Rethinking the causes and cures of student attrition. University of Chicago Press, Chicago 1993, ISBN 0226804461.
  9. College Board (Hrsg.): Best Practices in Admissions Decisions. A Report on the Third College Board Conference on Admissions Models. College Entrance Examination Board, New York 2002.
  10. P. R. Sackett: The Performance-Diversity Tradeoff in Admission Testing. In: Wayne J. Camara und Ernest W. Kimmel (Hrsg.): Choosing students. Higher education admissions tools for the 21st century. Lawrence Erlbaum Associates, Publishers, Mahwah, NJ 2005, ISBN 0805847529.
  11. Petersen/Mery: Die Bewerbung zum Studium. Erfolgreich bewerben für Bachelor und Master, 2010, Verlag Ausbildungspark, Offenbach am Main, S.186 f.

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