Synaptische Plastizität

Synaptische Plastizität

Synaptische Plastizität ist ein Begriff, der die aktivitätsabhängige Änderung der Stärke der synaptischen Übertragung beschreibt. Diese Änderungen können sowohl durch Änderungen der Morphologie als auch der Physiologie der Synapse verursacht werden. Synaptische Plastizität ist ein wichtiger Forschungsgegenstand der Neurowissenschaften, da sie als ein möglicher neurophysiologischer Mechanismus für Lernprozesse und Gedächtnis gilt.

Zur Erläuterung des Begriffs

  • synaptische Aktivität / Übertragung: Synapsen können ruhen oder aktiv sein. An einer aktiven Synapse ist die präsynaptische Endigung erregt, das heißt, dort treten Aktionspotentiale auf. Es kommt zur Freisetzung von Transmitter in den synaptischen Spalt und seiner Bindung an Rezeptoren der postsynaptischen Membran. Wird dadurch im postsynaptischen Neuron eine Antwort hervorgerufen, hat synaptische Übertragung stattgefunden. Die Antwort muss nicht notwendigerweise in einem Aktionspotential bestehen, sondern ist häufig unterschwellig.
  • aktivitätsabhängig: Das bedeutet, dass diejenigen Änderungen der Synapsen betrachtet werden, die deren Aktivität als Ursache haben. Im Gegensatz dazu gibt es z. B. entwicklungsbedingte Änderungen von Synapsen, die während des Wachstums und der Differenzierung des Nervensystems stattfinden und nicht notwendigerweise auch synaptische Aktivität voraussetzen.
  • Stärke der Übertragung: Damit ist gemeint, dass ein einzelnes Aktionspotential am präsynaptischen Endknöpfchen im postsynaptischen Neuron eine unterschiedlich starke Änderung des Membranpotentials bewirken kann. Je größer diese Änderung, desto stärker die Übertragung (und umgekehrt).

Je nach Dauer der synaptischen Veränderungen nach einer bestimmten Form der synaptischen Aktivierung unterscheidet man zwischen Kurzzeit- und Langzeitplastizität (short-term plasticity und long-term plasticity).

  • Kurzzeitplastizität: Die Änderung der Übertragungsstärke hält einige Millisekunden bis höchstens einige Minuten an.
  • Langzeitplastizität: Die Stärke der Übertragung ändert sich für viele Minuten bis einige Stunden, möglicherweise lebenslang.

Die Verstärkung der synaptischen Übertragung durch synaptische Plastizität bezeichnet man als Potenzierung, die Abschwächung als Depression. (Letzteres ist nicht zu verwechseln mit dem Krankheitsbild der Depression). Je nach Dauer spricht man von Langzeit-Potenzierung (long-term potentiation, LTP), Kurzzeit-Potenzierung (short-term potentiation, STP), Langzeit-Depression (long-term depression, LTD) und Kurzzeit-Depression (short-term depression, STD).

Synaptische Plastizität kann sowohl prä- als auch postsynaptisch verursacht sein.

  • präsynaptisch: Dabei ändert sich die Menge des pro Aktionspotential freigesetzten Transmitters oder die Geschwindigkeit der Wiederaufnahme des Neurotransmitters in die präsynaptische Zelle.
  • postsynaptisch: Dabei ändert sich die Größe der postsynaptischen Antwort auf eine bestimmte Menge von Transmitter. Das geschieht z.B. durch Änderung der Menge von postsynaptischen Transmitter-Rezeptoren, durch die Modifikation dieser Rezeptoren (häufig durch Phosphorylierung oder Dephosphorylierung) oder durch die Bildung von Enzymen, die das Verhalten der Neurotransmitter im synaptischen Spalt verändern.

Prä- und postsynaptische Änderungen können gleichzeitig vorkommen.

Die Richtung der Änderung der synaptischen Übertragung und der Mechanismus, über den sie erfolgt, ist spezifisch für bestimmte Synapsen und bestimmte Arten der synaptischen Aktivität.


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Plastizität — Der Begriff Plastizität beschreibt: das Formänderungsvermögen von Festkörpern, siehe Plastische Verformung. die gezielte Beeinflussung der motorischen Entwicklung im Sport, siehe Plastizität (Sport). die Änderung der Aktivität in Synapsen, siehe… …   Deutsch Wikipedia

  • Kortikale Plastizität — Unter neuronaler Plastizität versteht man die Eigenschaft von Synapsen, Nervenzellen oder auch ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit von der Verwendung in ihren Eigenschaften zu verändern. Abhängig vom betrachteten System spricht man von… …   Deutsch Wikipedia

  • Neuronale Plastizität — Unter neuronaler Plastizität versteht man die Eigenschaft von Synapsen, Nervenzellen oder auch ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit von der Verwendung in ihren Eigenschaften zu verändern. Abhängig vom betrachteten System spricht man von… …   Deutsch Wikipedia

  • Neuroplastizität — Unter neuronaler Plastizität versteht man die Eigenschaft von Synapsen, Nervenzellen oder auch ganzen Hirnarealen, sich in Abhängigkeit von der Verwendung in ihren Eigenschaften zu verändern. Abhängig vom betrachteten System spricht man von… …   Deutsch Wikipedia

  • Langzeitpotenzierung — Die Langzeit Potenzierung (eng: long term potentiation, LTP) ist ein an Synapsen von Nervenzellen beobachtetes Phänomen. Sie stellt eine Form der synaptischen Plastizität dar. Unter LTP versteht man eine langandauernde (long term) Verstärkung… …   Deutsch Wikipedia

  • Fragiles X-Syndrom — Klassifikation nach ICD 10 Q99.2 Fragiles X Chromosom Syndrom des fragilen X Chromosoms …   Deutsch Wikipedia

  • Marker-X-Syndrom — Klassifikation nach ICD 10 Q99.2 Fragiles X Chromosom Syndrom des fragilen X Chromosoms …   Deutsch Wikipedia

  • Martin-Bell-Syndrom — Klassifikation nach ICD 10 Q99.2 Fragiles X Chromosom Syndrom des fragilen X Chromosoms …   Deutsch Wikipedia

  • Hebb'sche Lernregel — Die Hebbsche Lernregel ist eine vom Psychologen Donald Olding Hebb aufgestellte Regel zum Zustandekommen des Lernens in neuronalen Netzwerken bzw. in einem Verband von Neuronen, die gemeinsame Synapsen haben. Hebb formulierte 1949 in seinem Buch… …   Deutsch Wikipedia

  • Hebb'sche Regel — Die Hebbsche Lernregel ist eine vom Psychologen Donald Olding Hebb aufgestellte Regel zum Zustandekommen des Lernens in neuronalen Netzwerken bzw. in einem Verband von Neuronen, die gemeinsame Synapsen haben. Hebb formulierte 1949 in seinem Buch… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”