Synchronizität

Synchronizität

Als Synchronizität (von griechisch synchron, gleichzeitig) bezeichnete der Psychologe Carl Gustav Jung relativ zeitnah aufeinander folgende Ereignisse, die nicht über eine Kausalbeziehung verknüpft, jedoch durch konkreten Informationsbezug als miteinander verbunden, aufeinander bezogen erkennbar seien. Synchronismus dagegen bezeichnet die Ordnung von Ereignissen nach der Zeit.

Inhaltsverzeichnis

Theorie

Der Begriff Synchronizität

Es handelt sich bei der Synchronizität um ein inneres Ereignis (eine lebhafte, aufrührende Idee, einen Traum, eine Vision oder Emotion) und ein äußeres, physisches Ereignis, welches eine (körperlich) manifestierte Spiegelung des inneren (seelischen) Zustandes bzw. dessen Entsprechung darstellt. Um das Doppelereignis tatsächlich als Synchronizität definieren zu können, ist es unerlässlich, dass das innere chronologisch vor oder aber genau gleichzeitig ("synchron") mit dem äußeren Ereignis geschehen ist. Andernfalls könnte angenommen werden, dass das innere Phänomen auf das äußerlich wahrgenommene vorherige Ereignis reagiert (womit wieder eine quasi kausale Erklärung möglich wäre).

Das synchronistische Prinzip

Jung bezeichnet mit dem von ihm eingeführten Begriff sowohl das Phänomen als auch das hypothetisch dahinterstehende Prinzip. Er verwendet den Begriff „synchronistisches Prinzip“ öffentlich erstmals 1930 in seinem Nachruf für Richard Wilhelm:[1] „Die Wissenschaft des I Ging beruht nämlich nicht auf dem Kausalprinzip, sondern auf einem bisher nicht benannten – weil bei uns nicht vorkommenden – Prinzip, das ich versuchsweise als synchronistisches Prinzip bezeichnet habe.“

Abgrenzung zur Serialität

Jung grenzt die Synchronizität (für ihn ungewöhnlich methodisch) streng von der Serialität ab, wie sie vor allem Paul Kammerer in seinem Buch „Das Gesetz der Serie" (1919) untersucht hat. Sie betrachtet er als kuriose – bloß amüsante – Koinzidenzen, der das schöpferisch verwandelnde Potenzial der Synchronizität fehle. Dieses Potenzial stammt nach Jung aus der Aktivierung eines Archetyps, die sich in der individuellen Psyche für eine gewisse Zeit fokussiert, um dort Ausgestaltung zu finden. Diesen Vorgang bezeichnet Jung als Individuationsprozess.

Symbolkraft

Sinn stiftend wird die Synchronizität durch ihre Symbolkraft, zum Träger des Symbols wird die physische Komponente der Koinzidenz dank ihrer Intension (spezifischen Entsprechung) und ihrer begrenzten Extension (geringe Häufigkeit). Dadurch kann sie als Resonanz und Antwort auf die (chronologisch vorhergehende) Emotion erkannt werden. Häufig spielt die Numerologie (symbolische Bedeutung von Zahlen) eine wesentliche Rolle bei der „Sinnknüpfung“ einer Synchronizität.

Synchronizitaet.png

Die Quaternio

Das Prinzip der Synchronizität veranschaulicht er in einer Quaternio, einem Kreuz aus zwei sich jeweils polar ergänzenden Begriffspaaren, die sich diametral ergänzen und somit ähnlich aufzufassen sind wie etwa das Begriffspaar Welle/Teilchen beim Übergang von der klassischen Physik zur Quantentheorie.

Mit „unzerstörbare Energie“ wird hier die Größe bezeichnet, die bei allen physikalischen Prozessen konstant bleibt, also auch bei der Umwandlung von Energie in Masse und umgekehrt. Ihre durch alle ablaufenden physischen Prozesse sich ständig ändernde Erscheinungsform wird quasi als Tanz aufgefasst, der sich als Evolution auf der Bühne des Raum-Zeit-Kontinuums entfaltet.

Jung bestreitet nicht, dass jedes der beteiligten Ereignisse in seiner eigenen Kausalkette steht. Deshalb stellt die Synchronizität nicht das Kausalprinzip in Frage, sondern erweitert es linear bis zum rein akausalen Gegenpol: Die Dinge sind in ihrer Entwicklung sinnhaft aufeinander bezogen und „so angeordnet, wie sie sind“ (acausal orderedness).

Zusammenarbeit zwischen Jung und Wolfgang Pauli

Mit dem Physiker Wolfgang Pauli diskutiert Jung während seines langjährigen Briefwechsels (1932–1958, veröffentlicht 1992 von C.A. Meier, einem Zürcher Psychiater und langjährigen Freund des Physikers und des Tiefenpsychologen) intensiv diese Thematik. Der Begriff Synchronizität taucht im Pauli/Jung-Briefwechsel zum ersten Mal im Jahr 1948 auf (Brief [35]). Pauli dürfte ihn jedoch schon im Jahr 1934 gekannt haben, da Jung ihn in einem Brief an dessen Physikerkollegen Pascual Jordan verwendete. Pauli kannte Jordan von seiner Hamburger Zeit her und verkehrte weiter mit ihm mündlich und schriftlich. Jung erwähnt den Begriff Synchronizität im Jahr 1950 öffentlich im Vorwort zur englischen Übersetzung des I Ging. Schließlich veröffentlicht er im Jahr 1952 gemeinsam mit Pauli das Buch Naturerklärung und Psyche, in dem Jung unter dem Titel Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge das Thema umfassend behandelt.

Das psychophysische Problem scheint jedoch mit dem Synchronizitätsprinzip noch nicht gelöst, da darin Psyche und Materie immer noch in einem komplementären Verhältnis zu einander stehen. Erst die Überwindung dieser Komplementarität auf einer Metaebene dürfte an die Lösung des psychophysischen Problems heran führen. Jung und Pauli haben noch geahnt, dass dazu der Einbezug einer „raumzeitlosen Seinsform der Psyche“ nötig wird. Dies führt auf das Problem der empirischen Beobachtungsmöglichkeit eines „Jenseits“ nach dem Tod des Individuums sowie von Inkarnationen aus diesem unus mundus.

Beispiele

Das bekannteste Beispiel aus Jungs Praxis:

„Eine junge Patientin hatte in einem entscheidenden Moment ihrer Behandlung einen Traum, in welchem sie einen goldenen Skarabäus zum Geschenk erhielt. Ich saß, während sie mir den Traum erzählte, mit dem Rücken gegen das geschlossene Fenster. Plötzlich hörte ich hinter mir ein Geräusch, wie wenn etwas leise an das Fenster klopfte. Ich drehte mich um und sah, dass ein fliegendes Insekt von außen gegen das Fenster stieß. Ich öffnete das Fenster und fing das Tier im Fluge. Es war die nächste Analogie zu einem goldenen Skarabäus, welche unsere Breiten aufzubringen vermochten, nämlich ein Scarabaeide (Blatthornkäfer), Cetonia aurata, der gemeine Rosenkäfer, der sich offenbar veranlasst gefühlt hatte, entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten in ein dunkles Zimmer gerade in diesem Moment einzudringen.“[2]

Der Physiker Wolfgang Pauli glaubte selbst an den anekdotisch überlieferten Pauli-Effekt, demzufolge in seiner Gegenwart ungewöhnlich häufig experimentelle Apparaturen versagten oder sogar spontan zu Bruch gingen. Als Pauli 1958 in das Rotkreuzspital in Zürich eingeliefert wurde, stellte er tief erschrocken fest, dass er ausgerechnet im Zimmer 137 lag. Die Zahl verband er mit dem Wert der Feinstrukturkonstante, der ziemlich genau 1/137 beträgt und sah dies als schlechtes Vorzeichen. Pauli starb dort nach einer erfolglosen Operation am 15. Dezember 1958, wobei zu sagen ist, dass unabhängig von der Zimmernummer die Heilungsaussichten bei bösartigem Pankreaskrebs, wie im Falle Paulis, äußerst schlecht sind.

Literatur

  • C. G. Jung: Gesammelte Werke, Bd. 8, Walter, Olten (CH), 1971, S. 475ff. (§ 816ff.), Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge; erstmals veröffentlicht in: C.G. Jung und Wolfgang Pauli, Naturerklärung und Psyche, Rascher Verlag, Zürich, 1952; Paulis Beitrag lautete Der Einfluss archetypischer Vorstellungen auf die Bildung naturwissenschaftlicher Theorien bei Kepler.
  • Elisabeth Mardorf: Das kann doch kein Zufall sein! Verblüffende Ereignisse und geheimnisvolle Fügungen in unserem Leben. Schirner Verlag, 2009, ISBN 978-3-89767-630-5
  • Carl A. Meier (Hrsg.): Wolfgang Pauli und C. G. Jung. Ein Briefwechsel 1932-1958, Springer, Berlin 1992; derzeit vergriffen, jedoch in englischer Übersetzung lieferbar: Routledge, 2001 ISBN 0-415-12078-0.
  • C. G. Jung: Grundwerk, Band 2, Archetyp und Unbewusstes (1990), ISBN 3-530-40782-8
  • C. G. Jung: Taschenbuchausgabe in elf Bänden, Band 5, Synchronizität, Akausalität und Okkultismus (2001) ISBN 3-423-35174-8
  • F. David Peat: Synchronizität. Die verborgene Ordnung, 1989, ISBN 3-502-67499-X, alt. ISBN 3-502-67498-1

Weblinks

Anmerkungen

  1. Neue Zürcher Zeitung CLI/1 vom 6. März 1930, in: C.G. Jung, Gesammelte Werke, Bd. 15, S. 63, 66.
  2. C. G. Jung: Gesammelte Werke, Bd. 8, S. 497.

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