Psychophysisches Problem

Psychophysisches Problem

Das psychophysische Problem weist hin auf die ungeklärte Wechselwirkung zwischen Psyche und Materie (vgl. das Leib-Seele-Problem in der Philosophie). Der Begriff hat nichts mit der Psychophysik zu tun, welche sich auf die Physik der menschlichen Wahrnehmung bezieht. Beim psychophysischen Problem hingegen geht es um vermutete Zusammenhänge zwischen dem erkenntnistheoretischen Hintergrund der Physik, vor allem der Quantenphysik, und der Tiefenpsychologie, insbesondere des von C. G. Jung postulierten kollektiven Unbewussten. Wolfgang Pauli und C.G. Jung vermuteten eine monistische Metaebene hinter oder jenseits der beiden, die Jung den unus mundus, Pauli die psychophysische Einheitswirklichkeit nannte.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung seit dem 17. Jahrhundert

Bis zur Begründung der modernen Wissenschaft im 17. Jahrhundert (Johannes Kepler, Isaac Newton) wurde der Zusammenhang zwischen der (kollektiven) Psyche und der Materie durch die sogenannte Weltseele (anima mundi) erklärt. Sie bildete das vinculum amoris, das Band der Liebe, das die Innenwelt mit der Außenwelt verband. Sie gab einerseits den (außen wahrnehmbaren) Himmelskörpern eine (innere) Seele, andererseits verband sie die Psyche (das Innen) des mittelalterlichen Menschen mit der Natur (dem Außen).

Die Physik hat dazu beigetragen, dieses Band zu zerreißen. Die Weltseele, die den Planeten als anima movens (bewegende Seele) die Fähigkeit der Bewegung gab, wurde durch die Bewegungsgesetze (vorerst der Planeten durch Kepler, später durch die allgemeinen Bewegungsgesetze Newtons) abgelöst, die anima mundi als metaphysisches Erklärungsprinzip unnötig und daher nach und nach verdrängt. Eine ganz schwerwiegende aber bis heute unbewusst gebliebene Folge dieser Ersetzung besteht darin, dass derart die gefühlsmäßige Beziehung zur Natur durch eine intellektuelle abgelöst wurde. Der Wissenschaftler wandelte sich vom emotional beteiligten Teilhaber an der Natur zum "losgelösten Beobachter" (Wolfgang Pauli).

Der "geistige Nebelflecken" der psychophysischen Parallelität

Da das vinculum amoris zwischen innen und außen, zwischen Psyche und Materie, nun nicht mehr definiert war, entstand das sogenannte psychophysische Problem: Es gab keine Erklärung mehr für die Beziehung der beiden. Spinoza und Leibniz kamen dann auf die Idee, diese Beziehung als weiter nicht erklärbare Parallelität zu definieren. Seither geistert diese psychophysische Parallelität als "geistiger Nebelflecken" [Wolfgang Pauli, Wissenschaftl. Briefwechsel, 4/I, S. 634] durch die Wissenschaftsgeschichte und -theorie.

Wolfgang Paulis und C. G. Jungs Diskussion des psychophysischen Problems

Der Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli beschäftigte sich, vor allem in seinem Dialog mit dem Tiefenpsychologen C. G. Jung, äußerst intensiv mit dem psychophysischen Problem und einer möglichen Lösung desselben. Ein von Pauli ausgelöster psychokinetischer Pauli-Effekt und eine Synchronizität bei der Gründung des C.G. Jung Instituts in Zürich im Jahr 1948 zeigte ihm, dass er mit dem Tiefenpsychologen zusammen das psychophysische Problem erforschen muss.

Er selbst glaubte den Beginn einer derartigen Forschung in der Definition der sogenannten psychophysischen Einheitswirklichkeit gefunden zu haben. Diese entspricht dem von C. G. Jung wieder eingeführten alchemistischen Begriff des unus mundus (der Einen Welt). Diese psychophysische Einheitswirklichkeit stellt gemäß Pauli "eine unsichtbare, potentielle, nur indirekt durch ihre Wirkungen erschließbare Realität" dar, die durch eine noch zu findende "psychophysische Einheitssprache" oder "neutrale Sprache" beschrieben werden soll. Weiter soll gemäß dem Physiker und Nobelpreisträger der zentrale Erklärungsmodus dieser psychophysischen Einheitswirklichkeit im "Begriff ‚Inkarnation’, als naturwissenschaftliche Arbeitshypothese" liegen [alle Zitate in W. Pauli, Wissenschaftl. Briefwechsel, Bd 4/I, 1996, S. 631].

In den frühen fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts führte Wolfgang Pauli ausgedehnte Diskussionen mit C. G. Jung über eine derartige mögliche Inkarnation in der nahen Zukunft, die letzterer voraus ahnte. Auf dem Hintergrund dieser Ahnung publizierte der Tiefenpsychologe im Jahr 1958 sein UFO-Buch Ein moderner Mythus - Von Dingen, die am Himmel gesehen werden.

Literatur

  • Carl Gustav Jung: Ein moderner Mythus : von Dingen, die am Himmel gesehen werden. - Zürich : Rascher, 1958
  • Carl A. Meier (Hrsg.): Wolfgang Pauli und C. G. Jung : ein Briefwechsel 1932-1958. - Berlin : Springer, 1992. - ISBN 3-540-546-63-4S
    • Die Meier'sche Editierung enthält viele, teilweise schwerwiegende und sinnentstellende Fehler, die auch in die englische Ausgabe übernommen worden sind. Beispielsweise heißt es p. 30: "...dass für das Walten u. Eingreifen einer neuen Art von Naturgesetzlichkeit kein Platz bleibt." Im handschriftlichen Original heißt es hingegen "...dass für das Walten u. Eingreifen einer neuen Art von Naturgesetzlichkeit ein Platz bleibt." Meier kehrt hier im Zusammenhang mit theoretisch möglichen singulären akausalen Schöpfungsakten in der Natur -- die der Nobelpreisträger gegen das Ende seines Lebens befürwortet und so den Darwinismus auf eine neue Art mit Lamarck verbinden möchte -- den Sinn von Paulis Idee in ihr exaktes Gegenteil um.
  • Wolfgang Pauli: Wissenschaftlicher Briefwechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg u.a.. - Berlin : Springer,

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