- I Ging
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Das I Ging bzw. Yì Jīng (chinesisch 易經 / 易经, „Buch der Wandlungen“ oder „Klassiker der Wandlungen“) ist eine Sammlung von Strichzeichnungen und zugeordneten Sprüchen. Es ist der älteste der klassischen chinesischen Texte.
Inhaltsverzeichnis
Name und Aufbau der Sammlung
Yì Jīng ist die Schreibweise in amtlicher chinesischer Pinyin; alternative Schreibweisen: I Jing, Yi Ching, Yi King, Yijing. I Ging ist die durch die Übersetzung von Richard Wilhelm etablierte Schreibweise in nicht-fachlichen deutschsprachigen Texten.
Die älteste Schicht des Buches heißt Zhōu Yì (周易, W.-G. Chou I), "das Yì (Wandel) der Zhōu(-Dynastie)". Das Zhōu Yì besteht aus 64 Gruppen von je sechs durchgehenden oder unterbrochenen Linien (yáo, 爻). Die Gruppen werden auch Hexagramme genannt. In der konventionellen Anordnung ist das Zhōu Yì in zwei Bücher eingeteilt, deren erstes die ersten dreißig Hexagramme enthält und das zweite die Zeichen 31 bis 64. Jedes Hexagramm wird nach einem einheitlichen Schema dargestellt: Einer Abbildung (guà xiàng 卦象), dem Namen (guà míng 卦名), einem Spruch samt kurzer Erklärung (guà cí 卦辭) sowie einer Erklärung jedes einzelnen Strichs (yáo cí 爻辭).
Zusätzlich enthält das Buch seit dem 2. Jhd. v. Chr. eine Reihe von angehängten Texten, die die Zehn Flügel (Shí Yì, 十翼) oder auch "Kommentar zum Yì" (Yì Zhùan, 易傳) heißen und aus zehn Dokumenten in sieben Abteilungen bestehen. Sie werden traditionell Konfuzius zugeschrieben. In manchen späteren Ausgaben sind die ersten beiden Kommentare aufgeteilt und direkt den einzelnen Zeichen zugeordnet worden.
Ursprünglich stammen die Zeichen aus der chinesischen Orakel-Praxis, näherhin dem Schafgarbenorakel, die Sprüche hingegen aus der Spruchtradition und der Ritualpraxis.[1] In der gelehrten Rezeption seit dem 4. Jhd. v. Chr. existierten zwei Deutungstraditionen: Die erste betrachtete das Werk als ein Handbuch der Divination (z. B. Liu Mu und Shao Yong). Die andere bemühte sich um eine philosophische Deutung (z. B. Zheng Xuan, Wang Bi, Han Kangbo) und betrachtete das Buch als Quelle kosmologischer, philosophischer und politischer Einsichten zum Gegenstand eindringlicher philosophischer Kommentierung.[2] Die volkstümliche Benutzung des Zhōu Yì als Orakelbuch kam aber nie außer Gebrauch und das Verständnis des Textes als "Weisheitsbuch" prägte auch die europäische Rezeption.
Geschichte und Überlieferung
Entstehungsgeschichte
Die Tradition nimmt an, die Prinzipien des I Ging seien auf den "Berufenen" (sheng ren, 圣人), d. i. die Ahnengottheit, aus dem Klan Fu Xi bzw. den legendären ersten Kaiser Fu Xi (伏羲 Fú Xī, ca. 3. Jahrtausend v. Chr.), zurückzuführen; dieser habe die acht Grundzeichen entdeckt. König Wen (Zhōu Wén wáng, 周文王, 11. Jhd. v. Chr.) und sein Sohn Zhou (Zhōu Gōngdàn; 周公旦) sollen die zwischenzeitlich auf 64 angewachsene Zahl der Zeichen mit Handlungsanweisungen versehen haben.[3]
Vor der Zhou-Dynastie soll es neben dem Zhou Yi noch andere schriftliche Überlieferungen der Hexagramme gegeben haben, das Lian Shan Yi (連山易 Lián Shān Yì) und das Gui Cang Yi (歸藏易 Gūi Cáng Yì), die aber verlorengegangen sind.
Seit der Entdeckung der Orakelknochen der Shang-Zeit (2. Jahrtausend v. Chr.) geht die Forschung davon aus, dass das I Ging aus dieser Orakelpraxis hervorgegangen ist. Diese Umwertung fand in China schon in den letzten Jahren der Qing-Zeit (Ende 19. Jhd.) statt, wurde in Europa aber erst seit ca. 1980 wahrgenommen.[4]
Der heute vorliegende Textredaktion des I Ging ist im siebten Jahrhundert n. Chr. erstellt und unter dem Titel Zhouyi zhengyi (周易正義, Zhōuyì zhèngyì) publiziert worden; diese Ausgabe war jahrhundertelang der maßgebliche Text.[5]
Textus receptus und ältere Überlieferungen
Für etwa 10 Prozent des Standardtextes sind bereits Zeugnisse seit dem 2. Jhd. v. Chr. erhalten, u. a. die epigraphische Überlieferung auf Steinstelen (siehe Liste der Steinklassiker).
1973 wurde in einem Grab in der Ausgrabungsstätte Mawangdui bei Changshain der Provinz Hunan ein Seidentext (ca. 2. Jhd. v. Chr.) mit einer von dem Standardtext abweichenden Fassung des I Ging entdeckt, und ist seit der ersten Publikation im Jahr 1993 unter dem Namen Mawangdui Seidentexte (馬王堆帛書 Mǎ wáng duī Bó shū) bekannt. Nach Edward Shaughnessy unterscheiden sich ungefähr 12 Prozent (560 Zeichen) des gesamten Textes des Mawangdui I Ging von der überlieferten Form des Textes.[6]
1977 wurde bei einer Ausgrabung in Shuanggudui (雙古堆) bei Fuyang (富陽市) in der Provinz Anhui Bambusstreifen entdeckt, die Fragmente des Zhōu Yì enthalten (2. Jhd. v. Chr.).[7] Seither sind durch weitere archäologische Funde noch weitere ältere oder Parallel-Versionen des Zhōu Yì aufgetaucht (die Bambustexte von Chu und die Guodian-Bambustexte).
Die 64 Hexagramme
Bestandteile und deren Bedeutung
Das I Ging enthält 64 verschiedene Figuren (Hexagrammen). Ein Hexagramm besteht aus sechs Linien, die jeweils in zwei verschiedenen Arten vorkommen können: Als durchgezogene waagerechte Linie (hart) und als in der Mitte unterbrochene waagerechte Linie (weich). Aus diesen beiden Linienarten werden alle 64 Hexagramme gebildet.
Die Zeichen werden aus 2 × 3 Linien, also aus zwei „Trigrammen“ hergeleitet. Die durchgehenden Linien gelten als die festen und lichten, die unterbrochenen Linien gelten als die weichen und dunklen. Die Linien haben nach ihrem Platz innerhalb des Hexagramms (von unten nach oben gesehen) unterschiedlichen Rang und Bedeutung. Die betonten Linien des unteren Halbzeichens treten in das Zeichen ein, sind „kommend“, die betonten Linien im oberen Halbzeichen sind „gehend“. Die unterste und die oberste Linie eines Zeichens stehen immer in Verbindung zu anderen Zeichen und gehören nicht zu den Kernzeichen.
Die 64 Bilder oder Grundzeichen (identisch mit dem Ausdruck Hexagramm) beschreiben Kräfte (1 + 2), Situationen oder Aufgaben (3 + 5 + 6 + 10 …), Familie (31 + 37 + 54), persönliche Eigenschaften oder Fähigkeiten (4 + 8 + 9 + 14…), konkrete Tätigkeiten (Wanderer, 56), politische Phasen (11 + 12 + 18 + 21…) – meist enthalten sie abstrakte Begriffe mit mehreren Deutungsmöglichkeiten.
Alle 64 Bilder können jeweils 6 Zusatzhinweise haben je nachdem, ob bei der Ermittlung des Zeichens (je nach der Form des Orakels) eine Linie als wandelnd („dynamisch“) oder nicht („stabil“) identifiziert wurde. Die 64 Bilder beschreiben also schon 384 Situationen oder geben entsprechende Verhaltensratschläge. Da jedes der 64 Zeichen durch Wandel einer oder mehrerer Linien in alle anderen übergehen kann, gibt es 64 × 64 = 4.096 verschiedene implizite Übergänge oder Möglichkeiten des Umschlagens einer Situation. Diese große Anzahl von verschiedenen möglichen Kombinationen veranlasste die Autoren des I Ging anzunehmen, die möglichen Kombinationen von Symbolen könnten alle Möglichkeiten der Veränderungen und Wandlungen in der Welt darstellen. Die beim Erheben der Zahlenwerte notwendigen umfangreichen Rechenoperationen wurden daher Grundlage einer sich auf dem I Ging aufbauenden Zahlensymbolik.
Die zwei Linien
Historisch ist das I Ging viel älter als die Yin-Yang-Lehre (陰陽 / 阴阳 Yīn Yáng), folgende Zuordnungen für die zwei „Linien“ (兩儀 Liǎng Yí) sind jedoch mit der Zeit üblich geworden:
- Die durchgezogene Linie steht für das yáng (陽): Ausdehnung, maskuliner Aspekt, Licht, Leben, ungerade Zahlen, Durchdringung, Berge; in Indien der Lingam. Symbol ist der Drache.
- Die unterbrochene Linie steht für das yīn (陰): Zusammenziehung, femininer Aspekt, Dunkelheit, Nacht, Tod, gerade Zahlen, Widerstand, Wasserläufe; in Indien die Yoni. Symbol ist der Tiger.
Unterschiedliche Sichtweisen (I)
0 1 00 01 10 11 000 001 010 011 100 101 110 111 Die beiden Linien können als Elemente eines Dualsystems gesehen werden. Bei der (in der unteren Zeile gezeigten) Repräsentierung der Symbole in Unicode entspricht allerdings der durchgezogenen Linie die Binärzahl 0 und der unterbrochenen Linie die Binärzahl 1, komplementär zur eben erwähnten Zuordnung zur Parität.
Die duale Entwicklung der Symbole vom Taiji zu den Trigrammen
Jedes Symbol wird von der untersten Linie nach oben aufgebaut
Alle hier gezeigten Symbole sind im Unicode-Block Verschiedene Symbole enthaltenDie vier Bilder
Aus den zwei Linien lassen sich vier verschiedene „Bilder“ („Die vier Xià“, 四像 Sì Xiàng) zusammensetzen. Luft (bzw. Himmel) und Erde sind oben (altes Yang) und unten (altes Yin). Feuer und Wasser befinden sich dazwischen. Feuer hat das Bestreben nach oben zu lodern, deshalb wird es „junges Yang“ genannt. Wasser fließt dagegen nach unten und wird als „junges Yin“ bezeichnet. Die Wandlung erfolgt in einem ewigen Kreislauf: Vom alten Yang (oben) zum jungen Yin (nach unten), zum alten Yin (unten), zum jungen Yang (nach oben), wieder zum alten Yang (oben) und so weiter: → → → → →:/:
Luft altes Yang (太陽 tài yáng) Feuer junges Yang (少陽 shǎo yáng) siehe „Unterschiedliche Sichtweisen“ Wasser junges Yin (少陰 shǎo yīn) -"- Erde altes Yin (太陰 tài yīn) Unterschiedliche Sichtweisen (II):
Bild R. Wilhelm M. Granet Unicode Zhu Xi junges Yang kleines Yin lesser yin 少陰 junges Yin kleines Yang lesser yang 少陽 Während die Digramme aus zweimal dem gleichen Strich, die als alt, gereift, groß, hart, stark, stabil bezeichnet werden, eindeutig dem Yang bzw. Yin zugeordnet sind, bieten die Quellen keine einheitlichen Bezeichnungen für die beiden Digramme aus zwei verschiedenen Strichen. Im Gegensatz zu den hier zitierten Ansichten aus dem Buch I Ging (Seite 295) von Richard Wilhelm werden sowohl von Unicode, als auch in den Büchern Das chinesische Denken (Seite 141) von Marcel Granet und Zhouyi zhengyi (周易正義 Zhōuyì zhèngyì) von Zhu Xi (朱熹 Zhū Xī) die Bezeichnungen konträr zugeordnet. Ebenso sind die Symbolzuordnungen für Feuer und Wasser getauscht.
Die acht Trigramme
→ Hauptartikel: Acht Trigramme
Durch Hinzufügen jeweils eines Yáng oder Yīn entstehen aus den vier Xiàng acht Trigramme oder „Orakelzeichen“ (八卦 Bā Guà). Diese geben allerdings nur ein statisches Bild. Erst die Erweiterung zu den 64 Hexagrammen erlaubt es, ein dynamisches Geschehen darzustellen, da hier die Trigramme in Wechselwirkung zueinander stehen. Die Hexagramme werden also jeweils aus zwei Trigrammen zusammengesetzt aufgefasst. Die acht Trigramme sind:
Das erste oder untere Trigramm eines Hexagramms wird als der innere Aspekt der ablaufenden Veränderung angesehen; das zweite oder obere Trigramm heißt der äußere Aspekt.
Der beschriebene Wechsel verbindet somit den inneren Aspekt (Person) mit der äußeren Situation.
Jedem Trigramm ist, entsprechend den männlichen (durchgezogenen) bzw. weiblichen (unterbrochenen) Linien, eine Position in der Familie zugeordnet. Der Strich, der nur einmal im Trigramm enthalten ist, ist maßgeblich für die Geschlechtszuordnung, die Zuordnung zum Alter erfolgt von unten nach oben. Himmel (Vater) und Erde (Mutter) haben eine Sonderstellung.
Gelesen werden die Hexagramme von unten nach oben, wobei jeweils die sog. Ränge 1–4, 2–5, 3–6 der beiden Trigramme in Verbindung gesehen werden müssen.
Historische Reihenfolgen
Historisch sind mehrere Reihenfolgen der Zeichen aufgetreten. Die älteste Reihenfolge ist die "König Wen-" oder die "konventionelle" Reihenfolge, die auf König Wen zurückgeführt wird. Eine andere Reihenfolge wird nach dem mythischen Helden Fu Xi (伏羲, Fú Xī) benannt, geht aber auf Shao Yong (aus der Zeit der Song-Dynastie) zurück; sie ist so geordnet, dass sich die Zeichen als eine Folge binärer Zahlen ansehen lassen.
Eine dritte Anordnung ist die des Mawangdui-Textes: Es fehlt die Paarbildung zwischen zwei aufeinanderfolgenden Hexagrammen, außerdem ist die Reihenfolge der Hexagramme völlig anders. Sie sind im Mawangdui I-Ging systematisch geordnet:
In den Hexagrammen jeder Gruppe sind alle acht Trigramme vertreten. Jeweils ein Hexagramm, das aus zwei gleichen Trigrammen besteht – ein sogenanntes Doppelzeichen – führt eine Achtergruppe von Hexagrammen an, wobei das obere Trigramm innerhalb einer Gruppe das gleiche bleibt und das untere Trigramm nach einer bestimmten Abfolge wechselt. Die Abfolge der unteren Trigramme bleibt in allen acht Gruppen bestehen, ist aber von jener der oberen Trigramme verschieden:
1.Gruppe: 2.Gruppe: 3.Gruppe: 4.Gruppe: 5.Gruppe: 6.Gruppe: 7.Gruppe: 8.Gruppe: - Reihenfolge der oberen Trigramme (die Anführer der 8 Hexagramm-Gruppen):
-
- Himmel, Berg, Wasser, Donner, Erde, See, Feuer, Wind
- Reihenfolge der unteren Trigramme (zyklisch versetzter Beginn):
-
- Himmel, Erde, Berg, See, Wasser, Feuer, Donner, Wind,:/:
Das ergibt als Abfolge:
- Gruppe: 1. Himmel/Himmel, 2. Erde/Himmel, 3. Berg/Himmel, usw.;
- Gruppe: 9. Berg/Berg; 10. Himmel/Berg, und so fort.
Darstellung der Hexagramme am Computer
Die 64 Hexagramme sind bereits im Unicode-Zeichensatz enthalten, müssen auf unicodefähigen Betriebssystemen (dies sind praktisch alle nach 2000 erschienen Betriebssysteme) also nicht gezeichnet, sondern können wie normaler Text eingegeben werden. Die Hexagramme besitzen die hexadezimalen Zeichennummern (code points) 4DC0 bis 4DFF.[8]
Kommentare zum I Ging
Im 2. Jhd. v. Chr. wurde das I Ging von den Han-Kaisern in den literarischen Kanon aufgenommen und damit Bestandteil des Prüfungssystems für den Staatsdienst.[9] So wurde der Text zum Gegenstand einer verzweigten Kommentartradition, die sich in verschiedene Zweige spaltet.[10]
Es sind über sechzig Kommentare zum I Ging bekannt, wenn auch nicht in allen Fällen überliefert.[11] Autoren solcher Kommentare waren u. a. Zheng Xuan (鄭玄, 127–200), Wang Bi (王弼, 226-249), Han Kangbo (韓康伯, 322-380), Kong Yingda (孔穎達, 574-648), Li Dingzuo (李鼎祚, Zhouyi jijie 周易集解), Chén Tuán (陈抟, ?-989), Shi Jie (石介, 1005-1045), Liu Mu (劉牧, 1011-1064), Shao Yong (邵雍, 1011–1077), Hu Yuan (胡瑗, 993-1059), Ouyang Xiu (歐陽修, 1007-1072), Zhang Zai (張載, 1020-1077), Wang Anshi (王安石, 1021-1086), Sima Guang (司馬光, 1019-1086), Su Shi (蘇軾, 1037-1101), Cheng Yi (程頤, 1033–1107), Lü Dalin (呂大臨, 1044-1091) und Zhu Xi (朱熹, 1130-1200, maßgeblicher Kommentar bis zum Jahr 1905).
Das I Ging hatte sowohl in der (neo-)konfuzianischen wie in der daositischen Tradition eine bedeutende Stellung. Im heutigen China wird der Text dagegen kaum mehr in breiteren Kreisen gelesen und gilt als weithin unverständlich.[12]
Rezeption im Westen
Schon seit dem 17. Jahrhundert war das I Ging in Europa durch die Teilübersetzung von Richard Couplet SJ (Confucius Sinarum philosophus, 1687) bekannt,[13] u. a. Leibniz schätzte es sehr: Er glaubte seine Erfindung des binären Zahlensystems in dem Text vorweggenommen zu sehen und schloss darauf (fälschlich) auf eine hochentwickelte altchinesische Mathematik.[14] Die erste vollständige lateinische Übersetzung stammt von Jean-Baptiste Régis SJ und erschien 1834-1839. Das Verdienst, das I Ging einer breiteren Rezeption zugeführt zu haben, kommt aber vor allem dem deutschen Sinologen Richard Wilhelm zu, dessen einflussreiche Übersetzung er nach eigenen Angaben mit Hilfe und unter Anleitung „eines der letzten chinesischen Meister alter Schule“ 1924 vollendete. Nicht zuletzt durch Wilhelms Übersetzung, die ihrerseits in andere Sprachen, u. a. ins Englische, übertragen wurde, wurde das I Ging zum bekanntesten aller chinesischen Bücher, das in Millionen von Exemplaren Verbreitung fand.
Für die westliche Rezeption außerhalb der Sinologie ist bis in die neueste Zeit charakteristisch, dass sie nicht an die jahrhundertelange chinesische Kommentartradition anschließt, sondern unmittelbare Zugänge zum Text sucht, die oft auf von den modernen Verfassern unterstellte Eigenarten des altchinesischen Denkens rekurrieren.[15] Z. B. ist nach Hellmut Wilhelms Deutung die im I Ging beschriebene Welt ein nach bestimmten Gesetzen ablaufendes Ganzes, dessen Formen aus der permanenten Wandlung der beiden polaren Urkräfte entstehen. Die Grundprinzipien sind das Schöpferische (Bild Nr. 1, = Himmel, Licht, Festes, yang, …) und das Empfangende (Bild Nr. 2, = Erde, Dunkel, Weiches, yin, …). Im I Ging ist „eine Zusammenordnung der Situationen des Lebens in all seinen Schichten, persönlichen sowohl wie kollektiven, und in all seiner Ausbreitung versucht.“.[16]
Nachweise
- ↑ Schilling (2009), S. 374.
- ↑ Schilling (2009), S. 254. Siehe auch Bohn (1998); Hon (2005).
- ↑ Schilling (2009), S. 285.
- ↑ Vgl. Bent Nielsen: A companion to Yijing Numerology and Cosmology: Chinese Studies of Images and Numbers from Han to Song. Routledge, London 2003, S. XVI.
- ↑ Schilling (2009), S. 365.
- ↑ Edward L. Shaughnessy: I Ching. The Classic of Changes translated with an introduction and commentary. The first English translation of the newly discovered second century BC Mawangdui texts. Ballantyne Books, New York 1997. Vgl. Richard Rutt: Opening a New Field for Dragons. Edward L. Shaughnessy’s Mawangdui Yijing – a Review Article. In: The Oracle. Journal of Yijing Studies 2 (1999), S. 38–47 (online).
- ↑ Edward L. Shaughnessy: The Fuyang Zhou Yi and the Making of a Divination Manual. In: Asia Major, Third Series, vol. 14, part 2 (2001), S. 7-18 (pdf).
- ↑ The Unicode Standard 6.0, Range 4DC0–4DFF: Yijing Hexagram Symbols (pdf).
- ↑ Schilling (2009), S. 255.
- ↑ Bohn (1998); Hon (2005).
- ↑ Song shi, juan 202, 5035-5040. Vgl. Hon 2005, S. 5.
- ↑ Bohn (1998), S. 1.
- ↑ Richard J. Smith Jesuit Interpretations of the Yijing in Historical and Coparative Perspective. In: International Journal of the Humanities 1 (2003), S. 776-801(pdf).
- ↑ David E. Mungello: How Central to Leibniz’s Philosophy was China? In: Das Neueste über China. G. W. Leibnizens Novissima Sinica von 1697. Hrsg. von Wenchao Li und Hans Poser. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 1999 (= Studia Leibnitiana Supplementa; 33.) S. 57-67, hier: S. 59f.
- ↑ Siehe Bohn (1998), Einleitung.
- ↑ Wilhelm, Hellmut (1955): Sinn des I Ging. München. Hier S. 7.
Übersetzungen
- Richard Wilhelm: I Ging. Das Buch der Wandlungen. Eugen Diederichs Verlag, Jena 1924; neu hrsg. von Ulf Diederichs, Deutscher Taschenbuchverlag, München 2005. ISBN 3-424-00061-2 (die erste Übersetzung ins Deutsche, von weltweitem Einfluss auf die Rezeption)
- Dennis R. Schilling: Yijing. Das Buch der Wandlungen. Verl. der Weltreligionen, Frankfurt am Main 2009. (Neuübersetzung auf dem aktuellen Stand der Forschung, mit umfangreichem Kommentar)
Literatur
- Hermann G. Bohn: Die Rezeption des Zhouyi in der chinesischen Philosophie, von den Anfängen bis zur Song-Dynastie. München 1998, ISBN 3-89675-282-0.
- Dominique Hertzer: Das Mawangdui-Yijing. Text und Deutung. Diederichs, München 1996, ISBN 3-424-01307-2.
- Tze-Ki Hon: The Yijing and Chinese Politics. Classical Commentary and Literati Activism in the Northern Song Period, 960-1127. State University of New York Press, Albany, NY., 2005.
- Richard A. Kunst: The Original Yijing: A Text, Phonetic Transcription, Translation, and Indexes, with Sample Glosses. (Diss.) UCB, Berkeley, CA. 1985.
- Hellmut Wilhelm: Die Wandlung. Acht Essays zum I Ging. 1. Auflage. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-518-37646-2.
- Fung Yu-lan: A History of Chinese Philosophy. Volume I. Princeton 1983 (zuerst 1934)
- Edward L. Shaughnessy: I ching (Chou I). In: Michael Loewe (Hrsg.): Early Chinese Texts: A Bibliographical Guide. Society for the Study of Early China, and the Institute of East Asian Studies, University of California, Berkeley 1993. (= Early China Special Monograph Series; 2.) S. 216-228.
- Iulian K. Shchutskii: Researches on the I Ching. Translation by William L. MacDonald Tsuyoshi Hasegawa, and Hellmut Wilhelm. Princeton Univ. Pr., Princeton, NJ, 1979.
Weblinks
Commons: I Ging – Die Hexagramme im SVG-FormatWikisource: Zhōu yì (trad., Unicode) – Quellen und Volltexte (Chinesisch)Wikiversity: I Ging Orakel – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher Austausch- Original-Text mit Legge-Übersetzung
- Vollständiger deutscher Text des I Ging in der Übersetzung von Richard Wilhelm (1924) mit Münz-Wurftabelle im Gutenberg-Projekt
- komplettes deutsches I Ging in Übersetzung von Richard Wilhelm und zusätzlichen Kommentaren
- Vorwort von Carl Gustav Jung für die englischsprachige Ausgabe des I Ging von Richard Wilhelm
- Der komplette Text der ersten Abteilung des Buches der Wandlungen mit dem Schlüssel zum Auffinden der Hexagramme
Siehe auch
Die Fünf KlassikerI Ging (Buch der Wandlungen, 易經 Yìjīng) | Buch der Lieder (詩經 Shījīng) | Buch der Urkunden (書經 Shūjīng) | Buch der Riten (禮記 Lǐjì) | Frühlings- und Herbstannalen (春秋 Chūnqiū)
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