Feinstrukturkonstante

Feinstrukturkonstante
Sommerfeld-Büste, München, LMU, Theresienstr. 37. Unter der Büste steht die Formel der Feinstrukturkonstante. (Zu damaligen Zeit wurden statt des heute üblichen MKS-Systems das cgs-System (ESU) angewendet; daher sieht die Definition der Feinstrukturkonstante etwas anders aus.)

Die Feinstrukturkonstante α ist eine dimensionslose physikalische Konstante, die die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung angibt. Sie wurde 1916 von Arnold Sommerfeld zur Beschreibung der Aufspaltung (Feinstruktur) von Spektrallinien im Spektrum des Wasserstoffatoms eingeführt, daher wird sie auch Sommerfeldkonstante oder Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante genannt.

Sie ist die elektromagnetische Kopplungskonstante. Das bedeutet, sie beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Austauschteilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung, ein Photon, an ein elektrisch geladenes Elementarteilchen, zum Beispiel ein Elektron, koppelt. Damit bestimmt die Feinstrukturkonstante die Rate für physikalische Prozesse wie die Lichtemission und die Stärke der abstoßenden oder anziehenden Kräfte zwischen elektrisch geladenen Teilchen.

Inhaltsverzeichnis

Wert

Ihr Wert beträgt nach derzeitiger Messgenauigkeit:[1]

\alpha\ =7{,}297\,352\,5698\,(24) \cdot 10^{-3} \ \ \approx \ \frac{1}{137{,}036} ,

wobei die eingeklammerten Ziffern die geschätzte Standardabweichung für den Mittelwert angeben, der den beiden letzten Ziffern vor der Klammer entspricht.

Die Feinstrukturkonstante hängt mit der Elementarladung e und dem Planckschen Wirkungsquantum h bzw. dem reduzierten Wirkungsquantum \hbar=\frac{h}{2 \pi} zusammen über die Lichtgeschwindigkeit c und die elektrische Feldkonstante ε0 nach

\alpha\ =\ \frac{1}{2 c\, \varepsilon_0}\;\frac{e^2}{h}
                =\ \frac{1}{4 \pi\, c\, \varepsilon_0}\;\frac{e^2}{\hbar\,} .

Vergleich der Grundkräfte der Physik

Direkt kann die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung nur mit der Gravitation verglichen werden, da beide Kräfte dem gleichen Abstandsgesetz gehorchen: die Stärke der Kraft nimmt mit dem Quadrat des Abstandes ab.[2]

Drückt man die durch die Gravitationskonstante angegebene Stärke der Gravitation zwischen zwei Protonen, also schwereren Elementarteilchen (im Vergleich z. B. zu Elektronen), in einer wie die Feinstrukturkonstante dimensionslosen Zahl aus, so erhält man einen Wert von

\alpha_G\ =\  \frac{G\,m_p^2}{\hbar\,c}\ \approx\ 5{,}9\;\cdot\;10^{-39}.

Vergleicht man diesen Wert mit der Feinstrukturkonstanten, die die Stärke der elektrischen Abstoßung zwischen beiden angibt, sieht man, dass die elektromagnetische Wechselwirkung in etwa um den Faktor 1036 stärker ist als die Gravitation.

Die Starke Wechselwirkung hat eine ‚laufende Kopplungskonstante‘. Der Vergleichswert für die Kraft zwischen zwei Nukleonen im Atomkern ist

\alpha_s\ \cong\ 1.

Vergleicht man die Zerfallsraten aus starken und schwachen Zerfällen, so erhält man für die Schwache Kraft eine Kopplungskonstante von

\alpha_w\ =\ 10^{-7}\ -\ 10^{-6}.

Zeitliche Entwicklung

Die Antwort auf die Frage, ob die Feinstrukturkonstante zeitlich variiert oder seit dem Urknall unverändert ist, ist von beträchtlichem theoretischem Interesse. Bisherige Überlegungen und Messungen konnten bislang keine Veränderung signifikant nachweisen.

Experimente und Messungen hierzu werden auf ganz unterschiedlichen Zeitskalen durchgeführt[3][4]:

  • Laborexperimente, beispielsweise mit Atomuhren, können die relative zeitliche Veränderung von α auf höchstens 10-16/Jahr einschränken.[5][6]
  • Die Beobachtung von Absorptionslinien von Quasaren verbessert diese Genauigkeit um ein bis zwei Größenordnungen[7][8], wobei die Behandlung systematischer Fehler aber schwierig ist und bislang sowohl signifikant positive als auch Nullresultate publiziert wurden. Eine abschließende Auswertung aller Daten steht noch aus.
  • Die Betrachtung der primordialen Nukleosynthese dehnt das Nullresultat auf Zeiten unmittelbar nach dem Urknall aus, allerdings mit größerem Fehlerbalken.
  • Der Naturreaktor Oklo[9] und die Isotopenverteilung in Meteoriten wurden ebenfalls für Abschätzungen benutzt.

Energieabhängigkeit

In der Elementarteilchenphysik hängt die Feinstrukturkonstante auch noch von der Energie ab. So ist bei der Masse des Z-Bosons (91 GeV) die Feinstrukturkonstante \alpha \approx \frac{1}{128}. Die Wechselwirkung wird durch Elektron-Positron-Paare, die kurzzeitig aus dem Vakuum heraus existieren, abgeschirmt (siehe Vakuumfluktuation). Die Teilchen kommen sich bei höheren Energien näher und somit gibt es zwischen ihnen weniger Elektron-Positron-Paare, die die Wechselwirkung abschirmen. Bei allen herkömmlichen Anwendungen, z.B. in der Spektroskopie, betragen die Energien typischerweise nur einige eV, womit die Energieabhängigkeit verschwindend gering ist. [10]

Zitate

It has been a mystery ever since it was discovered more than fifty years ago, and all good theoretical physicists put this number up on their wall and worry about it.

„Seit sie vor über fünfzig Jahren entdeckt wurde, ist sie ein Mysterium, und alle guten theoretischen Physiker hängen sich diese Zahl an die Wand und zerbrechen sich den Kopf darüber.“

Richard P. Feynman [11]

Einzelnachweise und Belege

  1. CODATA Recommended Values. National Institute of Standards and Technology, abgerufen am 19. Juni 2011. Wert für α
  2. Rohlf, James William: Modern Physics from a to Z0, Wiley, 1994
  3. John D. Barrow: Varying Constants, Phil. Trans. Roy. Soc. Lond. A363 (2005) 2139–2153, online
  4. Jean-Philippe Uzan, The fundamental constants and their variation: observational status and theoretical motivations, Rev.Mod.Phys. 75 (2003) 403, online
  5. M. Fischer et al: New Limits to the Drift of Fundamental Constants from Laboratory Measurements, Phys. Rev. Lett. 92, 230802 (2004), online
  6. SG Karshenboim, E Peik, B Lipphardt, H Schnatz, T Schneider, Chr. Tamm, Limit on the Present Temporal Variation of the Fine Structure Constant, Phys. Rev. Lett. 93, 170801 (2004), online
  7. M.T. Murphy, J.K. Webb, V.V. Flambaum: Further Evidence for a Variable Fine-Structure Constant from Keck/HIRES QSO Absorption Spectra. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. 345, 2003. doi:10.1046/j.1365-8711.2003.06970.x. arXiv:1008.3907.
  8. R. Quast, D. Reimers, S. A. Levshakov, Probing the variability of the fine-structure constant with the VLT/UVES, Astron.Astrophys. 415 (2004) L7, online
  9. Yasunori Fujii: Oklo Constraint on the Time-Variability of the Fine-Structure Constant, to be published in Lecture Notes in Physics, online
  10. Christoph Berger: Elementarteilchenphysik, Von den Grundlagen zu den modernen Experimenten, Springer 2006, 2. Auflage, p.194
  11. QED – The strange theory of light and matter, Princeton University Press 1985, p. 129

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