- Südhessisches Wörterbuch
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Das Südhessische Wörterbuch ist ein wissenschaftliches Großraumwörterbuch der dialektalen und regionalsprachlichen Lexik des südhessischen Sprachraums mit alphabetischer Anordnung der Stichwörter und einem an der Schriftsprache orientierten Lemmaansatz. Es wurde bis September 2010 an der Universität Gießen erarbeitet und wendet sich vor allem an Sprachwissenschaftler, insbesondere Dialektologen, Volkskundler, Historiker und Vertreter anderer Disziplinen sowie an interessierte Laien. Räumlich umfasst das Arbeitsgebiet etwa 650 Orte in den beiden südlichen Provinzen des ehemaligen Großherzogtums Hessen, Starkenburg und Rheinhessen, sowie einige früher hessen-darmstädtische Exklaven. Das Wörterbuchmaterial ist überwiegend synchron orientiert, es repräsentiert den Mundartwortschatz aus dem Ende des 19. und den ersten Jahrzehnten des 20. Jhs. Einzelne, in Auswahl dargebotene historische Belege (aus Urkunden, Weistümern, Chroniken u.a.) ergänzen die Materialbasis.
Das Südhessische Wörterbuch bietet den gesamten Wortschatz der Basisdialekte und der städtischen Umgangssprachen des Arbeitsgebietes. Innerhalb der Basisdialekte spielen die Fachwortschätze der wichtigsten Gewerbezweige des Untersuchungsraumes, beispielsweise des Weinbaus, der Maurersprache, der Holz- und Steinhauerei sowie der Eichenschälwirtschaft, eine wichtige Rolle. Material aus der Namenüberlieferung (Personen-, Orts- und Flurnamen) wird nur sporadisch berücksichtigt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Im Jahre 1925 wurde von der Historischen Kommission für Hessen die Anregung gegeben, ein "Odenwälder Wörterbuch" zu schaffen. Es sollte innerhalb der deutschen Wörterbuchlandschaft die bestehende Lücke in Süddeutschland schließen und die beiden südlichen Provinzen des ehemaligen Großherzogtums Hessen, Starkenburg und Rheinhessen, erfassen.
Die vorbereitenden Arbeiten zur Sammlung des mundartlichen Wortschatzes übernahm Friedrich Maurer. Er begann, in Aufrufen und Vorträgen für das neue Unternehmen zu werben; er fand freiwillige Mitarbeiter, bes. im Kreis der Lehrerschaft in den ehemals hessen-darmstädtischen Provinzen. In den Jahren 1927 bis 1934 verschickte die Gießener Kanzlei monatlich einen Fragebogen, Wort- und Sachfragen jeweils im Wechsel. Die rund 100 Fragebogen umfassten auch Sondergebiete wie Weinbau, Wald- und Forstwirtschaft, Tabakanbau, Maurerhandwerk, Wagen und Pflug.
Unter Maurers Nachfolgern Friedrich Stroh (1931-1937) und Alfred Götze (1937-1945) lähmten die Weltwirtschaftskrise und der Zweiten Weltkrieg die Auswertung des gewonnenen umfangreichen Materials.
Eine dritte Epoche in der Geschichte des Südhessischen Wörterbuchs begann im Jahre 1948 mit der Übernahme der Sammlung durch Rudolf Mulch. Neben seiner Tätigkeit im Schuldienst widmete er sich der Ordnung des Materials und einer ergänzenden Materialerhebung in den Jahren 1956 bis 1964. 1965 begann er mit der Publikation beim Buchstaben A. 1972 erfolgte die Pensionierung von Rudolf Mulch, 1973 übernahm sein Sohn Roland Mulch die Leitung der Bearbeitung.
Die letzte Lieferung mit den Anhängen erschien 2010, die Arbeitsstelle wurde zum 30. September 2010 aufgelöst. Das gesammelte Material mit dem Zettelarchiv wurde dem Hessischen Staatsarchiv Darmstadt übergeben.
Quellen und Materialbasis
Zettelarchiv mit ca. 1,5 Millionen Wortbelegen, Stichwortverzeichnis. Bibliothek mit ca. 4000 Bänden.
Die Materialsammlung umfasst
- das wissenschaftliche Schrifttum über die betreffenden Mundarten
- die erreichbaren handschriftlichen Materialien (bis 1865 zurückreichend)
- freie Wortsammlungen von über 500 Mitarbeitern
- die Ergebnisse der ersten und zweiten Fragebogenaktion (nahezu 120 indirekte Fragebogen)
- die bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreichende Mundartdichtung
Die schriftlichen Bestände wurden bereichert durch Tonbandaufnahmen und überprüft bei Direktaufzeichnungen im Wörterbuchraum. Die Gewährsleute der Fragebogenerhebungen gehören meist der seit Generationen ortsansässigen landwirtschaftlichen bzw. handwerklichen Bevölkerung an. Die unter onomasiologischem Aspekt beschafften Materialien wurden in Laientranskription verzettelt, in hochsprachlicher bzw. "verneuhochdeutschter" Form lemmatisiert und streng alphabetisch in einen Zettelkatalog eingeordnet. Verweisstichwörter helfen beim Suchen von ausschließlich mundartlich belegten Wörtern.
Auch in der Publikationsphase verfügte die Gießener Wörterbuchkanzlei über einen eigenen Kontakt zu ständigen ehrenamtlichen Auskunftgebern (rund 270 Personen) im Bearbeitungsgebiet. Jährlich wurden zwei Umfragen verschickt. Diese beziehen sich auf Wörter und Redewendungen, die bei der Bearbeitung noch Unklarheiten zeigten. Der gute Kontakt zu den Mundartsprechern vor Ort führte dazu, dass in den letzten 30 Jahren 95 Prozent aller semantischen Problemfälle gelöst werden konnten.
Publikationsstand
- Publikationsbeginn: 1965
- Band 1 (A – D) 1968
- Band 2 (E – G) 1972
- Band 3 (H – Ksch) 1977
- Band 4 (Ku – R) 1985
- Band 5 (S) 1998
- Band 6 (T – Z, Anhänge) 2010
Literatur
- Vorwort und Arbeitsbericht des Südhessischen Wörterbuchs, I (1965ff.), p. Vff.
- R. Mulch: Südhessisches Wörterbuch. ZMF 32 (1965), S. 143–145
- R. Mulch: Das Südhessische Wörterbuch. in: Dialektlexikographie. Berichte über Stand und Methoden deutscher Dialektwörterbücher. Festgabe für Luise Berthold zum 85. Geburtstag. Hg. v. H. Friebertshäuser, ZDL. Beihefte N.F. 17, Wiesbaden 1976, S. 79–90
- R. Mulch: Die Anfänge des Südhessischen Wörterbuchs in den zwanziger Jahren. In: Symposion Ernst Christmann. Hg. v. W. Kleiber (Mainzer Studien zur Sprach- und Volksforschung, 11), Stuttgart 1987, S. 55–59
- R. Mulch: Probleme der Synonymie in einem großlandschaftlichen Mundartenwörterbuch. In: Bedeutungserfassung und Bedeutungsbeschreibung in historischen und dialektologischen Wörterbüchern. Beiträge zu einer Arbeitstagung der deutschsprachigen Wörterbücher, Projekte an Akademien und Universitäten vom 7. bis 9. März 1996 anlässlich des 150. Jubiläums der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Hrsg. v. R. Grosse. Stuttgart - Leipzig 1998 (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Phil. - Hist. Klasse, 75, Heft 1), S. 157–165.
Siehe auch
Weblinks
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