Thaumetopoea processionea

Thaumetopoea processionea
Eichenprozessionsspinner
Raupen des Eichenprozessionsspinners im Nest am Stamm einer Eiche

Raupen des Eichenprozessionsspinners im Nest am Stamm einer Eiche

Systematik
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Schmetterlinge (Lepidoptera)
Familie: Zahnspinner (Notodontidae)
Unterfamilie: Prozessionsspinner (Thaumetopoeinae)
Gattung: Thaumetopoea
Art: Eichenprozessionsspinner
Wissenschaftlicher Name
Thaumetopoea processionea
(Linnaeus, 1758)
Eichenprozessionsspinner:
a Raupe; b Puppe nebst Kokon;
c Schmetterling;
d Stück eines Gespinnstballens nach einer der letzten Häutungen

Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) ist ein Schmetterling (Nachtfalter) aus der Familie der Zahnspinner (Notodontidae).

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Die Falter erreichen eine Flügelspannweite von 25 bis 30 Millimetern. Sie haben graue Vorderflügel mit schwach ausgeprägten dunklen Querlinien und weißgraue Hinterflügel.

Flugzeit

Die Flugzeit ist von Mitte/Ende Juli bis Anfang September.

Lebensraum

Der Eichenprozessionsspinner ist in Süd- und Mitteleuropa verbreitet und bevorzugt sonnige Standorte, einzeln stehende Bäume und lichte Wälder.

Gehäuftes Auftreten wurde im deutschsprachigen Raum wiederholt beobachtet:

  • Von 1827 bis 1829 kam der Eichenprozessionsspinner im Westen Deutschlands vermehrt vor.
  • In Österreich wurde in den 1920er Jahren eine Massenvermehrung beobachtet.
  • Seit den 1990er Jahren ist Österreich wieder betroffen.
  • Seit 2003 breitet sich der Eichenprozessionsspinner von Westen (Niederlande und Belgien) kommend am linken Niederrhein mit etwa einer Geschwindigkeit von 20 bis 30 km pro Jahr aus.
  • In den Sommern 2005 und 2007 wird vor allem der Süden Deutschlands von einer starken Plage heimgesucht. Sehr stark betroffen ist vor allem das Bundesland Baden-Württemberg; die Folge dieser Bedrohung ist die Sperrung von Gebieten, in denen befallene Eichen anzutreffen sind. Daneben gibt es erstmals ein gehäuftes Auftreten in Franken, im südlichen Hessen, im Saarland, sowie im westlichen Teil von Nordrhein-Westfalen.

Lebensweise

Wie der Name sagt, finden sich die Raupen des Eichenprozessionsspinners hauptsächlich an Eichen, gelegentlich – insbesondere in starken Befallsjahren – aber auch an einigen anderen Baumarten, insbesondere an der Hainbuche. Die Eigelege der Eichenprozessionsspinner von 100 bis 200 Stück bestehen aus etwa einem Millimeter großen weißen Eiern. Sie werden an meist älteren Eichen im Kronenbereich an dünneren Zweigen und anderen glatten Rindenstellen in Form einer länglichen Platte abgelegt und durch Afterschuppen und Sekret getarnt. Der Embryo entwickelt sich noch im Herbst zur fertigen Jungraupe, die dann im Ei überwintert und Anfang Mai schlüpft. Die Raupen durchlaufen fünf bis sechs Entwicklungsstadien bis zur Verpuppung und werden bis zu fünf Zentimeter lang. Sie haben eine dunkle, breite Rückenlinie mit samtartig behaarten Feldern und rotbraunen, langbehaarten Warzen. Sie leben gesellig und gehen in Gruppen von 20 bis 30 Individuen im „Gänsemarsch“ auf Nahrungssuche, daher der Name „Prozessionsspinner“. Die älteren Raupen ziehen sich tagsüber und zur Häutung in Raupennester (Gespinste), die bis zu einem Meter lang werden können, am Stamm oder in Astgabelungen von Eichen zurück. Ab dem dritten Stadium entwickeln sich bei den Larven Gifthärchen (Setae) mit Widerhaken, die ein Nesselgift, das Thaumetopoein, enthalten.

Schädling

Die Raupen ernähren sich von den Blättern ihrer Wirtsbäume. Sie fressen die gesamte Gewebefläche der Blattspreite, und verschmähen lediglich die Mittelrippe und stärkere Seitenrippen des Blattes. Sie gelten als Schädlinge, da sie Lichtungs- oder Kahlfraß verursachen. Bei mehrjährigem starkem Auftreten kann der Baum direkt oder durch Folgeerscheinungen geschädigt werden. Natürliche Feinde des Eichenprozessionsspinners sind Wanzen, räuberische Käfer wie zum Beispiel der Puppenräuber, Raupenfliegen und Schlupfwespen.

Regulierung der Ausbreitung

Aus forstwirtschaftlichen Gründen sind Maßnahmen zur Regulierung der Eichenprozessionsspinner-Population nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist nur bis zum zweiten Raupenstadium vor Ausbildung der Brennhaare sinnvoll. In der Nähe von Siedlungen und Erholungseinrichtungen werden die Eichenprozessionsspinnerraupen aus gesundheitlich-hygienischen Gründen bekämpft. Dabei kommen verschiedene Techniken zum Einsatz. So konnte z. B. in Baden-Württemberg im Jahr 2005 eine Fläche von 118 ha vom Hubschrauber aus mit dem Bacillus thuringiensis var. kurstaki-Bakterien erfolgreich behandelt werden. Neben dem Abflammen der Nester des Eichenprozessionsspinners setzen sich zunehmend die Abkapselung mittels chemischer Bindemittel und das Absaugen durch. Die entfernten Nester werden entweder verbrannt oder über den Hausmüll entsorgt. Die Behandlung sollte am späten Abend stattfinden, wenn sich die Population ins Nest zurückgezogen hat.

Gesundheitsschutz

Brennhaar der Eichenprozessionsspinnerraupe
Raupendermatitis am Arm

Die sehr feinen Brennhaare der Raupe, welche ein Eiweißgift namens Thaumetopoein enthalten, können beim Menschen eine Raupendermatitis auslösen.

Gefährdungsursache

Die Brennhaare der Raupe brechen leicht und werden bei günstiger Witterung durch Luftströmungen über weite Strecken getragen. Da die alten Larvenhäute nach der Häutung in den „Nestern“ bleiben, besitzen diese ebenfalls eine hohe Konzentration an Brennhaaren. Alte Gespinstnester, ob am Baum haftend oder am Boden liegend, stellen eine anhaltende Gefahrenquelle dar. Da die Raupenhaare eine lange Haltbarkeit besitzen, reichern sie sich über mehrere Jahre in der Umgebung, besonders im Unterholz und im Bodenbewuchs (Gräser, Büsche, Sträucher) an.

Für den Menschen gefährlich sind die Haare (Setae) des 3. Larvenstadiums (Mai, Juni) des Eichenprozessionsspinners. Sie halten sich auch an den Kleidern und Schuhen und lösen bei Berührungen stets neue toxische Reaktionen aus. Die (fast unsichtbaren) Brennhaare dringen leicht in die Haut und Schleimhaut ein und setzen sich dort mit ihren Häkchen fest. Die Raupendermatitis kann sich in drei verschiedenen klinischen Erscheinungsbildern zeigen:

  • Kontakt-Urtikaria (Quaddeln)
  • toxische irritative (Reiz auslösende) Dermatitis (Hautentzündung)
  • anhaltende Papeln (Knötchen), die an Insektenstichreaktionen erinnern.

Die Hautreaktionen halten (unbehandelt) oft ein bis zwei Wochen an. Meist sind alle Hautbereiche betroffen, welche nicht bedeckt waren. Die Haut- und Schleimhauterscheinungen können mit Kortisonpräparaten behandelt werden. Gegen den Juckreiz helfen Antihistaminika.

Reizungen an Mund- und Nasenschleimhaut durch Einatmen der Haare können zu Bronchitis, schmerzhaftem Husten und Asthma führen. Hier wären Kortisonsprays und Sprays mit Bronchien-erweiternden Mitteln erforderlich. Selten ist eine stationäre Behandlung mit Kortison- oder Euphyllininfusion notwendig.

Begleitend treten Allgemeinsymptome wie Schwindel, Fieber, Müdigkeit und Bindehautentzündung auf. In Einzelfällen neigen überempfindliche Personen zu allergischen Schockreaktionen.

Vorsichtsmaßnahmen

  • Grundsätzlich die Befallsgebiete meiden
  • Hautbereiche (z. B. Nacken, Hals, Unterarme, Beine) schützen
  • Raupen und Gespinste nicht berühren
  • Sofortiger Kleiderwechsel und Duschbad mit Haarreinigung nach (möglichem) Kontakt mit Raupenhaaren
  • Auf Holzernte- oder Pflegemaßnahmen verzichten, solange Raupennester erkennbar sind
  • Bekämpfung wegen gesundheitlicher Belastung und spezieller Arbeitstechnik nur von Fachleuten durchführen lassen. Entlang von Autobahnen wurden die Raupen mit Hilfe von Hebebühnen und einer Art „Flammenwerfer“ – wie sie bei der Verlegung von Bitumen auf Flachdächern verwendet werden – durch Hitze getötet.

Weitere Abbildungen

Siehe auch

Quellen

Literatur

  • Günter Ebert (Hrsg.): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs Band 4, Nachtfalter II (Bombycidae, Endromidae, Lasiocampidae, Lemoniidae, Saturniidae, Sphingidae, Drepanidae, Notodontidae, Dilobidae, Lymantriidae, Ctenuchidae, Nolidae). Ulmer Verlag Stuttgart 1994, ISBN 3-8001-3474-8
  • H. Schröter, H. Delb, B. Metzler: Waldschutzsituation 2005/2006 in Baden Württemberg. in: AFZ, der Wald – allgemeine Forstzeitschrift für Waldwirtschaft und Umweltvorsorge. Dt. Landwirtschaftsverl., München 2006, 7, S. 338ff, ISSN 0936-1294

Weblinks


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