Thea Sternheim

Thea Sternheim

Thea Sternheim (* 25. November 1883 in Neuss; † 5. Juli 1971 in Basel, Schweiz; gebürtig Thea Bauer) war eine deutsche Autorin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Thea Bauer war die Tochter eines wohlhabenden Schraubenfabrikanten, der ihr bei seinem Tod 1906 ein Vermögen in Höhe von zwei Millionen Reichsmark hinterließ. Sie wurde katholisch erzogen und besuchte Mädchenpensionate, darunter eines in Brüssel. Bereits als Schülerin begann sie einen Briefwechsel mit Maurice Maeterlinck. Im November 1901 heiratete sie in London den zehn Jahre älteren Arthur Löwenstein, den Vater ihrer ersten Tochter. 1903 lernte sie Carl Sternheim kennen, der noch verheiratet war. Mit ihm hatte sie die 1905 geborene Tochter Mopsa (1905-1954), und den Sohn Klaus. 1906 verließ sie Arthur Löwenstein; die Ehe wurde 1906 geschieden, das Sorgerecht für beide Töchter erhielt Löwenstein, obwohl die zweite das Kind Sternheims war.

Noch während ihrer ersten Ehe begann sie Tagebuch zu führen, was sie bis 1971 fortführte. Thea Sternheim begann früh Bilder von Vincent van Gogh zu sammeln und konnte auch Bilder von Henri Matisse, Pierre-Auguste Renoir und Pablo Picasso erwerben.

1907 heiratete sie Carl Sternheim. 1908 bezog sie ein von ihr selbst entworfenes schlossähnliches Anwesen in Höllriegelskreuth. Von ihrem Mann entfremdete sie sich wegen dessen sexueller Untreue und der Verschwendung ihres Vermögens und entzog ihm dessen Verwaltung: „Ich muß mich daran gewöhnen mit Karl zusammenzuleben, ohne seine Frau zu sein. [...] Seit November verwalte ich mein Vermögen allein. [...] Hätte ich ihm nie unbedingtes Vertrauen geschenkt, wäre ich nie dem peinlichen Gefühl ausgesetzt gewesen, auf meine Kosten hintergangen zu werden.“[1] 1927 wurde sie von Carl Sternheim geschieden. Sie bezog vor Beginn des Ersten Weltkriegs in Belgien das Schloss La Hulpe, kehrte aber immer wieder für befristete Aufenthalte nach Deutschland zurück, vornehmlich nach München. 1919 ging sie in die Schweiz, von 1922 bis 1924 lebte sie im Waldhof bei Dresden, 1925 entwarf sie ein Palais, das in Uttwil am schweizerischen Bodenseeufer errichtet wurde. Sie schloss Freundschaften mit André Gide und Gottfried Benn und übersetzte Werke von André Maurois ins Deutsche.

Noch vor der Machtübergabe an die Nationalsozialisten emigrierte sie am 1. April 1932 nach Frankreich. Ihre Tagebücher zeigen, dass sie den Gang der politischen Ereignisse schon früh vorausgeahnt hatte; sie sah deutlich, worauf die Entwicklung in Deutschland hinauslaufen würde. In Frankreich wurde sie bei Kriegsausbruch 1939 kurzzeitig im Internierungslager Camp de Gurs interniert, konnte aber unter anderem in Gemeinschaft mit Alexandra Ramm-Pfemfert fliehen. In Deutschland wurde ihr Vermögen eingefroren, schließlich lebte sie in einer kleinen Wohnung in Paris. 1944 wurde ihr die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. Auch nach Kriegsende blieb sie in Frankreich. Dort pflegte sie eine Zeit lang den Kontakt mit der in den 1930er-Jahren nach Paris emigrierten Berliner Gesellschaftsfotografin Frieda Riess.

1946 starb ihr Sohn Klaus in Mexiko, Tochter Mopsa, die bis 1945 im KZ Ravensbrück inhaftiert war, starb 1954 an Krebs. Thea Sternheim erhielt für die Gefangenschaft ihrer Tochter im Konzentrationslager eine Wiedergutmachungszahlung.

1963 zog sie aus gesundheitlichen Gründen zu der ersten Tochter Agnes, die den Lorca-Übersetzer Enrique Beck geheiratet hatte und unter dem Künstlernamen Inés Leuwen-Beck als Sängerin und Musikdozentin tätig war, nach Basel (Schweiz). Dort starb Thea Sternheim 1971 im Alter von 87 Jahren.

Außer ihrem Tagebuch schrieb sie einen Roman Sackgassen. Postum wurde ihr Briefwechsel mit Gottfried Benn veröffentlicht, darin sind auch Auszüge aus den Tagebüchern Mopsas enthalten. Die Tagebücher I–V wurden von Thomas Ehrsam und Regula Wyss im Auftrag der Heinrich Enrique Beck-Stiftung ediert und erschienen 2002 im Wallstein Verlag Göttingen.

Schriften

  • Tagebücher 1903–1971. 5 Bände. Herausgegeben von Thomas Ehrsam und Regula Wyss. Wallstein, Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0748-3.
  • Thea Sternheims Tagebuch (1903–1971), Wallstein Verlag. Göttingen 2002. ISBN 3892443157
  • Gottfried Benn, Thea Sternheim: Briefwechsel und Aufzeichnungen. Mit Briefen und Tagebuchauszügen Mopsa Sternheims. Herausgegeben von Thomas Ehrsam. Wallstein, Göttingen 2004, ISBN 3-89244-714-4.
  • Sackgassen : Roman, Mit einem Nachw. von Regula Wyss. Hrsg. von Monika Melchert, Berlin : Trafo-Verl. 2005 ISBN 3-89626-498-2 ; zuerst Wiesbaden : Limes-Verl. 1952

Literatur

Radiofeature

  • Fritz J. Raddatz. Melancholie mit Kaviar. Thea Sternheim in ihren Tagebüchern. Feature am Sonntag. Sendung am 22. Februar 2004 in SWR 2. – Erneut gesendet am 11. Mai 2008 im Nachtstudio unter dem Titel: Reiches Leben und waches politisches Gewissen. Die Tagebücher der Thea Sternheim in Bayern 2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach Raddatz, S. 144

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