- Tilsiter Friede
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Der Frieden von Tilsit (französisch Traité de Tilsit; russisch Тильзитский мир) vom 7. und 9. Juli 1807 war ein Vertragswerk, welches den Vierten Koalitionskrieg (1806–1807) zwischen dem Königreich Preußen und dem Russischen Zarenreich einerseits und dem Kaiserreich Frankreich andererseits beendete. Der russisch-französische Friedensschluss teilte Osteuropa in eine französische und eine russische Interessensphäre; das preußisch-französische Abkommen stufte Preußen auf den Status einer europäischen Mittelmacht zurück.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Nach den verheerenden Niederlagen in den Schlachten von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 befanden sich die Reste der Preußischen Armee auf dem ungeordneten Rückzug. Die französischen Truppen unter Kaiser Napoleon I. konnten fast kampflos die meisten Festungen erobern und zogen am 27. Oktober 1806 in Berlin ein. König Friedrich Wilhelm III. war bereits nach Ostpreußen geflohen. Erst jenseits der Weichsel konnte das preußische Oberkommando die Lage mit Hilfe von Reserveformationen stabilisieren. Außerdem griff der russische Zar Alexander I., der sich seit 1805 mit Frankreich im Krieg befand, zugunsten Preußens in die Kämpfe ein. Nach weiteren Schlachten im Winter und Frühjahr 1807 erlitten die russischen Truppen am 14. Juni in der Schlacht bei Friedland eine schwere Niederlage. Zar Alexander I. nahm daraufhin Verhandlungen mit der französischen Seite auf, die zunächst am 23. Juni zu einem Waffenstillstand führten. Am 25. Juni begannen schließlich die Friedensverhandlungen in Tilsit zwischen Napoleon und Zar Alexander I. auf einem in der Mitte der Memel schwimmenden Pontonboot, das die Demarkationslinie zwischen der französischen und der russischen Einflusszone markierte.
Das Franko-Russische Abkommen
Der Zar akzeptierte den Rheinbund und das neu gegründete Herzogtum Warschau, das der König von Sachsen in Personalunion regieren sollte, als napoleonische Vasallen und trat der Kontinentalsperre bei. Napoleon ermunterte Alexander zu einer konfrontativen Politik gegenüber Großbritannien, worüber es (nach dem britischen Flottenangriff auf Kopenhagen) zum Britisch-Russischen Krieg (1807-1812) kam. Beide Mächte einigten sich auf eine Verkleinerung Preußens, das Napoleon gerne ganz hätte verschwinden lassen. Russland erhielt freie Hand für eine aggressive Expansionspolitik gegenüber Schweden und dem Osmanischen Reich. Darauf erzwang das Zarenreich im Russisch-Schwedischen Krieg (1808/1809) die Abtretung Finnlands und den Beitritt Schwedens zur Kontinentalsperre. Aus der Walachei und Moldawien zog sich Russland zunächst zurück, eroberte aber im Russisch-Türkischen Krieg (1806-1812) vom Osmanischen Reich bis 1810 große Teile des Kaukasus, (Georgien) und sicherte sich 1812 Bessarabien. Die Ionischen Inseln und Cattaro, die von den russischen Admiralen Uschakow und Senjawin besetzt waren, kamen an Frankreich. Im Gegenzug garantierte Napoleon die Souveränität des Herzogtums Oldenburg und einiger anderer Kleinfürstentümer, die von deutschen Verwandten des Zaren regiert wurden. Seit 1810 unterlief Russland das Vertragswerk, indem es neutralen Schiffen erlaubte, britische Waren in seinen Häfen zu löschen, womit gleichzeitig der Weg für den russisch-britischen Frieden von 1812 vorbereitet wurde. Die daraus entstandenen Spannungen mit Frankreich lösten 1812 Napoleons Russlandfeldzug aus.
Das Franko-Preußische Abkommen
War das franko-russische Abkommen vom 7. Juli noch ein Abkommen unter Gleichen, hatte der mit Preußen zwei Tage später geschlossene Vertrag den Charakter eines Diktatfriedens. Der Gebietsbestand Preußens und die Zahl seiner Untertanen wurde um nahezu die Hälfte reduziert und es musste der Kontinentalsperre beitreten.
Die westelbischen Territorien wurden dem neu gegründeten Königreich Westphalen einverleibt, an Sachsen fiel der Kreis Cottbus. Berühmt geworden ist der Bittgang der Königin Luise zu Napoleon, in dem sie ihn vergeblich um eine Milderung dieser Gebietsverluste anflehte. Aus den von Preußen infolge der Zweiten und Dritten Teilung Polens erworbenen Gebieten formte Napoleon das Herzogtum Warschau, wobei Danzig mit Oliva und Hela zur „Freien Stadt“ wurde und an Russland den Bezirk Białystok erhielt. Durch die Elbinger Konvention vom 10. November 1807 verlor Preußen zusätzlich die Kreise Kulm und Michelau sowie den Großteil des Netzedistriktes mit Bromberg an das Herzogtum.
Im Königsberger Folgeabkommen vom 12. Juli 1807 verpflichtete sich Frankreich, seine Truppen aus Preußen Zug um Zug entsprechend der Abgeltung der noch festzusetzenden Kriegskontribution zurückzuziehen. Die Höhe der Kriegskontribution wurde von Napoleon erst am 8. September 1808 in der Pariser Konvention festgelegt. Der 4,94 Millionen Einwohner zählende preußische Reststaat hatte danach eine Kriegskontribution von 120 Millionen Francs (über 32 Millionen Preußische Reichstaler) zu leisten. Nach diesem Abkommen sollten bis zur Zahlung in den Oder-Festungen französische Garnisonen von insgesamt 10.000 Mann verbleiben, das preußische Heer auf 42.000 Mann reduziert werden und jede Art von Miliz oder Reserve verboten sein. Frankreich verpflichtete sich, Preußen bis auf die Festungen innerhalb von 40 Tagen zu räumen. Damit endete im Dezember 1808 die Anwesenheit französischer Truppen in Städten und Dörfern Preußens, nicht aber in den Festungen Stettin, Küstrin und Glogau.
Der Frieden von Tilsit war ein Auslöser für grundlegende Reformen des Staates Preußen.
Literatur
- Max Braubach: Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1974 (= Gebhardt - Handbuch deutscher Geschichte, Bd. 14). ISBN 3-423-04214-1.
Weblinks
- Original des Friedensvertrages von Tilsit (Französisch / Deutsch)
- Manfred Raether: Großmachtpolitik an der Memel (Stand: 4. September 2008)
- Bernd Ulrich: Napoleons Diktat (Deutschland Radio Kultur) (Stand: 4. September 2008)
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