Schlacht bei Jena und Auerstedt

Schlacht bei Jena und Auerstedt
Schlacht bei Jena und Auerstedt
Teil von: Vierter Koalitionskrieg
Karte der Schlacht
Karte der Schlacht
Datum 14. Oktober 1806
Ort Jena und Auerstedt, Thüringen
Ausgang Französischer Sieg
Konfliktparteien
FrankreichFrankreich Frankreich Flagge des Königreichs Preußen ab 1701.gif Preußen
Flagge Kurfürstentum-Sachsen bis 1806.GIF Sachsen
Befehlshaber
Napoleon Bonaparte,

Louis-Nicolas Davout,

Joachim Murat
Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig,

Friedrich Ludwig zu Hohenlohe-Ingelfingen,

Ernst von Rüchel
Truppenstärke
123.200 Mann
(Jena: 95.900 Mann; Auerstedt: 27.300 Mann)
102.800 Mann
(Jena: 53.000 Mann; Auerstedt: 49.800 Mann)
Verluste
14.920 Tote und Verwundete
davon:
Jena: 7500
Auerstedt: 7420
33.000 Tote, Verwundete und Gefangene
davon:
Jena: 20.000
Auerstedt: 13.000
Schlachtsituation am 14. Oktober um 10:00 Uhr
Schlachtsituation am 14. Oktober um 14:00 Uhr

Die Doppelschlacht von Jena und Auerstedt (auch Auerstädt in älteren Quellen) fand am 14. Oktober 1806 in der Nähe der Orte Jena und Auerstedt statt.

Die Preußische Armee erlitt eine schwere Niederlage gegen die französischen Truppen unter Napoleon Bonaparte. Dieser schlug am 14. Oktober 1806 mit seiner Hauptarmee die preußisch-sächsische Armeeabteilung Hohenlohe bei Jena, während zur gleichen Zeit Marschall Davout mit seinem Korps die ihm zahlenmäßig deutlich überlegene preußische Hauptarmee unter dem Herzog von Braunschweig bei Auerstedt schlagen konnte.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Nach Napoleons Sieg über die verbündeten Heere Russlands und Österreichs in der Schlacht bei Austerlitz hatte sich das Gesicht Europas grundlegend verändert. Die französischen Truppen hatten sich in Italien und im westlichen Deutschland festgesetzt und sich damit –  entgegen den Empfehlungen des Außenministers Talleyrand  – dem Risiko weiterer Kriege ausgesetzt. Dennoch hatte sich nach dem am 26. Dezember 1805 geschlossenen Frieden von Pressburg eine gewisse Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden in Europa verbreitet. Durch die Übertragung des britischen Hannovers an Preußen schien eine preußisch-französische Annäherung greifbar, und nach dem Tod William Pitts übernahm der gemäßigtere Whig Charles Fox das Amt des britischen Premierministers. Doch die Erwartungen auf einen dauerhaften Frieden wurden schon bald enttäuscht. Die im Mai 1806 begonnenen Verhandlungen zwischen Großbritannien und Frankreich scheiterten letztlich am Widerstand Preußens gegen die von Napoleon vorgeschlagene Aufteilung Deutschlands (Friedrich Wilhelm III. war ein Kaisertum über die norddeutschen Staaten angetragen worden) und an dem französischen Vorschlag, Hannover wieder an Großbritannien zurückzugeben. Das preußische Ultimatum vom 26. August 1806, Napoleon solle seine Truppen bis zum 8. Oktober über den Rhein zurückführen, veranlassten diesen schließlich zum Handeln.

Voraussetzungen

Die preußische Armee hatte sich seit den Schlesischen Kriegen nicht wesentlich weiterentwickelt. Sie hielt an der überlieferten Ordnung der Linientaktik fest, teilte die Truppen erst kurz vor dem Krieg in Divisionen ein und war an das Zusammenspiel zwischen modernem Generalstab und Operationsführung nicht gewöhnt. Die Erfahrungen aus den Feldzügen am Rhein (1792-1795) und in Polen (1794/1795) waren von der alten Generalität größtenteils verdrängt worden, zumal das preußische Heer damals im Westen auf eine Revolutionsarmee im taktisch-strategischen Übergang getroffen war. Darüber hinaus besaßen in Preußen die Offiziere der jüngeren Generation im Heer noch wenig Einfluss. Außerdem handelte es sich bei der preußischen Armee um ein stehendes Heer alten Typs, in dem die Offiziere selten nach Leistung, sondern in der Regel nach ihrem Dienstalter (Anciennität) befördert wurden. Auch war die Ausrüstung mangelhaft, da an vielen Gegenständen, als Ergebnis der Kompaniewirtschaft, gespart wurde. Das napoleonische Heer hingegen war kriegserfahren und durch die vorangegangenen Siege hoch motiviert. Es bestand aus jährlich ausgehobenen Wehrpflichtigen, obwohl Napoleon mit Rücksicht auf das französische Großbürgertum („Notabeln“), das seine Herrschaft stützte, zahlreiche Befreiungen von der Wehrpflicht gestatten musste, die an „Exemtionen“ (Herausnahmen aus der Wehrpflicht) des preußischen Kantonsystems erinnerten. Taktisch waren diese Truppen auf dem Stand ihrer Zeit, indem sie flexibel Schützentaktik, Kolonnentaktik und Linientaktik kombinierten. Ein flexibleres Bagage- und Verpflegungssystem machte das französische Heer beweglicher und schneller. Freilich artete es oft in Plünderungen aus, die die Zivilbevölkerung stark belasteten. Französische Subalternoffiziere verfügten über keine Pferde; die Soldaten besaßen Wintermäntel anstelle von Zelten. Die Franzosen requirierten gegen Quittung vor Ort, die Preußen operierten mit einem Verpflegungsfuhrpark. Napoleons Soldaten waren also nicht durch einen umfangreichen Tross behindert und konnten deutlich höhere Marschgeschwindigkeiten erzielen.

Der Feldzug bis zu den Schlachten

Napoleon stieß mit seinen Truppen vom Main aus durch Thüringen auf die preußische Hauptstadt Berlin vor. Dadurch hoffte er, die preußische Armee zu einer Schlacht zwingen zu können und gleichzeitig die Sachsen von ihren Verbindungslinien abzuschneiden. Die verbündeten Preußen und Sachsen hatten sich westlich der Saale versammelt, um in der Lage zu sein, flexibel auf Napoleons Angriff reagieren zu können, egal ob er östlich oder westlich des Thüringer Waldes erfolgen würde. Als sie von dem Vormarsch Napoleons aus Bayern erfuhren, entstand unter den Oberbefehlshabern ein zeitraubender Streit, ob ihre Kräfte besser westlich (Konzentration der bei Eisenach, Erfurt und Weimar stehenden Teilarmeen) oder östlich der Saale zu sammeln seien, um die Wege nach Berlin und Dresden zu decken. Die Teilarmee des Generals Ernst von Rüchel sammelte sich bei Hannover und zog sich von dort aus über Göttingen und Mühlhausen näher an die Hauptarmee heran. Prinz Louis Ferdinand von Preußen sollte mit einer Vorhutabteilung den Saaleübergang bei Saalfeld decken. Am 10. Oktober wurde dieses Korps im Gefecht bei Saalfeld aufgerieben. Der Prinz fiel in einem Reiterkampf.

Am Tag zuvor trafen bei Schleiz die Truppen von Joachim Murat auf in der Nähe lagernde preußische und sächsische Truppen, wurden aber zurückgeworfen. Erst das Eingreifen von Infanterie unter Marschall Bernadotte entschied den Kampf zu Gunsten der Franzosen. Sie verloren rund 200 Soldaten, während die Preußen 500 Mann durch Tod, Verwundung und Gefangennahme verloren. Das Gefecht bei Schleiz war das erste größere Zusammentreffen preußischer und französischer Truppen in diesem Krieg.

Die Truppen Napoleons gingen nun insbesondere östlich der Saale nach Norden vor, während sich die Verbündeten auf der westlichen Seite des Flusses sammelten. Am 12. Oktober beschlossen sie, einer Schlacht vorerst auszuweichen und mit der Hauptarmee schnell nach Norden zu ziehen, um nicht von Berlin abgeschnitten zu werden. Die Armeekorps der preußischen Generale Fürst zu Hohenlohe und Ernst von Rüchel blieben bei Jena und Weimar stehen, um den Marsch der Hauptkräfte unter Führung des Herzogs von Braunschweig in Richtung auf die Saaleübergänge bei Naumburg zu decken.

Auch Napoleons Aufklärung versagte in diesen Tagen völlig. Er war sich nicht im Klaren darüber, wo sich die Streitmacht der Verbündeten befand; er vermutete sie bei Gera oder weiter nördlich. So sandte er Murats Reiter teilweise in Richtung Leipzig und die Korps von Davout und Bernadotte nach Naumburg. Schließlich entdeckte Lannes am 13. die preußischen Truppen bei Jena. In der Annahme, dass dies die verbündete Hauptarmee sei, konzentrierte Napoleon seine Korps vor Jena und besetzte die Stadt sowie die wichtigen Höhen, insbesondere den Landgrafenberg (280 m) und den Windknollen (361 m), von dem aus er seine Gegner rekognoszierte. Hatte es auch kleinere Gefechte zwischen den Truppen Lannes und den Preußen nachmittags gegeben, so sahen Letztere sich nicht in Gefahr und die Preußen kampierten auf der Hochebene. Sie hielten einen Angriff von der Seite des Landgrafenberges her für unmöglich, u.a. weil man glaubte, dieser könne mit Kanonen von Jena aus nicht bestiegen werden. Napoleon befahl aber genau dies und seine Truppen arbeiteten die ganze Nacht daran, Geschütze den Landgrafen hinaufzuschaffen.

Dornburg. Fürst Hohelohe verhinderte nicht den Übergang der Franzosen über die Saale und die damit drohende Überflügelung.

In der Nacht zum 14. wurde Davout, der den Kösener Pass besetzt hatte, über Apolda nach Jena beordert. Er solle sich in die Richtung des Kanonendonners begeben. Allerdings endete der Brief:

„Wenn der Marschall Bernadotte sich bei Ihnen befindet, können Sie gemeinsam marschieren, aber der Kaiser hofft, dass er in der Stellung sein wird, die ihm angewiesen ist, bei Dornburg. - Wenn Sie sich Jena soweit genähert haben, dass man Sie dort hören kann, geben Sie einige Kanonenschüsse ab. Diese werden das Signal [zum Angriff] sein, wenn wir nicht gezwungen sind, früher damit anzufangen.[1]

Dieser Befehl, den Napoleon um ca. 22:00 Uhr schrieb und den Davout um 3:00 morgens am 14. erhielt, zeigt, dass Napoleon sich noch nicht sicher war, ob er direkt morgens angreifen oder die Schlacht später stattfinden würde. Vermutlich die Kombination aus dem Erfolg, die Kanonen auf den Landgrafen zu bekommen, und des Überraschungsvorteils ließ Napoleon früh beginnen und er verzichtete auf Davouts (ca. 40 – 50 km von Jena entfernt) und Bernadottes Beteiligung zu Schlachtbeginn. Bernadotte, der sich zwar in Naumburg befand, dessen Truppen aber schon auf dem Weg Richtung Dornburg kampierten, entschied weiter über Dornburg zu gehen.

Als am nächsten Morgen der Kampf begann, stand Napoleons Hauptarmee nur das Korps Hohenlohe gegenüber, während 22 km in nordöstlicher Richtung bei Hassenhausen das französische Korps Davout unvermutet auf die versammelte preußisch-sächsische Hauptarmee stieß. Bernadotte hatte bei Dornburg das Problem, mit seinen Truppen von der Saalebrücke bis Dornburg 80 bis 100 Höhenmeter unter schweren Umständen zu überwinden und erreichte in der Folge beide Schlachtfelder nicht.[2]

Karte der Schlacht bei Jena 14. Oktober 1806

Die Schlachten

Die Schlacht bei Jena

Die Schlacht bei Jena begann am 14. Oktober 1806 um etwa 6 Uhr morgens, nachdem die Franzosen nachts erfolgreich die Artillerie von Jena aus über einen Steilhang, den Steiger, auf den Landgrafenberg geschafft hatten, zur völligen Überraschung der Preußen (des Fürsten Hohenlohe und seines Quartiermeisters Massenbach). Erstaunlicherweise ist dies von der Jenenser Stadtbevölkerung weder den Preußen noch den sächsischen Verbündeten gemeldet worden. Rund 53.000 Preußen – 38.000 davon unter dem Befehl Hohenlohes und 15.000 unter dem Befehl Rüchels – und an die 95.900 französische Soldaten standen sich gegenüber.

Die Preußen, Fürst Hohenlohe und der Herzog von Braunschweig, der bei Auerstedt lag, hatten an diesem Tag keine Schlacht erwartet. Wie schon an den Vortagen herrschte Nebel bis gegen neun Uhr. Das Lager der Preußen war von Massenbach in Erwartung der Franzosen längs der Straße von Jena nach Weimar in Richtung Südwesten abgesteckt worden; tatsächlich aber erfolgte der Angriff von Südosten her über den Steilabhang des Saaletals. Die Truppen des preußisch-sächsischen Gros sammelten sich deswegen erst spät und zögernd, als ihre Vorhut unter Tauentzien schon längst massiv zurückgedrängt wurde.

Der französische Angriff erfolgte gegen sechs Uhr vom Landgrafenberg her - dem Windknollen bei Jena - aus dem Nebel heraus mit überraschend starker Artillerieunterstützung. Er traf auf die preußische Vorhut unter Tauentzien. Dieser befehligte sein eigenes Avantgarde-Detachement, das sich in den Vortagen kämpfend unter geringen Verlusten von Hof her zurückgezogen hatte. Zusätzlich war ihm der Befehl über die Reste der im Gefecht bei Saalfeld geschlagenen Vorhut des gefallenen Prinzen Louis Ferdinand von Preußen übertragen worden. Er befehligte also angeschlagene, ungenügend vorbereitete Truppen.

Napoleon befahl, die vorgeschobenen preußisch-sächsischen Stellungen erst bei den Dörfern Lützeroda und Closewitz und danach bei Rödigen und Lehesten anzugreifen. Es gelang den französischen Truppen, diese Einheiten von dem nebeligen Schlachtfeld abzudrängen.

Die Truppen Hohenlohes formierten sich gegen 9:00 Uhr mit Front in Richtung der Dörfer Isserstedt und Vierzehnheiligen und marschierten gegen 9:30 Uhr ab. Isserstedt wurde zunächst zurückerobert. Auf Befehl Hohenlohes rückten die preußisch-sächsischen Truppen nahe an Vierzehnheiligen heran und beschossen es. Diese Stellung wurde eineinhalb Stunden, in denen die französische Infanterie und Artillerie auf die Truppen Hohenlohes feuerte, beibehalten, weil Hohenlohe glaubte, nicht ohne die Unterstützung Rüchels angreifen zu können, der von Weimar aus heraneilte. Diese Linie wurde ausgedehnt, um die Franzosen, die andauernd Nachschub erhielten und dadurch mit Überflügelung drohten, im Dorf einzukreisen. Die Frontlinie riss angesichts der starken Verluste durch den Dauerbeschuss ohne Deckung beim Angriff der immer stärker werdenden französischen Infanterie auseinander, woraufhin Hohenlohe den Rückzug befehlen musste, der aber, als die Kavallerie unter Murat angriff, zu einer panischen Flucht führte.

Die starke Talsenke von Kapellendorf

Das Korps Rüchels, das gegen 13:00 Uhr auf dem Schlachtfeld eintraf, konnte noch einmal Schlimmeres abwenden, obwohl auch er bei Kapellendorf empfindliche Verluste erlitt. Rüchel selbst wurde bei dem letzten Angriff altpreußischer Infanterie östlich Kapellendorfs schwer verwundet. Insgesamt wurden ca. 10.000 preußische und sächsische Soldaten getötet oder verwundet und weitere 10.000 gefangengenommen. Die Franzosen hingegen hatten nur etwa 7500 Tote oder Verwundete zu verzeichnen. 15 Kilometer weiter nördlich kämpften unterdessen 27.300 Franzosen unter Marschall Davout gegen ca. 49.800 Preußen unter dem Herzog von Braunschweig.

Die Schlacht bei Auerstedt

Karte der Schlacht bei Auerstedt 14. Oktober 1806
Denkmal (im Hintergrund) zu Ehren des Herzogs Ferdinand bei Hassenhausen mit Mahnmal zu Ehren der Gefallenen

Die preußische Kavallerie umfasste in der Schlacht bei Auerstedt 8800 Reiter, die französische hingegen nur 1300. Außerdem verfügten die Preußen über 230, die Franzosen dagegen nur über 44 Kanonen. Allerdings waren die Befehlshaber beider Seiten über die gegnerische Stärke im Unklaren. Das Schlachtfeld war mit unerwartet dichtem Nebel verschleiert. Das preußische Heer war durch das Überqueren der Ilm über die einzige Brücke in lange Reihen auseinandergezogen. Die Franzosen trafen somit bei Hassenhausen zuerst auf die Vorhut.

Französische Truppen eroberten das Dorf Hassenhausen, während preußische Truppenverbände um ca. 9:00 Uhr die Franzosen nördlich der Chaussee nach Kösen angriffen. Davout befahl seinem 21. Infanterieregiment, die Stellungen in Hassenhausen und dem 12. Regiment seinen linken Flügel zu verstärken. Kurz danach wurde der Herzog von Braunschweig am Kopf getroffen, woraufhin er sein Augenlicht verlor. Da kein neuer Oberbefehlshaber ernannt wurde, um den Herzog zu ersetzen, gab es auf preußischer Seite keine einheitliche Kampfführung mehr. Jeder Offizier blieb sich in taktischen Fragen selbst überlassen, was man im preußischen Heer nie geübt hatte.

Nach weiteren Kämpfen ordnete Preußens König Friedrich Wilhelm III. am Nachmittag schließlich den Rückzug an. Er hatte erst gar nicht versucht, die stattliche Reserve unter Kalckreuth, darunter die Gardekavallerie, in die Kämpfe eingreifen zu lassen.[3] Der Rückzug verlief, anders als bei Jena, zunächst geordnet, wenn auch führerlos. Bald entstand ein heilloses Durcheinander mit den aus Richtung Jena nach Erfurt flüchtenden Truppen. 10.000 Preußen wurden getötet oder verwundet, 3000 gerieten in Gefangenschaft. Die Franzosen hatten 7420 Soldaten verloren.

Ursachen der Niederlage

Die Hauptursache ist in der Unentschlossenheit Friedrich Wilhelms III. und des Herzogs von Braunschweig zu sehen, die sich übervorsichtig und zaudernd gegenseitig die Verantwortung zuschoben und auf das Handeln des jeweils (aus eigener Sicht kompetenteren) anderen vertrauten. Demgegenüber sind die Rivalitäten und Allüren der führenden Generäle Hohenlohe, Rüchel und Kalckreuth zweitrangig. Gneisenau analysierte ein Jahr nach der Schlacht:

„Die Unfähigkeit des Herzogs von Braunschweig, einen soliden Feldzugsplan zu entwerfen, die seinem Alter so gewöhnliche Unentschlossenheit, sein Feldherrnunglück, das Mißtrauen der Armee in ihn, die Uneinigkeit der Koryphäen des Generalstabes [z. B. Massenbach], die Neutralisierung einiger der fähigsten Mitglieder desselben [z. B. Scharnhorst], unsere des Krieges entwohnte Armee, der beinahe in allen Zweigen sichtbare Mangel an Vorbereitung zu demselben, die in den bisherigen Friedensjahren zur Tagesordnung gewordene Beschäftigung mit nichtswürdigen Kleinigkeiten der Elementartaktik, unser Rekrutierungswesen mit allen seinen Exemtionen, das nur einen Teil der Nation zu den Waffen verpflichtete, dessen Dienstzeit über die Gebühr verlängerte, der folglich mit Widerwillen diente und nur noch durch Disziplin zusammengehalten wurde; unser Populationssystem, das dem Soldaten erlaubte, sich mit einer Familie zu belasten, deren Ernährung, wenn ihn der Krieg von seinem Herd abrief, meist der Wohltätigkeit des Publikums überlassen blieb und deren Schicksal oft dem bekümmerten Vater das Ende des Krieges wünschenswert machte; das Beurlaubungswesen, das den darauf mit seinen Einkünften angewiesenen Kompaniechef verleitete, den noch wenig disziplinierten Rekruten in die Heimat zu entlassen; die schlechte Verfassung unserer Regimentsartillerie, die niemals der zahlreichen reitenden Artillerie der Franzosen sich entgegenstellen konnte; die schlechte Beschaffenheit unserer Waffen; die Untauglichkeit der meisten unserer Generale; und, um alles zu umfassen, unser Eigendünkel, der uns nicht mit der Zeit fortschreiten ließ, pressen dem Patrioten stille Seufzer aus.“

Die Schlacht musste nicht zwangsläufig verlorengehen, wie Clausewitz analysierte: Napoleon war ein hohes Risiko eingegangen, als er seine Truppen spätabends einen Geländesporn rund um den Landgrafenberg besetzen ließ. Auf engem Raum drängten sich das Korps Lannes und die Garde (die Korps Soult und Ney konnten erst im Laufe des Vormittags nachrücken). Ein entschlossener früher und massiver Angriff der preußisch-sächsischen Truppen hätte die zu diesem Zeitpunkt noch deutlich unterlegenen Franzosen wieder den Steilhang abwärts in das Straßengewirr von Jena gestürzt, wo nur unzureichende Rückzugsmöglichkeiten über zwei schmale Brücken über die Saale bestanden - die Katastrophe wäre wohl unvermeidlich gewesen.

Napoleon hatte jedoch die preußische Unentschlossenheit richtig eingeschätzt. Er im Gegenteil griff stets entschlossen und energisch an und koordinierte effektiv seine Armeekorps, die unter dem Befehl relativ junger kriegserfahrener Marschälle standen, mit Selbständigkeit, Verantwortung und Engagement - das genaue Gegenteil der preußischen Generalität.

Nachwirkungen

Napoleon zieht am 27. Oktober 1806 an der Spitze seiner Truppen in Berlin ein. Historiengemälde von Charles Meynier, 1810

Die Niederlagen waren zwar bitter für die preußisch-sächsische Armee, doch sie allein führten noch nicht zu einer Katastrophe. Auf dem Rückzug hatte man versucht, die französischen Truppen im Norden zu umgehen und ihnen den Weg nach Berlin zu verlegen. Das misslang, da die französischen Korps schneller nach Norden vorstoßen konnten. Ein großer Teil der Truppe desertierte. Während dieses Rückzugs wurden die Soldaten von den französischen Truppen rücksichtslos verfolgt und zersprengt. Nur wenigen größeren Abteilungen gelangen geordnete Rückzüge, bei denen sich vor allem Blücher und Scharnhorst auszeichneten. Aber innerhalb weniger Wochen wurden sie noch westlich der Oder bei Halle, Prenzlau und Lübeck zur Kapitulation gezwungen. König Friedrich Wilhelm III. entkam samt Familie nach Ostpreußen, und Napoleon zog am 27. Oktober als Sieger in Berlin ein.

Ebenso kapitulierten in den Monaten Oktober und November die großen preußischen Festungen Erfurt, Spandau, Stettin, Küstrin, Magdeburg und Hameln kampflos. Nachdem der König am 1. Dezember im Ortelsburger Publikandum die Erschießung eines jeden Kommandanten angekündigt hatte, der seine Festung "nicht mit den angestrengtesten Kräften bis aufs Äußerste" behaupte, haben sich andere Festungen bis zur Erschöpfung aller Mittel gewehrt: Breslau, Brieg, Glogau, Danzig, Glatz und Neisse. Bei Friedensschluss befanden sich noch Kolberg, Glatz, Graudenz, Silberberg, Kosel und Pillau in preußischer Hand. Gegen die Kommandanten der kapitulierenden Festungen wurden Militärgerichtsverfahren eingeleitet, die mit zwei Todesurteilen endeten. In dem Fall Spandau wandelte der König es in Festungsarrest auf Königliche Gnade um, und im Fall Küstrin konnte es wegen Desertion nicht vollstreckt werden.

Mit den verbliebenen Resten und den Reservetruppen setzte Preußen den Kampf östlich der Weichsel an der Seite der russischen Armee fort. Rüchel, inzwischen Gouverneur der Provinz Preußen, half gemeinsam mit Hardenberg von Königsberg aus, den Nachschub für die russische und preußische Armee zu organisieren. Die Preußen erzielten unter General L’Estocq sogar örtliche Erfolge, wie z. B. in der Schlacht bei Heilsberg. Erst nach weiteren blutigen Schlachten wurde der Krieg schließlich beendet: Während die russische Armee unter General Levin August von Bennigsen im Verbund mit dem preußischen Hilfskorps unter L’Estocq die Grande Armée in der Schlacht bei Preußisch Eylau erstmals an den Rand des Zusammenbruchs brachte, untergrub Bennigsens Niederlage in der Schlacht bei Friedland sowie die anschließende Besetzung von Königsberg den Kriegswillen des Zaren. Als Napoleon am 21. Juni 1807 einen Waffenstillstand mit Russland schloss, hatte er – bis auf Großbritannien, Schweden und das Osmanische Reich – sämtliche europäische Staaten erobert oder mit Verträgen an sich gebunden. Nur wenige Wochen später kam es am 7. Juli zum Frieden von Tilsit zwischen Frankreich und Russland, in dem festgelegt wurde, dass Preußen die Hälfte seines Staatsgebietes abtreten musste, aber erhalten blieb. Preußen blieb zwei Tage darauf keine Wahl und es unterzeichnete ebenfalls ein entsprechendes Friedensabkommen. Napoleon setzte zudem die Entlassung von Hardenberg und Rüchel durch. Im Königsberger Folgeabkommen vom 12. Juli 1807 verpflichtete sich Frankreich, seine Truppen aus Preußen Zug um Zug entsprechend der Abgeltung der noch festzusetzenden Kriegskontribution zurückzuziehen. Die Höhe der Kriegskontribution wurde von Napoleon erst am 8. September 1808 in der Pariser Konvention festgelegt. Nach diesem Abkommen sollten bis zur Zahlung von 120 Millionen Francs in den preußischen Festungen Stettin, Küstrin und Glogau französische Garnisonen verbleiben, das preußische Heer auf 42.000 Mann reduziert werden und jede Art von Miliz oder Reserve verboten sein. Frankreich verpflichtete sich, Preußen bis auf die Festungen innerhalb von 40 Tagen zu räumen. Die katastrophale Niederlage machte Preußen den Weg frei für weitgreifende Reformen im Gemeindeverfassungs- und Gewerberecht (Städteordnung, Gewerbeordnung), Agrar-, Militär- und Bildungswesen (Bauernbefreiung, Wehrpflicht, Universität Berlin und Gewerbeschulen). Diese trugen dazu bei, dass Preußen 1813 wieder in der Lage war, gegen Napoleon zu kämpfen. Nach dem Wiener Kongress wurde Preußen wieder eine Großmacht in Europa.

Die europäische Geschichtswissenschaft setzt die Epochen-Zäsur zwischen „Neuere und Neueste Geschichte“ auf das Jahr 1789 (Französische Revolution); für Preußen im Speziellen ist diese Epochenzäsur im Jahr der Schlacht von Jena und Auerstedt zu sehen.

Trivia

Am 11. Oktober 1806, drei Tage vor der Schlacht, gab der Jenenser Professor Hegel noch rasch das endlich fertige, umfangreiche Manuskript seines ersten Hauptwerks „Phänomenologie des Geistes“ auf die Post an seinen Verleger. Durch die Falschmeldung, die Franzosen seien in die Stadt eingebrochen, entstand für den Rest des Tages ein unbeschreibliches Chaos in der Stadt und ihrer Umgebung, so dass Hegel lange Zeit den Verlust des Manuskripts befürchtete, das aber tatsächlich seinen Verleger erreichte.

Am Abend der Schlacht wurde Goethe in seinem Haus in Weimar von plündernden französischen Soldaten lebensgefährlich bedroht und durch das beherzte Eingreifen seiner langjährigen Lebensgefährtin Christiane Vulpius gerettet. Er heiratete sie fünf Tage später am 19. Oktober 1806. Als Gravur für die Ringe wählte Goethe das Datum der Schlacht bei Jena: 14. Oktober 1806.

Gedenkveranstaltung

Begrüßung der Teilnehmer der 180jährigen Wiederkehr des Tages der Schlacht
Napoleonstein bei Cospeda

Zum 180. Jahrestag im Jahre 1986 führte der Kulturbund der DDR eine Gedenkveranstaltung zur preußischen Niederlage bei Kapellendorf durch. Dabei wurden die Gefechte durch Soldaten in historischen Uniformen nachgestellt. Die Bürgermeisterin von Kapellendorf begrüßte am Denkmal auf dem Sperlingsberg die Gäste der mehrtägigen Veranstaltung.

Aus Anlass des 200. Jahrestages der Doppelschlacht wurde die Schlacht am 14. Oktober 2006 mit 1.800 Teilnehmern auf einem 600 m mal 800 m großen, umzäumten Gelände nahe der Ortschaft Cospeda nachgestellt. Jährlich werden im Oktober, zeitnah zum historischen Datum, durch den Verein AG „Jena 1806 e.V.“ Gedenkveranstaltungen organisiert. Alle fünf Jahre findet diese in einem größeren Rahmen statt.

Siehe auch

Literatur

Moderne Analysen

  • Holger Nowak, Birgitt Hellmann (Hrsg.): Die Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806. Städtische Museen, Jena 2005, ISBN 3-930128-17-9 (Ausstellungskatalog).
  • Arnaud Blin: Iéna. Octobre 1806. Perrin, Paris 2003, ISBN 2-262-01751-4.
  • Gerd Fesser: Umbruch im Schatten Napoleons: die Schlachten von Jena und Auerstedt und ihre Folgen (Bausteine zur Jenaer Stadtgeschichte; 3). Verlag Bussert, Jena 1998, ISBN 3-9804590-9-8.
  • Holger Nowak u.a.: Lexikon zur Schlacht bei Jena und Auerstedt 1806. Personen, Ereignisse, Begriffe. Städtische Museen, Jena 1996.
  • Gerd Fesser: Jena und Auerstedt. Der preußisch-französische Krieg von 1806/07. Glaux-Verlag, Jena 1996, ISBN 3-931743-07-1.
  • Olaf Jessen: „Preußens Napoleon“? Ernst von Rüchel. 1754-1823. Krieg im Zeitalter der Vernunft. Schöningh, Paderborn 2007, ISBN 3-506-75699-0 (zugl.: Dissertation, Universität Potsdam 2004).
  • Die Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806. Eine Produktion von Jena Kultur/Stadtmuseum Jena in Zusammenarbeit mit dem Institut zur militärgeschichtlichen Forschung Jena 1806 e. V. und G-VIDEO Wuppertal. DVD 47:00 Min. Jena 2006.
  • Frank Bauer: Jena 14. Oktober 1806.Der erste Teil von Preußens Debakel (Kleine Reihe Geschichte der Befreiungskriege 1813-1815, H. 33), Potsdam 2011.
  • Frank Bauer: Auerstedt 14. Oktober 1806. Das Finale von Preußens Debakel (Kleine Reihe Geschichte der Befreiungskriege 1813-1815, H. 34), Potsdam 2011.

Ältere Darstellungen

  • Carl von Clausewitz: Nachrichten über Preußen in seiner größten Katastrophe (1823/24), in Auszügen abgedruckt in: Gerhard Förster (Hrsg.): Carl von Clausewitz – Ausgewählte militärische Schriften, Berlin 1981, S. 76–124.
  • Frederic N. Maude: The Jena campaign, 1806 (Napoleonic library; 33). Greenhill Books, London 1998, ISBN 1-85367-310-2 (Reprint der Ausgabe London 1909).
  • Francis L. Petre: Napoleon's conquest of Prussia 1806 (Napoleonic library; 23). Greenhill Books, London 1993, ISBN 1-85367-145-2 (Reprint der Ausgabe London 1907).
  • Joh. Gust. Droysen: Das Leben des Feldmarschalls Grafen Yorck von Wartenburg 7. Auflage, 2 Bände, Leipzig 1913.

Augenzeugenberichte

  • 1806. Das Preußische Offizierskorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse, hrsg. v. Großen Generalstab, Berlin 1906 (die Aussagen der wichtigsten Beteiligten für die Untersuchungskommission 1807 und 1808).
  • Birgitt Hellmann (Hrsg.): Bürger, Bauern und Soldaten. Napoleons Krieg in Thüringen 1806 in Selbstzeugnissen (Bausteine zur Jenaer Stadtgeschichte; 9). Hain-Verlag, Weimar 2005, ISBN 3-89807-082-4.
  • Christina Junghanß (Hrsg.): Meine Hegira. Tagebuchaufzeichnungen von 1806. Stadtmuseum, Weimar 1997, ISBN 3-910053-30-0 (Erlebnisbericht von Friedrich Justin Bertuch (1747–1822))
  • Klaus-Peter Lange (Hrsg.): Schilderungen der merkwürdigsten Kriegsbegebenheiten bei Auerstädt. Neuauflage. Wartburg-Verlag, Jena 1992, ISBN 3-861600-66-8 (Erlebnisbericht des Fleischermeisters Johann Adam Krippendorf)

Anekdoten

Weblinks

 Commons: Schlacht bei Jena und Auerstedt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweis

  1. Dieser Brief (Quelle?) ist rätselhaft. Davout erhält nachts den Befehl, „sich in die Richtung des Kanonendonners zu begeben“ und sein Eintreffen bei Jena mit Kanonenschüssen zu signalisieren; Napoleon werde dann den Angriff mit den über Nacht auf den Landgrafenberg gebrachten Kanonen beginnen. Woher sollen jene Kanonenschüsse kommen, auf die Davout zumarschieren soll?
  2. Napoleon hatte wenige Stunden vorher am Landgrafenberg die gleiche Höhendifferenz sogar mit Artillerie überwunden. Dieser Überraschungscoup legte die Grundlage für den Sieg.
  3. Seit dem Siebenjährigen Kriege Friedrichs des Großen rühmte sich das Kürassierregiment Garde u Corps: „Keine Schlacht ist verloren, bevor nicht das Regiment Garde du Corps angegriffen hat.“
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