Todesdreieck

Todesdreieck

Als Todesdreieck bezeichnet man eine Gegend im westlichen Sizilien. Dort geschehen seit der Zeit des Ersten Weltkrieges ungewöhnlich viele Morde; insbesondere in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Zahl der Morde dort stetig an. Der Grund für diese hohe Gewaltrate ist vor allem die sizilianische Cosa Nostra. Die Eckpunkte dieses Dreiecks bilden die Städte Altavilla Milicia, Bagheria und Casteldaccia. Jede dieser Städte beherbergt bereits seit dem 19. Jahrhundert eine Mafia-Familie und ist eine Hochburg der Mafia. Weiter südlich, in relativer Nähe liegt auch die Stadt Corleone, die ebenfalls eine berüchtigte Hochburg der Cosa Nostra darstellt. Diese wies in den 1940er und 1950er Jahren eine der höchsten Mordraten der Welt auf.[1] Corleone wurde deshalb bis in die späten 1960er Jahre sprichwörtlich „der Grabstein“ genannt.[2]

In dieser Zeit wurden die Morde in dieser Gegend meist noch mit dem Begriff „Blutrache“ ins Folklorehafte verklärt. Im Jahr 1963 entdeckte man in der Gegend des Todesdreiecks zufällig einen „Friedhof der Mafia“, wie die grausige Entdeckung bald von den Carabinieri und dann von den italienischen Massenmedien genannt wurde. Es handelte sich um ein Loch im Felsen, wo die Überreste dutzender menschlicher Leichname lagen. Die Toten, die – soweit noch feststellbar – alle eines unnatürlichen Todes gestorben waren, waren wahrscheinlich Opfer der Lupara bianca, vertuschter Morde der Cosa Nostra, geworden.

Insbesondere in den frühen 1980er Jahren stieg die Mordrate im Todesdreieck, bedingt durch den von den Corleonesern ausgelösten sogenannten Zweiten Großen Mafiakrieg von 1981-1983, extrem an. Am 25. Dezember 1981 ereignete sich das sogenannte „Weihnachtsmassaker“ von Bagheria. Ein aus mehreren Männern bestehendes Kommando erschoss drei im Auto sitzende, ranghohe Mafiosi in der Altstadt von Bagheria. Ein unbeteiligter Passant wurde dabei ebenfalls erschossen. Zudem errichtete die im Mafiakrieg siegreiche Partei, die Corleoneser, in einer Fabrik in der Nähe von Bagheria „das KZ von Bagheria“.[3] ein, wie es bald auch genannt wurde. In dieser Fabrik wurden laut Zeugenaussagen Verhöre durchgeführt, Gegner gefoltert und die Leichen vieler Opfer in Salzsäurebecken aufgelöst. Zudem diente es Bernardo Provenzano auch als Hauptquartier.

Um der andauernden Gewalt im Todesdreieck und in der gesamten Provinz Palermo Herr zu werden, wurde im Mai 1982 General Carlo Alberto Dalla Chiesa zum Präfekt von Palermo ernannt. Dieser hatte sich in früheren Jahrzehnten bei der Bekämpfung der Cosa Nostra bereits hervorgetan und war Ende der 1970er Jahre durch seine erfolgreiche Bekämpfung des linksextremen Terrorismus der Roten Brigaden zu einem Nationalhelden avanciert. Dalla Chiesa ließ in der ganzen Gegend Straßensperren errichten. Die Cosa Nostra beantwortete dies sofort mit weiteren Mordanschlägen.

Die Leichen ihrer Opfer legte sie nun vor den örtlichen Polizeirevieren und Kasernen der Carabinieri ab. Am 7. August 1982 beispielsweise rief ein anonymer Anrufer die Wache der Carabinieri von Casteldaccia an und gab durch: „Wenn ihr euren Spaß haben wollt, schaut euch einmal das Auto an, das vor eurer Tür steht“.[4] Im Auto befanden sich zwei Leichen.

Diese Szenen wiederholten sich in den folgenden Tagen mehrmals und nach einigen Tagen meldete sich erneut ein Anrufer bei einer Zeitung: „Wir sind die Killer des Todesdreiecks. Die Operation Carlo Alberto zu Ehren des Präfekten von Palermo ist nun nahezu abgeschlossen, ich sagte nahezu abgeschlossen“. Kurz nachdem Dalla Chiesa zusammen mit seiner Frau und einem Leibwächter am 3. September 1982 in Palermo ermordet wurde, meldete sich erneut ein anonymer Anrufer mit den Worten: „Die Operation Carlo Alberto zu Ehren des Präfekten von Palermo ist nun abgeschlossen“.[4]

Mitte der 1980er Jahre, nachdem der Zweite Mafiakrieg beendet war, ging die Mordrate zurück, das Todesdreieck blieb jedoch in den Schlagzeilen: So wurde am 29. September 1987 der als Superkiller der Mafia bekannte Mario Prestifilippo in Bagheria erschossen, als er gerade mit dem Motorrad von einem Versteck zum anderen fuhr. Prestifilippo war ein Opfer der Corleoneser geworden, die ihre mächtigsten ehemaligen Verbündeten ausschalteten.

Nachdem die Führungsspitze der Cosa Nostra durch die Festnahmen von Salvatore Riina und Leoluca Bagarella gewechselt hatte und Bernardo Provenzano 1995 zum sogenannten „Boss der Bosse“ avanciert war, sank die Mordrate dann jedoch erheblich. Unter Provenzanos Ägide herrschte auf Sizilien die Pax Mafiosa; Provenzano selbst hielt sich seit den 1980er Jahren immer wieder über längere Zeitabschnitte hinweg in Bagheria und der unmittelbaren Umgebung versteckt, wo er über ein umfangreiches Netzwerk von Unterstützern verfügte. Erst als dieses Netzwerk in der "Grande Mandamento" betitelten Operation 2005 durch die Polizei zerschlagen wurde, kehrte er in die unmittelbare Nähe seiner Heimatstadt Corleone zurück. Nachdem Provenzano im Juni 2006 in der Nähe von Corleone verhaftet werden konnte, kam es jedoch zu neuen Machtkämpfen innerhalb der Mafia Palermos und die Polizei verhaftete in Bagheria dutzende Ehrenmänner.

Einzelnachweise

  1. John Dickie: Cosa Nostra. Die Geschichte der Mafia. Fischer (S.), Frankfurt 2006, ISBN 3-100-13906-2
  2. John Follain: The last Godfathers, Hodder&Stoughton, London 2008 ISBN 978-0-340-97919-8
  3. Henning Klüver: Der Pate – letzter Akt, C. Bertelsmann, 2007 ISBN 978-3-570-00971-0
  4. a b Alexander Stille: Die Richter: Der Tod, die Mafia und die italienische Republik. C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42303-5

Literatur

  • Alexander Stille: Die Richter: Der Tod, die Mafia und die italienische Republik. C. H. Beck, München 1997, ISBN 3-406-42303-5
  • John Dickie: Cosa Nostra. Die Geschichte der Mafia. Fischer (S.), Frankfurt 2006, ISBN 3-100-13906-2

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