Tom Coraghessan Boyle

Tom Coraghessan Boyle
T.C.Boyle auf der Leipziger Buchmesse 2009

Thomas Coraghessan Boyle (* 2. Dezember 1948 in Peekskill, Bundesstaat New York) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

T.C.Boyle auf der Leipziger Buchmesse 2009

Boyles Kindheit wurde u. a. durch den Alkoholismus seines Vaters bestimmt.

An der State University of New York studierte er Englisch und Geschichte und schloss 1968 mit dem B.A. ab. Am College entdeckte er auch die Literatur und eine Vorliebe für Autoren wie Updike, Ibsen, Sartre und Camus. Außerdem begann er selbst zu schreiben und nahm an Kursen für Creative Writing teil. Nebenbei spielte er verschiedene Instrumente (Jazz und Popmusik). Über diese Zeit berichtet er in seinem autobiografischen Text „The Eleventh Draft“ (1999). Nach seinem B.A. arbeitete er vier Jahre lang als Lehrer an einer High School und schrieb parallel dazu Erzählungen.

An der University of Iowa studierte er weiter und erwarb 1977 einen Doktortitel (Ph.D.) in englischer Literatur des 19. Jahrhunderts. Außerdem besuchte er den Writers Workshop derselben Universität unter der Leitung von John Irving, der zu seinem Mentor wurde.[1]

Die Veröffentlichung der Erzählung „The OD and Hepatitus Railroad or Bust“ in der North American Revue brachte ihm 1972 die Aufnahme in einen Schreibworkshop der University of Iowa. Neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit lehrt Boyle seit 1978 Englisch an der University of Southern California, seit 1986 als ordentlicher Professor. Seine Erzählungen und Kurzgeschichten erscheinen regelmäßig in wichtigen amerikanischen Zeitschriften.

Boyle ist seit 1974 mit Karen Kvashay verheiratet und lebt mit ihr in Montecito (Santa Barbara) in Kalifornien.[2] Die beiden haben eine Tochter namens Kerrie und zwei Söhne, Milo und Spencer. Den Mittelnamen Coraghessan (betont auf der zweiten Silbe) nahm Boyle, der ursprünglich Thomas John hieß, mit 17 Jahren an. Es ist der irische Name eines seiner Vorfahren mütterlicherseits.

Werke

Boyle hat in Amerika dem historischen Roman zu neuem Ansehen verholfen. Seine Romane und Erzählungen basieren häufig auf gut recherchierten historischen Ereignissen und Persönlichkeiten, um die er mit viel Liebe zum Detail manchmal realistische – wie im Roman Riven Rock –, manchmal absurde – wie in der Erzählung I Dated Jane Austen – Geschichten erfindet.

Boyle sieht besonders das Lesen zeitgenössischer Autoren als eine der wichtigsten Grundlagen für schriftstellerisches Schaffen. Zu seinen Lieblingsautoren zählen Flannery O'Connor, Gabriel García Marquez, E. L. Doctorow, Thomas Pynchon, Jorge Luis Borges und Julio Cortázar.

Sammlungen von Kurzgeschichten

Boyle hat mehrere Bücher mit Kurzgeschichten publiziert. Sein erstes Buch war die Sammlung von Erzählungen „Descent of Man“ (1979), dt. „Tod durch Ertrinken“ (Üb. Anette Grube), HC: München/Hanser 1995, ISBN 3-446-16074-4 und TB: München/dtv 1997, ISBN 3-423-12329-X). Einige der Geschichten waren schon während seiner Collegezeit, wo er John Irving und Raymond Carver begegnet war, in Zeitschriften wie Esquire oder The Atlantic Monthly erschienen.

  • Greasy Lake and other stories, 1985, dt. Greasy Lake und andere Geschichten (Üb. Ditte u. Giovanni Bandini u. a.), TB: München/dtv 1993, ISBN 3-423-11771-0
  • If the River Was Whiskey, 1989, dt. Wenn der Fluss voll Whisky wär (Üb. Werner Richter), TB: München/dtv 1994, ISBN 3-423-11903-9
  • Without A Hero, 1994, dt. Fleischeslust (Üb. Werner Richter), HC: München/Hanser 1999, ISBN 3-446-19772-9 und TB: München/dtv 2001, ISBN 3-423-12910-7
  • After the Plague, 2001, dt. Schluß mit cool. (Üb. Werner Richter), HC: München/Hanser 2002, ISBN 3-446-20126-2 und TB: München/dtv 2004, ISBN 3-423-13158-6
  • Tooth and Claw, 2005, dt. Zähne und Klauen. (Üb. Dirk van Gunsteren und Annette Grube), HC: München/Hanser 2008, ISBN 978-3-446-20995-4
  • „Der Fliegenmensch und andere Stories“ (Üb. Werner Richter u. a.), TB: München/dtv 2001, ISBN 3-423-62048-X

Daneben brachten der Maro Verlag sowie später die Büchergilde Gutenberg mehrere illustrierte kleine Sammlerauflagen der Reihen „Das tolle Buch“ bzw. „Die tollen Hefte“ mit Kurzgeschichten von Boyle heraus, wobei die älteren Ausgaben inzwischen nur noch antiquarisch erhältlich sind:

  • The Arctic Explorer/Der Polarforscher (Üb. Werner Richter, Maro 1994)
  • I Dated Jane Austen/Mein Abend mit Jane Austen (Üb. Werner Richter, Maro 1996)
  • Rock & Roll Heaven/Der Hardrock-Himmel (Üb. Werner Richter, BG Gutenberg 2001)
  • Swept Away/Windsbraut (Üb. Dirk van Gunsteren, BG Gutenberg 2008)

Die Kurzgeschichte „The Big Garage“ wurde 2007 von Uwe Nagel verfilmt („Die Große Werkstatt“).[3]

T.C. Boyle veröffentlicht abwechselnd jedes Jahr eine Kurzgeschichtensammlung und einen Roman.[4]

Romane

Boyle hat bis 2009 zwölf Romane publiziert. Schon sein erster Roman Water Music (1982) wird zu einem großen Erfolg. Boyle erzählt von zwei Expeditionen ins „Herz der Finsternis“. Der britische Entdecker Mungo Park will unbedingt die Mündung des Niger erreichen und macht sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf den Weg. Trotz mehrfacher Bemühungen scheitert er aber schließlich an den Umständen.

1984 erschien sein Roman „Budding Prospects“ (dt. „Grün ist die Hoffnung“), die Schilderung diverser Widrigkeiten, denen drei geheime Marihuana-Pflanzer in Kalifornien ausgesetzt sind und ihr verzweifeltes Streben, unentdeckt zu bleiben.

Danach erschien „World's End“ (1987), für den er den PEN/Faulkner Award für den besten Roman des Jahres erhielt - ein Querschnitt durch mehrere Phasen amerikanischer Geschichte; „East is East“ (1990), in dem es um einen Japaner geht, der an der Küste von Georgia über Bord seines Frachters springt; The Tortilla Curtain (1995) über mexikanische Einwanderer in den USA. Für diesen Roman erhielt er den renommierten Prix Médicis Étranger.

In „Riven Rock“ (1998) setzt die mutige und frauenbewegte Katherine Dexter alles daran, ihren schizophrenen und sexbesessenen Ehemann von seinen Dämonen zu befreien.

In Ein Freund der Erde (2000), seinem einzigen Science-Fiction-Roman, geht es um das Überleben auf der Erde nach einem Umweltdesaster.

Willkommen in Wellville“ (1993) spielt in einem vom Cornflakes-Erfinder John Harvey Kellogg gegründeten Sanatorium der Reichen in Battle Creek zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In das Sanatorium gerät ein Paar, das sich wegen der aussichtslosen Suche nach wirklich gesunder Ernährung fast verliert. Es erinnert in seinen Grundzügen an Thomas MannsDer Zauberberg“ von 1924.

T. C. Boyles neunter Roman „Drop City“ (2003) setzt zwei ganz unterschiedliche Gesellschaften gegeneinander: Eine Hippiekommune in den ausgeflippten 70ern – Boyle hat hier eigene Erfahrungen (auch mit Drogenkonsum) verarbeitet – und andererseits eine Trappergesellschaft in Alaska, die aus der Zeit der Grenzlanderoberungen übriggeblieben zu sein scheint. Was allerdings beiden gemeinsam scheint, ist die klassische Rollenverteilung: Kochen ist auch bei den Hippies Frauenaufgabe. Als sich die Hippies von Kalifornien in die Einsamkeit Alaskas flüchten, scheinen diverse Katastrophen vorbestimmt. Hier zeigt sich auch wieder Boyles Vorliebe für die Außenseiter der Gesellschaft.

Boyles zehnter Roman „Dr. Sex“ (März 2005, im Original: „The Inner Circle“, Viking Books, 2004) schildert die Geschichte des amerikanischen Sexualforschers Dr. Alfred Charles Kinsey (1894-1956) aus der Sicht der fiktiven Figur John Milk.

Sein elfter Roman wurde 2006 in den USA und Deutschland unter dem gleichen Titel, „Talk Talk“, publiziert. Die Protagonistin ist eine gehörlose junge Lehrerin, die Opfer eines Identitätsdiebstahls wird. Der spannende Erzählbogen hat Züge eines Thrillers. Beeindruckend ist sowohl die Charakterisierung der drei Hauptfiguren wie auch die Schilderung des amerikanischen Rechtssystems.

Im Februar 2009 erschien sein zwölfter Roman „Die Frauen“, zugleich auch in deutscher Übersetzung. Er schildert das Leben des berühmten amerikanischen Architekten Frank Lloyd Wright aus der Sicht eines fiktiven japanischen Assistenten und der vier Frauen, die sein Leben prägten. Angeregt wurde Boyle zu diesem Roman durch den Umstand, dass er seit 1993 in einem „Prairie House“ wohnt, das Frank Lloyd Wright entworfen hatte, und das er behutsam restaurierte.[5][6]

Romane in zeitlicher Reihenfolge

  • Water Music, 1982, dt. Wassermusik (Üb. Werner Richter), HC: Hamburg/Rogner&Bernhard 1987, ISBN 3-8077-0224-5 und HC: Hamburg/Rowohlt 1998, ISBN 3-499-12580-3
  • Budding Prospects, 1984, dt. Grün ist die Hoffnung (Üb. Werner Richter), TB: München/dtv 1993, ISBN 3-423-11826-1
  • World's End, 1987, dt. World's End (Üb. Werner Richter), TB: München/dtv 1992, ISBN 3-423-11666-8
  • East is East, 1990, dt. Der Samurai von Savannah (Üb. Werner Richter), HC: München/Hanser 1992, ISBN 3-446-16211-9 und TB: München/dtv 1995, ISBN 3-423-12009-6
  • The Road to Wellville, 1993, dt. Willkommen in Wellville (Üb. Annette Grube), HC: München/Hanser 1993, ISBN 3-446-17435-4 und TB: München/dtv 1994, ISBN 3-423-11998-5
  • The Tortilla Curtain, 1995, dt. América (Üb. Werner Richter), München 1998, ISBN 3-423-12519-5
  • Riven Rock, 1998, dt. Riven Rock (Üb. Werner Richter), HC: München/Hanser 1998, ISBN 3-446-19477-0 und TB: München/dtv 2000, ISBN 3-423-12784-8
  • A Friend of the Earth, 2000, dt. Ein Freund der Erde (Üb. Werner Richter), HC: München/Hanser 2001 ISBN 3-446-19975-6 und TB: München/dtv 2003, ISBN 3-423-13053-9
  • Drop City, 2003, dt. Drop City (Üb. Werner Richter), HC: München/Hanser 2003, ISBN 3-446-20348-6
  • The Inner Circle, 2005, dt. Dr. Sex (Üb. Dirk van Gunsteren), HC: München/Hanser 2005, ISBN 3-446-20566-7
  • Talk Talk, 2006, dt. Talk Talk (Üb. Dirk van Gunsteren), München/Hanser 2006, ISBN 3-446-20758-9
  • The Women, Viking, New-York 2009, dt. Die Frauen (Üb. Dirk van Gunsteren), München/Hanser 2009, ISBN 3-446-23269-9[7]

Lesungen

T. C. Boyle verbringt viel Zeit mit öffentlichen Lesungen; er sagt über sie, er wolle dem Publikum eine „wirklich gute Show“ abliefern. Im Oktober 2003 und vor allem im Mai 2005 konnte er bei seinen Lesereisen durch Deutschland große Säle wie das Deutsche Theater in Göttingen bzw. das E-Werk in Köln füllen. Im März 2009 wird er erneut in Deutschland sein, um seinen neuen Roman „Die Frauen“ vorzustellen. Er liest ausschließlich auf englisch, meist tritt er jedoch in Begleitung eines deutschen Künstlers oder Journalisten auf, der die von ihm vorgetragenen Passagen auf deutsch wiederholt.

Dialog mit dem Publikum

Wie wenige andere versteht es Boyle, das Internet sowohl für die Vermarktung der eigenen Werke wie auch für den Dialog mit den Lesern – „What's New“ oder „Frequently Asked Questions“ – zu nutzen. Er hat für jedes seiner 16 Bücher eine Einleitung geschrieben.

Zitate

  • Literature can be great in all ways, but it's just entertainment“: Literatur kann in jeder Hinsicht großartig sein, aber es ist einfach Unterhaltung.
  • Comedy is my mode of dealing with tragedy and despair." "Komik ist meine Art, mit Tragik und Verzweiflung umzugehen.
  • Romane sind wie Rockkonzerte: Entweder, du bringst die Leute zum Tanzen, oder sie feuern dir Bierdosen an den Kopf.

Einzelnachweise

  1. Frankfurter Rundschau: Interview mit T.C. Boyle: "Ich bin kein Barbar" Abgerufen am 13. Februar 2009
  2. Frankfurter Rundschau: Interview mit T.C. Boyle: "Ich bin kein Barbar" Abgerufen am 13. Februar 2009
  3. Große Werkstatt, Die (2007)
  4. Frankfurter Rundschau: Interview mit T.C. Boyle: "Ich bin kein Barbar" Abgerufen am 13. Februar 2009
  5. Frankfurter Rundschau: Interview mit T.C. Boyle: "Ich bin kein Barbar" Abgerufen am 13. Februar 2009
  6. Süddeutsche Zeitung Magazin, Heft 7/2009
  7. Frankfurter Rundschau: Interview mit T.C. Boyle: "Ich bin kein Barbar" Abgerufen am 13. Februar 2009

Weblinks


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