Toni Sender

Toni Sender
Toni Sender (vor 1929)

Toni Sender (voller Name: Sidonie Zippora Sender, Pseudonyme: Dora Denis, Elisabeth; * 29. November 1888 in Biebrich; † 26. Juni 1964 in New York) war eine deutsche Politikerin und Journalistin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Am 29. November 1888 wurde Toni Sender in Biebrich (heute: Wiesbaden) als dritte Tochter des Kaufmanns Moritz (Moses) Sender und seiner Frau Marie (geb. Dreyfus) geboren. Ihre Eltern waren beide orthodoxe Juden, ihr Vater war Vorsitzender der jüdischen Gemeinde zu Biebrich. Sie überraschte ihre Eltern damit, daß sie einen Beruf erlernen wollte und verließ nach ihrem Abschluss der Höhere Töchterschule bereits als Dreizehnjährige ihre Familie, um in Frankfurt am Main die private Handelsschule für Mädchen zu besuchen. Sie wollte, wie sie später schrieb, so bald als möglich ökonomisch und damit auch geistig und in ihrer Lebensführung ihr „eigener Herr“ sein. Im Bürgertum war damals Erwerbstätigkeit für Frauen nicht vorgesehen, ihre Berufsperspektive als kaufmännische Angestellte ließ sich gerade noch mit den Kriterien bürgerlicher Anständigkeit vereinbaren.

Schon vor Abschluss der Ausbildung verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt selbst. Sie trat der Büroangestelltengewerkschaft und der SPD bei. Für das Studium der Nationalökonomie verweigert ihr der Vater die damals notwendige Zustimmung. Einige Zeit lebte sie in Paris und engagierte sich bei den französischen Sozialisten. Mit der Ermordung Jean Jaurès’ und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs kehrte sie nach Frankfurt zurück, wo sie zusammen mit Robert Dißmann in ganz Südwestdeutschland Friedensarbeit leistete.

Nach dem Krieg arbeitete sie maßgeblich in der Arbeiterrätebewegung mit und wurde 1919 Abgeordnete der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. 1920 wurde sie für die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) im Wahlkreis Hessen-Nassau in den Reichstag gewählt. Seit 1922 nahm sie ihr Mandat für die SPD wahr. Von 1924 bis 1933 wirkte sie als Reichstagsabgeordnete für den Wahlkreis Dresden-Bautzen mit den Arbeitsschwerpunkten Zoll- und Handelspolitik.

Allein als Redakteurin der Betriebsräte-Zeitschrift des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes verfasste sie bis 1933 fast 420 Beiträge. 1928 wurde ihr zudem die Redaktion der Frauenwelt, einer Illustrierten der SPD, übertragen. Nach offenen NS-Morddrohungen erfolgte am 5. März 1933 ihre Flucht in die Tschechoslowakei. Dort engagierte sie sich sofort im Rahmen der antinazistischen Grenzarbeit in Richtung Sachsen. Auch in Antwerpen war sie im Widerstand gegen das nationalsozialistische Deutschland aktiv und arbeitete eng mit der dortigen 50-köpfigen Exilgruppe des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold zusammen. 1935 wechselte sie in die USA über. Der Pariser Volksfront-Aufruf von Ende 1936 wurde auch von ihr noch mitgetragen, aber nach Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes im Sommer 1939 verabschiedete sie sich von diesen Vorstellungen. In den USA betätigte sie sich ebenfalls in diversen Emigrantengruppen, klärte in zahllosen Vorträgen und Artikeln über die Situation im „Dritten Reich“ auf und widersprach dabei heftig der Kollektivschuld-These. Zeitweilig erarbeitete sie für einen amerikanischen Geheimdienst Berichte und Lageeinschätzungen zu diversen von der Wehrmacht okkupierten Ländern sowie zu Deutschland, wodurch bereits erste Weichen gestellt wurden für die von den Westalliierten beabsichtigte dortige baldige Redemokratisierung.

Sodann arbeitete sie, seit 1943 amerikanische Staatsbürgerin, als Wirtschaftsspezialistin bei der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration), später als Repräsentantin der American Federation of Labor (AFL) bzw. des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen. Sie engagierte sich in der UN-Menschenrechtskommission und der Kommission zur Rechtsstellung der Frau. Besondere Verdienste erwarb sie sich bei der internationalen Bekämpfung und Ächtung der Zwangsarbeit. Sie starb am 26. Juni 1964 in New York an einem Schlaganfall.

Im Jahr 1988 wurde ihr zu Ehren an ihrem Geburtsort die Ausstellung „100 Jahre Toni Sender“ gezeigt. 1992 wurde ihr auch in Frankfurt am Main eine große Ausstellung gewidmet. Seit 1992 verleiht die Stadt Frankfurt den Tony-Sender-Preis zur Förderung von „hervorragenden innovativen Leistungen, die der Verwirklichung der Gleichberechtigung der Geschlechter dienen und der Diskriminierung von Frauen entgegenwirken.“

Werke

  • Toni Sender (Herausgeberin Gisela Brinker-Gabler): Autobiographie einer deutschen Rebellin. Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-596-22044-0

Literatur

  • Tony Sender 1888–1964, Rebellin, Demokratin, Weltbürgerin. Historisches Museum Frankfurt am Main, 1992
  • Anette Hild-Berg: Toni Sender (1888–1964). Ein Leben im Namen der Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit. Köln 1994
  • Martin Schumacher, Katharina Lübbe, Wilhelm Heinz Schröder: M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3. Auflage. Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5183-1. 

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