- Tödliches Quartett
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Das metabolische Syndrom (manchmal auch als tödliches Quartett, Reavan-Syndrom oder Syndrom X[1] bezeichnet) wird heute als der entscheidende Risikofaktor für koronare Herzkrankheiten angesehen. Es geht einher mit vielfältigen Störungen des Stoffwechsels, der Blutdruckregulation sowie einer charakteristischen Fettleibigkeit.
Die Definition des metabolischen Syndroms wurde in den letzten Jahren wiederholt geändert. Eine allgemein akzeptierte Definition gibt es bislang nicht. Die Klassifikation orientiert sich zumeist entweder an der Insulinresistenz (Insulinresistenzsyndrom, WHO-Klassifikation 1999) oder dem Lebensstil (NCEP-ATP-III). Einen weltweit gültigen ICD-10-Code gibt es nicht, in Deutschland erlaubt der DIMDI-Thesaurus die Erfassung mit dem Code E.88.9 "Stoffwechselstörung, nicht näher bezeichnet". Da aber gemäß der Deutschen Kodierrichtlinie (DKR) D004d kein spezifischer Kode innerhalb des ICD-10 Kataloges vorhanden ist, sind die einzelnen Manifestationen innerhalb des G-DRG-Systems zu verschlüsseln.
Die Behandlung zielt meist auf die Therapie der Insulinresistenz oder des Übergewichts ab.
Inhaltsverzeichnis
Diagnostik
Kriterien der WHO
Nach den WHO-Kriterien von 1999 liegt ein metabolisches Syndrom dann vor, wenn folgende Risikofaktoren bestehen:
- Diabetes Mellitus
- Gestörte Glukosetoleranz
- pathologischer Nüchternblutzucker bzw. Insulinresistenz
PLUS zwei der folgenden Parameter:
- Blutdruck ≥ 140/90 mmHg
- Dyslipidämie: Triglyceride > 1.695 mmol/L und HDL ≤ 0.9 mmol/L (bei Männern) bzw. ≤ 1.0 mmol/L (bei Frauen)
- Viszerale Adipositas: Verhältnis von Taillen- zu Hüftumfang > 0,9 (bei Männern) bzw. > 0,85 (bei Frauen) und/oder ein BMI > 30 kg/m2
- Mikroalbuminurie: Albuminurie über ≥ 20 mg/min oder ein Verhältnis von Albumin zu Kreatinin ≥ 30 mg/g
Kriterien der IDF
Häufig angewandt und international anerkannt ist die Definition der International Diabetes Federation.[2] Voraussetzung für das Vorhandensein des metabolischen Syndroms ist hier zunächst der Risikofaktor Adipositas bzw. vielmehr das Vorliegen einer bauchbetonten Adipositas. Bei Männern Taillenumfang ≥ 94 cm, bei Frauen Taillenumfang ≥ 80 cm.
Kommen zum Risikofaktor Adipositas (oder auch Fettleibigkeit) noch zwei der Risikofaktoren
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit, Nüchternblutzuckerwerte von > 110 mg/dl)
- Fettstoffwechselstörung (Triacylglyceride > 150 mg/dl und HDL-Cholesterin < 40 mg/dl bei Männern und < 50 mg/dl bei Frauen)
- Bluthochdruck ( ab > 130 systolisch und > 85 diastolisch)
hinzu, besteht eine deutlich höhere Gefahr, im Laufe des Lebens eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erleiden. In diesem Fall liegt das so genannte "Metabolische Syndrom" vor. Die Risikofaktoren Adipositas, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen und Bluthochdruck werden aus diesem Grund in Fachkreisen auch Kardiometabolische Risikofaktoren genannt.
Kriterien nach NCEP-ATP-III
Nach NCEP-ATP-III wird die Diagnose metabolisches Syndrom gestellt, wenn mindestens drei der folgenden fünf Kriterien erfüllt sind:
- Abdominelle Fettverteilung, bestimmt durch einen Taillenumfang von über 102 cm bei Männern oder über 88 cm bei Frauen,
- Serumtriglyzeride von über 150 mg/dL,
- HDL-Cholesterin von unter 40 mg/dL bei Männern bzw. < 50 mg/dL bei Frauen,
- Blutdruck von 135/85 mmHg oder mehr,
- Nüchternblutzucker von über 110 mg/dL (oder Vorliegen von Diabetes Typ 2).
Die Grenzwerte, vor allem beim Taillenumfang, Blutdruck und Blutzucker wurden in letzter Zeit mehrmals nach unten korrigiert, wodurch auch die Prävalenz (Häufigkeit) des metabolischen Syndroms in Deutschland mehrmals anstieg.
Bauchumfang als Marker
Eine große Rolle für die Definition des metabolischen Syndroms spielt, wie oben bereits angedeutet, ein erhöhter Taillenumfang. Denn für das kardiovaskuläre Risiko ist weniger das Ausmaß des Übergewichts als vielmehr das Fettverteilungsmuster entscheidend: Besonders nachteilig wirken sich hier Fettdepots im Bauchraum und an den inneren Organen aus. Dieses innere Bauchfett – Fachleute nennen es "intraabdominales Fett" oder "viszerales Fettgewebe" – ist sehr stoffwechselaktiv. Es beeinflusst den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel (Zuckerstoffwechsel), so dass Fettstoffwechselstörungen und Diabetes die Folge sein können.
Eine Messung des Bauchumfangs an der Taille gilt als einfacher und schneller Weg, eine erste Risikoeinschätzung vorzunehmen. Ein erhöhtes Risiko liegt laut ATP III für Frauen über 88 cm vor. Bei Männern beginnt der Risikobereich über 102 cm. In Deutschland überschreiten ca. 30-40 % diese Risikoschwelle. Durch die Reduktion des Bauchumfangs (z. B. via Abnehmen durch Sport) kann das Risiko einer Herz-Kreislauf-Erkrankung erheblich reduziert werden.
Bedeutung der Symptome
Insulinresistenzsyndrom, Adipositas (Fettleibigkeit), Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen treten selten unabhängig voneinander auf, stellen aber jeweils für sich erhöhte Risiken für das spätere Auftreten einer koronaren Herzkrankheit (KHK) dar. Die Bedeutung des metabolischen Syndroms über die einzelnen Faktoren hinaus wird aber erst in letzter Zeit untersucht.
Ein spezieller Aspekt des metabolischen Syndroms ist die Insulinresistenz, die als Vorläufer von Diabetes Typ 2 gilt. Die Anzahl der noch nicht entdeckten Diabetiker (Typ 2), die in den nächsten zwanzig Jahren erkranken könnten, wird auf bis zu 40 % der Gesamtbevölkerung geschätzt.
Der veränderte Stoffwechsel durch das metabolische Syndrom und hier besonders den Typ-2-Diabetes war vermutlich evolutionsgeschichtlich ein Selektionsvorteil für Menschen, die früher häufig Hungersnöte überstehen mussten, um zu überleben. Zumindest in den Wohlstandsgesellschaften wirkt sich diese Veranlagung nun unter den Bedingungen ständiger Maximal- oder sogar Überernährung negativ aus.
Erhöhte Blutfette entstehen meistens durch einen genetischen Defekt in der Fettverarbeitung oder durch eine zu hohe Fettaufnahme. Der Anteil von Fetten in der Nahrung sollte (so Ernährungsempfehlungen) nicht mehr als 30 % betragen. Auch unabhängig von den Blutfetten haben Studien ergeben, dass über eine drastische Reduktion von Fettleibigkeit eine Rückbildung der Symptome eines Typ-II-Diabetes bis zum Verschwinden erreicht werden kann. Die Anlage hierzu aber bleibt und kann durch Verschlechterung des Lebensstils wieder zum Tragen kommen.
Ist die Insulinwirkung auf den Blutzuckerspiegel entweder durch einen genetischen Defekt (Bauplan für die Rezeptoren des Insulins) oder aber durch eine Fettstoffwechselstörung reduziert, weil die Zucker (Glucose) aufnehmenden Rezeptoren an den Zellen verändert sind, so versucht der Körper, dies durch eine erhöhte Insulinsekretionsrate auszugleichen. Dies ist noch kein eigentlicher Diabetes, bis zu dessen Ausbruch können noch Jahrzehnte vergehen. Fett und andere in Fett umgebaute Nahrungsbestandteile werden aber durch die Wirkung von Insulin in den Fettzellen gespeichert. Der erhöhte Insulinspiegel verursacht dadurch eine Erhöhung des Körpergewichtes und Ablagerungen in den Gefäßen. Durch diese Faktoren kommt es auch zur Erhöhung des Blutdrucks, sowie einer verminderten Anpassungsfähigkeit der Arteriolen, die sich nicht mehr eng oder weit stellen und damit den Blutdruck regulieren, da sie durch die Ablagerungen nicht mehr elastisch genug sind.
Typ-2-Diabetes tritt nach längerer Phase des metabolischen Syndroms dann in Erscheinung, wenn die Bauchspeicheldrüse nicht mehr in der Lage ist, die verminderte Insulinwirkung durch Mehrausschüttung von Insulin zu kompensieren. Da zwischen dem Beginn dieses Vorgangs (dem metabolischen Syndrom) und dem Auftreten eines Diabetes mellitus Typ 2 mehrere Jahrzehnte vergehen können, ist es wichtig, diese Veranlagung frühzeitig zu erkennen. Die frühzeitige Diagnose einer gestörten Glucoseverarbeitung durch den Körper lässt sich nur mittels einer oralen Glucosebelastung (oraler Glucose-Toleranztest = OGTT) sicher nachweisen.
Insbesondere der aus Kostengründen häufig präferierte „Nüchternzucker“ ist als Frühindikator ungeeignet, da er nur im Falle eines bestehenden Diabetes mellitus auffällig ist. Auch der Summationswert des „HbA1c“ (einer speziellen Fraktion des Hämoglobins, das mit Anstieg auf wiederholt erhöhte Blutzuckerkonzentrationen reagiert) ist nur zur Überwachung einer schon bekannten Zuckerkrankheit geeignet. Der OGTT sollte inzwischen als Frühindikator akzeptiert sein.
Therapie
Nach der Diagnose sollte eine Änderung des Lebensstils erfolgen, um vor allem das vorhersehbare Auftreten des Diabetes möglichst weit hinauszuschieben. Dies erfolgt durch regelmäßige körperliche Aktivität (mindestens eine Stunde pro Tag), Reduzierung des Körpergewichtes bei Übergewicht, Ernährung mit langsam verdaulichen Kohlenhydraten (die zwischen 50-60 % der Gesamternährung ausmachen sollen / Fett: 20-25 % / Eiweiß = Rest ca. 15-20 %) und einer Erhöhung der Insulinwirkung. Hierzu gibt es verschiedene Medikamente. Die Insulin-Sensitizer bewirken dabei eine bessere Ansprechbarkeit der Insulinrezeptoren. In Deutschland sind aus dieser Gruppe Pioglitazon (Actos®) und Rosiglitazon (Avandia®) zugelassen, in Kombination mit Sulfonylharnstoffen oder Metformin.
Literatur
- Toplak, H.: Das Metabolische Syndrom - Beginn des "Tödlichen Quartetts"?, Journal für Kardiologie 2005; 12 (Supplementum C), S. 6-7
- Hoppichler, F.: Das metabolische Syndrom: Epidemiologie und Diagnose, Acta Medica Austriaca 2004; 31/4; S. 130-132
- Prof. M. Hanefeld.: Das metabolische Syndrom: Definitionen, common soil für Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen, Konsequenzen für die Therapie, AdipositasSpektrum 03/2006; S. 7-10
- Einzelnachweise
- ↑ Roche Lexikon Medizin. 5 Auflage. Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, München 2003, ISBN 3-437-15072-3 (Stand: 11.04.2009; Stichwort: Syndrom X).
- ↑ Definition der International Diabetes Federation
Siehe auch
- Waist-hip ratio
- Syndrom X, Krankheitsbild in der Kardiologie
Weblinks
- Tödlicher Überfluss - das Metabolische Syndrom (Artikel bei netdoktor)
- Das metabolische Syndrom ist weiter auf dem Vormarsch
- EU fördert Netzwerk zur Erforschung des metabolischen Syndroms
- Selbsthilfegruppe "Metabolisches Syndrom"
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