Tübinger Schule

Tübinger Schule

Als Tübinger Schule wird eine theologisch-wissenschaftliche Schule evangelischer und katholischer Theologen bezeichnet, die im 19. Jahrhundert an der Universität Tübingen Methoden der Geschichtswissenschaften in die Bibelforschung einführten.

Sie wurde um 1826 vom evangelischen Theologen Ferdinand Christian Baur (1792-1860) begründet und entwickelte die historisch-kritische Betrachtungsweise der Bibel sowie der Kirchen- und Dogmengeschichte. Weitere Vertreter dieser Schule waren David Friedrich Strauss (1808-1874), Johann Tobias Beck (1804–1878), Karl Reinhold von Köstlin (1819 -1894) und Baurs Schüler Eduard Zeller (1814-1908). J.T. Beck lehnte allerdings Baurs spekulative Sichtweise ab und begründete eine biblisch fundiertere Schule, während Albert Schwegler 1841 nach Konflikten mit württembergischen Kirchenbehörden von der Theologie zur Philologie wechselte.


Katholische Theologen mit ähnlicher Forschungsrichtung wie Baur waren Johann Sebastian von Drey (1777-1853), Johann Adam Möhler (1796-1838), Johann Baptist von Hirscher (1788-1865) sowie Franz Anton Staudenmaier (1800-1856) und Johannes von Kuhn (1806-1887). Sie haben sich kontrovers mit F.C. Baur und seinen Schülern auseinandergesetzt, weshalb die katholische Tübinger Schule deutlich von der evangelischen zu unterscheiden ist. Angeregt durch die Philosophie Hegels, befasste sie sich auch mit dem Themenkreis göttliche Offenbarung vs. menschliche Vernunft. Dabei bemühte sie sich um die Einheit von historischer und spekulativer Theologie.


Teilweise werden sogar drei Tübinger Schulen unterschieden:

  1. Ältere Tübinger Schule (evangelisch), begründet bereits von G. C. Storr (1746-1805). Sie vertrat in im Wesentlichen den Kant'schen Supranaturalismus, wonach die göttlichen Offenbarung über aller menschlichen Vernunft steht. Daher hat auch in der Forschung die formale Autorität der Bibel ihren Platz.
  2. Tübinger Schule (katholisch), schon um 1819 von J.S. Drey begründet, von Möhler und Hirscher weiterentwickelt.
  3. Jüngere Tübinger Schule (evangelisch), um 1826 durch F.C. Baur begründet. Im Gegensatz zu (1) tritt sie für eine von dogmatischen Voraussetzungen freie historisch-kritische Theologie ein.

Im 20.Jahrhundert finden die letztgenannten Schulen auch zahlreiche Vertreter unter Naturwissenschaftern und Philosophen, unter anderem von Carl Friedrich von Weizsäcker.

Die evangelische Tübinger Schule stand in einer jahrelangen, heftigen Auseinandersetzung mit ihrem Tübinger Kollegen Heinrich Ewald. Der um einen Ausgleich zwischen orthodoxer und liberaler Theologie bemühte Albrecht Ritschl trennte sich letztlich von der Tübinger Schule.
Um 1860 griff der anglikanische Neutestamentler und Philologe Brooke Foss Westcott (1825-1901) die Methoden Baurs auf und entwickelte eine historisch verschärfte kritische Methode der Bibelforschung.

Quellen


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