Umgebung (Mathematik)

Umgebung (Mathematik)
Eine ε-Umgebung um die Zahl a, eingezeichnet auf der Zahlengeraden.

Umgebung ist ein Begriff der Mathematik, der in der Topologie allgemein definiert wird und auch in weiteren Teilgebieten wie der Analysis verwendet wird. Er ist eine Verallgemeinerung des Begriffs der ε-Umgebung aus der reellen Analysis.

Mathematische Eigenschaften, die auf eine gewisse Umgebung bezogen sind, heißen lokal, im Unterschied zu global.

Inhaltsverzeichnis

Umgebungen in topologischen Räumen

Eine Teilmenge U eines topologischen Raumes (X,\mathfrak{T}) heißt Umgebung des Punktes x\in X, falls eine offene Menge O mit x\in O\subseteq U existiert.

Die Menge aller Umgebungen eines Punktes x bildet einen Filter \mathfrak{U}(x), der Umgebungsfilter von x heißt. Der Umgebungsfilter ist eine Teilmenge der Potenzmenge von X.

Eine Teilmenge \mathfrak{B}(x) von \mathfrak{U}(x) heißt eine Umgebungsbasis von x, wenn jede Umgebung von x ein Element von \mathfrak{B}(x) als Teilmenge hat.

Eine Teilmenge U eines topologischen Raumes X heißt Umgebung der Menge S \subseteq X, falls eine offene Menge O mit S\subseteq O\subseteq U existiert.

Manchmal wird stattdessen gefordert, dass eine Umgebung (eines Punktes oder einer Teilmenge) selbst schon offen ist.

Eigenschaften

Für die Umgebungen gelten folgende Eigenschaften (Querenburg, 1979, S. 20):

  1. Ist U\in\mathfrak{U}(x), so gilt x\in U. (Jede Umgebung eines Punktes enthält den Punkt.)
  2. Ist  U\in\mathfrak{U}(x) und U\subset U'\subset X, so ist auch U'\in\mathfrak{U} (x). (Jede Obermenge einer Umgebung eines Punktes ist wieder Umgebung des Punktes.)
  3. Ist U\in\mathfrak{U}(x) und V\in\mathfrak{U}(x), so gilt auch U \cap V\in\mathfrak{U}(x). (Die Schnittmenge zweier Umgebungen eines Punktes ist wieder Umgebung des Punktes. Damit ist auch die Schnittmenge einer endlichen Menge von Umgebungen eines Punktes wieder Umgebung des Punktes.)
  4. Zu jedem U\in\mathfrak{U}(x) existiert ein V\in\mathfrak{U}(x), so dass U\in\mathfrak{U}(y) für jedes y\in V gilt. (Die Umgebung eines Punktes kann gleichzeitig Umgebung anderer in ihr enthaltener Punkte sein. Im allgemeinen ist eine Umgebung U eines Punktes x nicht Umgebung aller in ihr enthaltenen Punkte, sie enthält aber eine weitere Umgebung V von x, so dass U Umgebung aller Punkte in V ist.)

Ordnet man dagegen jedem Punkt x einer Menge X ein die obigen Bedingungen erfüllendes Mengensystem \mathfrak{U}(x) zu, so gibt es eine eindeutig bestimmte Topologie auf X, so dass für jedes x das System \mathfrak{U}(x) das Umgebungssystem von x ist. Eine Menge ist in diesem Fall genau dann offen, wenn sie mit jedem ihrer Punkte auch eine Umgebung dieses Punktes enthält. (Dieser Satz motiviert die Verwendung des Wortes „offen“ für den oben definierten mathematischen Begriff: Jeder Punkt nimmt seine nächsten Nachbarn in die offene Menge mit, keiner steht anschaulich gesprochen „am Rand“ der Menge.)

ε-Umgebungen in metrischen Räumen

Definition

In einem metrischen Raum (M, d) ergibt sich der Umgebungsbegriff aus der Metrik d: Man definiert die sogenannten ε-Umgebungen. Für jeden Punkt x des Raums M und jede positive reelle Zahl ε wird definiert:


   U_\varepsilon\,(x) := \{\, y \in M \,|\, d\,(x,y) < \varepsilon \,\}

Die so definierte ε-Umgebung von x wird auch offene ε-Kugel um x oder offener Ball genannt.

Eine Teilmenge von M ist nun genau dann eine Umgebung des Punktes x, wenn sie eine ε-Umgebung von x umfasst. Die so definierten Umgebungen erfüllen die oben aufgeführten Axiome 1 bis 4 und bestimmen damit auf der Menge M eindeutig eine Topologie: die durch die Metrik induzierte Topologie. Verschiedene Metriken können denselben Umgebungsbegriff und damit dieselbe Topologie induzieren.

Beispiele

  • Die Menge der reellen Zahlen wird durch den Betrag als Norm zu einem metrischen Raum. Die ε-Umgebung einer Zahl x ist das offene Intervall ]x-ε,x+ε[.
  • Die Menge der komplexen Zahlen wird ebenso zum metrischen Raum. Die ε-Umgebung einer Zahl z ist die offene Kreisscheibe um z vom Radius ε.
  • Etwas allgemeiner tragen alle n-dimensionalen reellen Vektorräume durch den üblichen (von der Quadratnorm induzierten) Abstandsbegriff eine Metrik und damit eine natürliche Topologie. Die ε-Umgebungen sind hier n-dimensionale Kugeln (im geometrischen Sinn) vom Radius ε. Dies motiviert die allgemeinere Sprechweise von ε-Kugeln auch in anderen metrischen Räumen.
  • Ein wichtiges Beispiel aus der reellen Analysis: Der Raum der beschränkten Funktionen auf einem reellen Intervall I wird durch die Supremumsnorm zu einem metrischen Raum. Die ε-Umgebung einer beschränkten Funktion f auf I besteht hier aus allen Funktionen, die f punktweise mit einer kleineren Abweichung als ε approximieren. Anschaulich: Die Schaubilder aller dieser Funktionen liegen innerhalb eines „ε-Schlauches“ um das Schaubild von f herum.

Punktierte Umgebung

Definition

Eine punktierte Umgebung \dot{U}(x) eines Punktes x entsteht aus einer Umgebung U(x)\in \mathfrak{U}(x), indem man den Punkt x entfernt, also

\dot{U}(x) = U(x)\setminus \{x\}.[1]

Punktierte Umgebungen spielen insbesondere bei der Definition des Grenzwerts einer Funktion eine Rolle, ebenso in der Funktionentheorie bei der Betrachtung von Wegintegralen holomorpher Funktionen.

Beispiel

In einem metrischen Raum (M, d) sieht eine punktierte \epsilon-Umgebung folgendermaßen aus:

\dot{U}_\varepsilon\,(x) := \{\, y \in M \,|\, 0< d\,(x,y) < \varepsilon \,\}

Einzelnachweise

  1. Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis. Teil 1. 8. überarbeitete Auflage. Teubner, Stuttgart u. a. 1990, ISBN 3-519-12231-6, S. 236 (Mathematische Leitfäden).

Literatur


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Umgebung — steht: in der Mathematik für ein topologisches Konzept von Nachbarschaft, siehe Umgebung (Mathematik) in der Raumplanung für ein Konzept regionaler Nähe in der Thermodynamik für ein Medium für den Austausch von Materie oder Energie; siehe offenes …   Deutsch Wikipedia

  • Kondensationspunkt (Mathematik) — In der Analysis ist ein Häufungspunkt einer Menge anschaulich ein Punkt, der unendlich viele weitere Punkte in seiner Nähe hat. Ein Verdichtungspunkt einer Folge ist ein Punkt, der Grenzwert einer Teilfolge ist. Beide Begriffe sind eng… …   Deutsch Wikipedia

  • Topologie (Objekt der Mathematik) — Die Topologie (gr. τόπoς tópos „Ort“, „Platz“ und logie) oder Analysis situs, wie sie früher meistens genannt wurde, ist ein Teilgebiet der Mathematik. Sie ist im Wesentlichen eine Schöpfung des 20. Jahrhunderts und trotzdem bereits seit… …   Deutsch Wikipedia

  • Konvergenz (Mathematik) — Eine Folge kann in der Mathematik die Eigenschaft haben, sich mit wachsendem Index immer mehr einer bestimmten Zahl anzunähern. Diese Zahl nennt man Grenzwert oder Limes der Folge. Besitzt eine Folge solch einen Grenzwert, so wird sie konvergent …   Deutsch Wikipedia

  • Stetigkeit (Mathematik) — Die Stetigkeit ist ein Konzept der Mathematik, das vor allem in den Teilgebieten der Analysis und der Topologie von zentraler Bedeutung ist. Eine Funktion heißt stetig, wenn verschwindend kleine Änderungen des Argumentes (der Argumente) nur zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Extrema (Mathematik) — In der Mathematik ist ein Extremwert (oder Extremum; Plural: Extrema) der Überbegriff für lokales und globales Maximum und Minimum. Ein lokales Maximum ist der Wert der Funktion an einer Stelle, in deren Umgebung die Funktion keine größeren Werte …   Deutsch Wikipedia

  • Kompakt (Mathematik) — kompakter Raum berührt die Spezialgebiete Mathematik Topologie Analysis ist Spezialfall von topologischer Raum parakompakter Raum Lindelöf Raum …   Deutsch Wikipedia

  • Kompaktheit (Mathematik) — kompakter Raum berührt die Spezialgebiete Mathematik Topologie Analysis ist Spezialfall von topologischer Raum parakompakter Raum Lindelöf Raum …   Deutsch Wikipedia

  • Diskret (Mathematik) — Diskretheit (lat. discretus „unterschieden“, „getrennt“) bezeichnet allgemein eine räumliche oder zeitliche Trennung von Objekten oder Ereignissen. Ein diskretes Signal besteht aus zeitlich oder räumlich getrennten Teilen, zum Beispiel sind… …   Deutsch Wikipedia

  • Dicht (Mathematik) — Der Begriff der dichten Teilmenge eines metrischen oder topologischen Raumes ist ein mathematischer Fachbegriff und wird in seiner allgemeinen Form im mathematischen Fachgebiet Topologie definiert. Er wird in vielen Teildisziplinen der Mathematik …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”