Unberührbare

Unberührbare
Dalits in Jaipur

Dalit (der Begriff entwickelte sich aus dem Sanskritwort दल् , dal; er wird übersetzt mit zerbrochen, zerrissen, zerdrückt, vertrieben, niedergetreten, zerstört und der zur Schau Gestellte) ist die Selbstbezeichnung der Nachfahren der indischen Ureinwohner, die aus rassistischen Gründen als „Unberührbare“ aus dem Kastensystem der kriegerischen indoarischen Einwanderer bzw. Eroberer bis heute oft ausgeschlossenen sind.

In der westlichen Welt, insbesondere im deutschen Sprachraum, werden sie teilweise auch als Paria bezeichnet; Gandhi nannte sie Harijan (im Westen ungenau als Kinder Gottes übersetzt, eigentlich: „Vishnu-Geborene“). Diese Bezeichnung wurde von den Dalits immer abgelehnt, da sie nicht als schützenswerte Kinder, sondern als gleichberechtigte Menschen und Inder gesehen werden wollen. Der im Westen oftmals gebrauchte Begriff „Kastenlose“ ist unpräzise, da die Unberührbaren durchaus einer Kaste (Jati) angehören, wenn auch keiner Varna.

Jyotiba Phule, der Vater der indischen Sozialrevolution, benutzte das Wort Dalit im späten 19. Jahrhundert für die Opfer des Kastensystems.

Inhaltsverzeichnis

Soziale Lage

Die Zahl der hinduistischen Dalits wird auf über 160 Millionen geschätzt, zusammen mit den muslimischen, buddhistischen und christlichen „Unberührbaren“ sind sie ca. 240 Millionen und damit fast ein Viertel der indischen Bevölkerung. Bis heute erleben sie von Kasten-Indern häufig massive Diskriminierung, teilweise auch Verfolgung und Gewalt. Sie stehen zum Teil außerhalb des Kastensystems oder auf dessen untersten Stufen und werden deshalb als „unrein“ oder „unberührbar“ betrachtet. Besonders in ländlichen Gegenden ist diese Diskriminierung, die im Westen oft als eine Form des Rassismus oder der Sklaverei angesehen wird, bis heute Realität. Dies kann so weit gehen, dass man selbst die Berührung mit ihrem Schatten meidet. Immer wieder werden sie Opfer von Gewalt und Landraub.

1995 wurde mit Mayawati erstmals eine Dalit zur Ministerpräsidentin eines Teilstaats (Uttar Pradesh) gewählt. 1997 wurde mit K. R. Narayanan erstmals ein Dalit zum indischen Staatspräsidenten gewählt. Auch er ergriff Initiativen zur Abschaffung der Kastendiskriminierung.

Befreiungsbestrebungen

Die Verfassung der Republik Indien (Bharat) von 1949 verbietet jede Diskriminierung aufgrund von Kasten. Sie wollte damit jede Form der „Unberührbarkeit“ von Anfang an ausschließen und die Menschenrechte und demokratischen Freiheiten auch für Dalits garantieren. In der Praxis haben die von der indischen Regierung eingeleiteten Schritte zur Überwindung der Ausgrenzung der Dalits allerdings nicht die erhofften Erfolge gezeigt.

Aus Enttäuschung darüber kam B. R. Ambedkar (1891 - 1956), für seine Anhängern Babasaheb, der sich als Anwalt, Politiker und Pädagoge für eine Abschaffung der Kasten einsetzte und ein wichtiger Sprecher der Dalits war, zur Überzeugung, dass nur eine Abkehr vom hinduistischen System den Dalits einen Weg zur gesellschaftlichen Emanzipation öffnen könnte. Unter den Religionen, die die Gleichheit aller Menschen zur Grundlage haben und somit dem System der Kasten ablehnend gegenüberstehen, erschien ihm schließlich der Buddhismus am geeignetsten. So initiierte Ambedkar 1956 eine Massenkonversion von Dalits zu einer von ihm selbst entwickelten und politischen Form des Buddhismus. Auch die indischen Christen rekrutieren sich zu einem hohen Anteil aus Dalits. Allerdings sehen heute viele keine Lösung ihrer Probleme in einer Konversion, da sie auch in anderen Religionsgemeinschaften auf dieselben tradierten Vorurteile treffen. Aber auch im Oktober 2006, zum 50. Jahrestag der großen Konversion, traten wieder Tausende dieser Benachteiligten zum Buddhismus und zum Christentum über, zum Teil in gemeinsamen Zeremonien.

Literatur

  • Brigitte Voykowitsch: Dalits - Die Unberührbaren in Indien. Verlag Der Apfel, Wien 2006, ISBN 3-85450-143-9
  • Johannes Beltz: Mahar, Buddhist and Dalit. Religious Conversion and Socio-Political Emancipation. New Delhi, Manohar 2005, ISBN 81-7304-620-4
  • B. Das, J. Massey (ed.): Dalit Solidarity. Delhi 1995
  • N. Minz: A Search for a Common Ideology. In: J.Massey (ed.): Indigenous People: Dalits - Dalit Issues in Today´s Theological Debate, Delhi 1994

Weblinks


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