- Vorderösterreich
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Vorderösterreich, früher die Vorlande, ist ein Sammelname für die früheren Besitzungen der Habsburger westlich von Tirol und Bayern. Dieser Landesteil der Habsburgermonarchie liegt heute vor allem in der Schweiz, in Vorarlberg, im Elsass, um Belfort, im südlichen Baden-Württemberg und in Bayerisch-Schwaben.
Im ehemaligen Vorderösterreich liegen die ältesten bekannten Besitzungen der Habsburger wie die Burg Habsburg und die Abtei Ottmarsheim. Zwischen dem 13. Jahrhundert und dem Anfang des 19. Jahrhunderts ging die Landesherrschaft im Verlauf von etwa 550 Jahren nach und nach – bis auf Vorarlberg – von den Habsburgern an andere Inhaber über (verschiedene Orte bzw. Kantone der schweizerischen Eidgenossenschaft, Königreich Frankreich, Fürstentümer Bayern, Württemberg und Baden). Vorderösterreich war wie das Erzherzogtum Österreich vom 14. bis in das 19. Jahrhundert Teil des Heiligen Römischen Reiches sowie kurzzeitig des Kaisertums Österreich.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Nach der Verlagerung ihres Besitz- und Herrschaftsschwerpunkts ins Herzogtum Österreich waren die Vorlande ein zerstückeltes und kleinteiliges Anhängsel der Habsburgermonarchie. Scherzhaft sprach man von der „Schwanzfeder des Kaiseradlers“[1]. Durch die Niederlagen von Morgarten 1315 und Sempach 1386 gingen die eigentlichen Stammlande der Habsburger an die Eidgenossen verloren. Hauptteile des österreichischen Schwaben waren nun der Sundgau (südliches Elsass) und der Breisgau. Sitz der Regierung war Ensisheim nahe Mülhausen. Freiburg im Breisgau, das sich 1368 den Habsburgern unterstellt hatte, war die meiste Zeit das geistige und kulturelle Zentrum. 1457 gründeten hier die Habsburger nach Wien ihre zweite Universität, während sich das Archiv im aargauischen Baden befand. Lose mit Vorderösterreich verbunden waren zerstreute Besitzungen in Oberschwaben und im Allgäu, die größte davon war die Markgrafschaft Burgau. Zwischen 1469 und 1474 wurde von Herzog Siegmund ein großer Teil der Vorlande an Herzog Karl den Kühnen von Burgund verpfändet.
Frühe Neuzeit
Bei allen habsburgischen Herrschaftsteilungen im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit kamen die Vorlande an diejenige Linie, die Tirol beherrschte, gehörte damit zu Austria Superior – Oberösterreich, im damaligen Sprachgebrauch – und wurde also immer von Innsbruck aus regiert. 1490 wurde eine Zentralbehörde für Tirol und die Österreichischen Vorlande geschaffen.
Im Dreißigjährigen Krieg brachte die verwitwete Erzherzogin Claudia von Tirol (Claudia de Medici) drei württembergische Herrschaften – die Pfandschaft Achalm, die Pfandschaft Hohenstaufen und das Amt Blaubeuren in ihren Besitz. Von 1640 bis 1648 waren diese Herrschaften vorderösterreichisch. Es gelang dem Kanzler Isaak Volmar jedoch nicht, die Besitzansprüche in den Westfälischen Friedensverhandlungen durchzusetzen, zumal die deutschen Fürsten auf der Seite des Herzogs Eberhard III. von Württemberg standen. Mit dem Westfälischen Frieden fiel 1648 das habsburgische Elsass, hier vor allem der Sundgau, und auch Breisach rechts des Rheins an Frankreich. 1651 wurde daher Freiburg anstelle von Ensisheim Hauptstadt von Vorderösterreich; Sitz der Regierungspräsidenten von Vorderösterreich wurde der Basler Hof. Württemberg erhielt die drei Herrschaften zurück.
Nach den Türkenkriegen wurden viele Bewohner Vorderösterreichs dazu bewogen, sich an den neuen Südostgrenzen des Habsburgerreiches im Königreich Ungarn niederzulassen. Ihre Nachfahren werden Donauschwaben genannt.
Die Reformen der Verwaltung unter Maria Theresia und Joseph II. stießen vielfach auf Ablehnung. Im 18. Jahrhundert wurden einige Gebiete wie Tettnang und das Amt Ortenau erworben und andere, wie die Gemarkung Gersbach im Südschwarzwald, an die Markgrafschaft Baden verkauft.
Um 1780 hatte Vorderösterreich etwa 400.000 Einwohner. Dabei wurde Vorarlberg mitgezählt, das ab 1782 wieder von Innsbruck aus verwaltet wurde.
Verwaltungsgliederung 1790
- Oberamt Breisgau (Verwaltungssitz Freiburg im Breisgau): von Herbolzheim und Triberg im Norden über Breisach, Krozingen und Waldshut bis Laufenburg und Rheinfelden südlich des Rheins inklusive des heutigen Fricktales und am Ostrand des Schwarzwalds (Villingen und Bräunlingen)
- Oberamt Offenburg: nur einige Orte in der Ortenau, die Stadt Offenburg selbst war Freie Reichsstadt
- Oberamt Hohenberg (ehem. Grafschaft Hohenberg): Gebiete am oberen Neckar um den Verwaltungssitz Rottenburg am Neckar (Horb am Neckar, Oberndorf am Neckar) und am Westrand der Schwäbischen Alb (Schömberg, Spaichingen)
- Oberamt Nellenburg (ehem. Landgrafschaft Nellenburg): Gebiete vom Nordwesten des Bodensees (Stockach (Verwaltungssitz), Radolfzell) über das Hegau (Aach) bis zur Donau (Mengen, Herrschaft Gutenstein (siehe Sigmaringen-Gutenstein), Saulgau, Gebiete in der Umgebung von Riedlingen)
- Oberamt Altdorf (ehem. Landvogtei Schwaben) (Verwaltungssitz Weingarten): Gebiete vom östlichen Nordufer des Bodensees über das Schussental (Waldsee) bis zur Ostalb (Schelklingen, die Stadt Riedlingen), außerdem im Westallgäu das Umland der Reichsstadt Leutkirch im Allgäu (Gebrazhofen)
- Oberamt Tettnang (ehem. Reichsgrafschaft Tettnang): ein geschlossenes Gebiet am mittleren Nordufer des Bodensees um Tettnang und Wasserburg am Bodensee, das einen Teil des vormaligen Herrschaftsgebietes der Grafen von Montfort umfasste.
- Oberamt Günzburg (ehem. Markgrafschaft Burgau): neben dem Verwaltungssitz Günzburg weitere Gebiete im heutigen bayrischen Regierungsbezirk Schwaben (Krumbach (Schwaben), Weißenhorn, Burgau, Ziemetshausen) und im heute baden-württembergischen Alb-Donau-Kreis (Ehingen)
- Oberamt Winnweiler: Winnweiler und Umgebung sowie einige Orte südlich von Mainz und um Kirchheimbolanden
- die Stadt Konstanz
Vorarlberg (um 1780 Oberamt Bregenz) ist zu dieser Zeit Teil der Gefürsteten Grafschaft Tirol mit Vorarlberg.
Das Ende von Vorderösterreich
Bereits 1799 verlor Österreich die Gebiete südlich des Rheins. Das Fricktal wurde zunächst französisches Protektorat, 1802 ein eigener Kanton in der Helvetischen Republik, 1803 schließlich ein Teil des Aargaus. Im Pressburger Frieden von 1805 verloren die Habsburger Vorderösterreich vollständig. Die historischen Territorien – vor allem Teile von Bregenz, Günzburg und Weissenhorn – gingen an das neue Königreich Bayern, der Breisgau an das neue Großherzogtum Baden, Rottenburg am Neckar und Horb am Neckar an das Königreich Württemberg, Gebiete bei Sigmaringen an Hohenzollern sowie kleinere Gebiete an das Großherzogtum Hessen (siehe dazu auch: Territoriale Besonderheiten in Südwestdeutschland nach 1810).
In einigen Teilen Vorderösterreichs trauerte man der Zeit der Zugehörigkeit zum Hause Habsburg nach: Die schwäbischen Günzburger beispielsweise konnten erst nach massivem Einwirken der bayerischen Regierung dazu bewogen werden, die österreichischen Farben gegen die bayerischen in ihrem Stadtwappen auszutauschen. Im nahe Günzburg gelegenen Weissenhorn prangt noch heute der österreichische Adler am Stadttor, wie auch in Freiburg i. Br., Breisach am Rhein und Endingen am Kaiserstuhl. In Villingen ziert das Wappen als eines von Dreien die Fassade des alten Rathauses. Der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald führt bis heute die österreichischen Farben im Wappen. 1815, beim Wiener Kongress gab es die Überlegung, auf das Herzogtum Salzburg zu verzichten und stattdessen den Breisgau neu zu erwerben. Dies hätte zwar den Wünschen der Breisgauer entsprochen, die mit einer Delegation auf dem Wiener Kongress vertreten waren und mittels einer Botschaft an den Kaiser von Österreich und den russischen Zaren darum baten, bei Österreich zu verbleiben. Salzburg erwies sich aber als praktischer, weil das österreichische Staatsgebiet dadurch besser arrondiert wurde. Mit dem Wiener Kongress endete nach etwa 550 Jahren faktisch das Bestehen der österreichischen Vorlande. Mit Ausnahme von Vorarlberg verlor das Kaiserreich damit alle anderen Gebiete an das heutige Deutschland und die Schweiz.
Historische Bedeutung
Die historische Bedeutung Vorderösterreichs liegt u.a. darin, dass es – zusammen mit den Besitzungen der Familien Fürstenberg und Hohenzollern sowie einer Anzahl geistlicher Gebiete – für die katholische Prägung der Südhälfte von Baden-Württemberg verantwortlich ist. Architektonische Zeugnisse hierfür sind die vielen großen Klosteranlagen und Kirchen wie etwa die Bauten der Familie Thumb.
Viele Gemeinden und Ortsteile im heutigen Baden-Württemberg führen das österreichische rot-weiß-rote Bindenschild in ihrem Wappen, wie Achern, Altheim (bei Riedlingen), Altenschwand, Altoberndorf, Bergalingen, Biengen, Bierstetten, Birkingen, Bremgarten (Hartheim), Buchenbach, Bußmannshausen, Deilingen, Dietenheim, Ehrsberg, Endingen am Kaiserstuhl, Großherrischwand, Hänner, Herbolzheim, Herten (Rheinfelden), Heimbach (Teningen), Hochdorf (Riß), Höchenschwand, Hochsal, Hogschür, Hohentengen (Oberschwaben), Indlekofen, Kenzingen, Klingenstein (Blaustein), Luttingen, Niederschwörstadt, Oberschwörstadt, Rheinhausen (Breisgau), Rippolingen, Münstertal/Schwarzwald, Oberbergen (Vogtsburg im Kaiserstuhl), Reute (Breisgau), Riedichen, Riedlingen, Rotzel, Schlechtnau, Schönau im Schwarzwald, Schönenberg (Schwarzwald), Tiefenhäusern, Todtnauberg, Weilheim (Baden), Winterstettenstadt, Wyhlen, Zell im Wiesental sowie der Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald und Landkreis Sigmaringen.
Literatur
- Christoph Döbeli: Die Habsburger zwischen Rhein und Donau. 2. Auflage, Erziehungsdepartement des Kantons Aargau, Aarau 1996, ISBN 3-9520690-1-9.
- Volker Himmelein, Franz Quarthal (Hg.): Vorderösterreich, Nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten. Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1999, ISBN 3-88294-277-0 (Katalog der Landesausstellung).
- Franz Kreutter: Geschichte der k. k. Vorderösterreichischen Staaten. Fürstliches Reichsstift, St. Blasien 1790 (Digitalisat 1. Teil, 2. Teil)
- Hans Maier, Volker Press (Hg.): Vorderösterreich in der frühen Neuzeit. Thorbecke, Sigmaringen 1989, ISBN 3-7995-7058-6.
- Friedrich Metz (Hg.): Vorderösterreich. Eine geschichtliche Landeskunde. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. Rombach, Freiburg i. Br. 2000, ISBN 3-7930-9237-2.
- Franz Quarthal: Vorderösterreich. In: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte. 1. Band, 2. Halbband, Seite 587-781. Stuttgart 2000. ISBN 3-608-91948-1 (wissenschaftliche Darstellung)
- Franz Quarthal, Gerhard Faix (Hrsg.): Die Habsburger im deutschen Südwesten. Neue Forschungen zur Geschichte Vorderösterreichs. Thorbecke-Verlag, Sigmaringen 2000. ISBN 3-7995-0124-X
- Dieter Speck: Kleine Geschichte Vorderösterreichs. G. Braun Buchverlag, Karlsruhe 2010, ISBN 978-3-7650-8554-3.
- Andreas Zekorn, Bernhard Rüth, Hans-Joachim Schuster und Edwin Ernst Weber (Hg.): Vorderösterreich an oberem Neckar und oberer Donau. UVK Verlagsges., Konstanz 2002, ISBN 3-89669-966-0 (hrsg. im Auftrag der Landkreise Rottweil, Sigmaringen, Tuttlingen und Zollernalbkreis).
Spiezielles:
- Wolfgang Wüst: Günzburg (Historischer Atlas von Bayern, Teil Schwaben, Reihe I, Band 13) München (Kommission für Bayerische Landesgeschichte) 1983 (betr. Vorderösterreich, Markgrafschaft Burgau). ISBN 3-7696-9933-5.
- Klaus Rommel (Hg.): Das große goldene Medaillon von 1716. (Donativ des Breisgaus, Schwäbisch-Österreich und Vorarlberg zur Geburt Leopolds). Rommel, Lingen 1996, ISBN 3-9807091-0-8.
Weblinks
Commons: Vorderösterreich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Kaiser, Kirche, Untertan - die Habsburger im Fricktal. Sonderausstellung zum Habsburger Gedenkjahr 2008. Fricktaler Museum, Rheinfelden, 2008, abgerufen am 1. August 2008.
- Die Herrschaft zu Österreich. In: Auf den Spuren der Habsburger. Was zwischen 900 und 1815 geschah. habsburg.net, abgerufen am 1. August 2008 (Online-Ausstellung, de, fr, en).
Einzelnachweise
Diverse Lexikoneinträge (Nachweise)
- Franz Quarthal: Vorderösterreich.In: Historischen Lexikon der Schweiz, Bern (Onlinedokument)
- Vorderösterreich. In: Österreich-Lexikon, online auf aeiou.
- Vorlande. In: Österreich-Lexikon, online auf aeiou.
- ↑ Volker Himmelein, Franz Quarthal (Hg.): Vorderösterreich, Nur die Schwanzfeder des Kaiseradlers? Die Habsburger im deutschen Südwesten. Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1999, ISBN 3-88294-277-0 (Katalog der Landesausstellung)
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