- Unsterbliche Partie
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Die sogenannte Unsterbliche Partie ist eine der berühmtesten der Schachgeschichte − und wahrscheinlich sogar die bekannteste Schachpartie überhaupt. Sie wurde am 21. Juni 1851 in London als freie Partie zwischen den Schachmeistern Adolf Anderssen und Lionel Kieseritzky ausgetragen.
Im Verlauf der Partie opferte der Anziehende einen Läufer, beide Türme und die Dame. Schließlich setzte Anderssen mit den ihm verbliebenen drei Leichtfiguren seinen Gegner matt.
Inhaltsverzeichnis
Ursprung und Verbreitung
Ort des Geschehens war das Café Simpson, das führende Schachlokal der britischen Hauptstadt. Beide Gegner waren zuvor während des ersten internationalen Schachturniers, des Turniers zu London 1851, aufeinander getroffen, das vor dem Hintergrund der Londoner Weltausstellung stattfand. Der spätere Turniersieger Anderssen hatte in der ersten Runde seinen in Paris lebenden und aus dem Baltikum stammenden Kontrahenten ausgeschaltet, mit dem er anschließend im Simpson mehrere freie Partien austrug.
Kieseritzky veröffentlichte die Partie, die unmittelbar Aufsehen erregt hatte, bereits im Juli 1851 in seiner Schachzeitschrift La Régence. Im gleichen Monat publizierten Bernhard Horwitz und Josef Kling die Partie in dem Londoner Organ The Chess Player. Der Partieverlauf wird in beiden Quellen unterschiedlich angegeben, insbesondere fehlt bei Kieseritzky der Mattschluss. Die englische Version fand 1852 Eingang in die zweite Auflage des Handbuch des Schachspiels. Im August 1855 analysierte Conrad Bayer die Partie in der Wiener Schachzeitung unter der Überschrift „Eine unsterbliche Partie“. Die Bezeichnung wurde in viele andere Sprachen übernommen (englisch Immortal game).
Laut Kling und Horwitz wurde die Partie abweichend von den modernen Spielregeln mit den schwarzen Figuren eröffnet. Anderssen und Kieseritzky zogen demnach 1.e7-e5 e2-e4 2.f7-f5 usw. In dem parallel stattfindenden Londoner Turnier wurde die Hälfte der Partien mit Schwarz eröffnet. Für die beschreibende englische Notation ergibt dies keinen Unterschied.
Die berühmte Partie und ihre spektakuläre Mattkombination wurden oft reproduziert. Ihr Schluss spielt beispielsweise in dem Science-Fiction-Film-Klassiker Blade Runner eine Rolle. Eine dort gezeigte Zugfolge entspricht der Unsterblichen Partie (in der deutschen Synchronisation wird die englische Notation fehlerhaft übersetzt). Wegen der mehrfachen Figurenopfer und des Mattschlusses eignet sie sich außerdem für Lebendschach-Vorführungen.
Anmerkungen zur Partie
- 1. e2-e4 e7-e5 2. f2-f4
Das Königsgambit. Zu Anderssens Zeiten eine sehr beliebte Eröffnung. Weiß opfert einen Bauern und erhält dafür als Kompensation eine schnelle Figurenentwicklung. Im Laufe der Zeit wurden sehr viele Möglichkeiten für die schwarze Seite entdeckt, dem Angriff von Weiß erfolgreichen Widerstand zu leisten. Heutzutage spielen nur sehr wenige Großmeister diese Eröffnung. Auf höchstem Niveau wagte Ex-Weltmeister Boris Spasski gelegentlich diesen Zug.
- 2. ... e5xf4
Kieseritzky nimmt das Bauernopfer an und stellt damit das Eröffnungskonzept des Weißen auf die Probe. Es gibt auch die Möglichkeit der Ablehnung, z. B. durch 2. ... Lf8-c5.
- 3. Lf1-c4 Dd8-h4+
Das Königsläufergambit erlaubt dieses Damenschach, das den weißen König zu einem Zug zwingt, womit ihm das Recht auf die Rochade verloren geht. Schwarz hat sich diesen Vorteil aber teuer erkauft: Seine Dame kommt nun in Nöte und muss eine Reihe von Zügen dafür aufwenden, vom Königsflügel zu verschwinden.
- 4. Ke1-f1 b7-b5?
Das Bryan-Gambit, benannt nach dem Amerikaner Thomas Jefferson Bryan, einem Schachspieler aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Schwarz opfert seinerseits einen Bauern um zu schneller Entwicklung zu gelangen. Diese Fortsetzung gilt als nicht ausreichend, um die Probleme des Nachziehenden vollständig zu lösen.
- 5. Lc4xb5 Sg8-f6 6. Sg1-f3
Weiß entwickelt seinen Springer und bedroht gleichzeitig die schwarze Dame, die nun ihrerseits ziehen muss.
- 6. ... Dh4-h6 7. d2-d3
Robert Hübner empfiehlt in seiner umfassenden Analyse an dieser Stelle 7.Sc3 für Weiß.
- 7. ... Sf6-h5
Es droht Sg3+.
- 8. Sf3-h4
Bartłomiej Macieja kritisiert diesen Zug und empfiehlt 8. Th1-g1.
- 8. ... Dh6-g5 9. Sh4-f5 c7-c6
Ein Angriff auf den Läufer. Macieja vermutet, dass Kieseritzky den folgenden Zug von Anderssen übersah und empfiehlt hier 9. ... g6.
- 10. g2-g4 Sh5-f6 11. Th1-g1!
Ein geistreiches Figurenopfer, das Schwarz besser nicht akzeptiert hätte.
- 11. ... c6xb5?
Hübner und Macieja gelangen unabhängig voneinander zu dem Schluss, dass die Entwicklung zu vernachlässigen und dieses Opfer anzunehmen falsch war. Beide empfehlen an dieser Stelle 11. ... h5.
- 12. h2-h4
Damit kommt Anderssen seinem Gegner zuvor.
- 12. ... Dg5-g6 13. h4-h5 Dg6-g5 14. Dd1-f3
Anderssen hat zwei Drohungen aufgestellt:
- Lxf4, was die schwarze Dame unpässlich erwischen würde (sie hat kein Feld mehr zur Verfügung),
- e5, was zugleich einen Angriff auf den Springer f6 und den Turm a8 (durch die Dame) bedeutet.
- 14. ... Sf6-g8
Ein trauriger, aber erzwungener Rückzug.
- 15. Lc1xf4
Macieja hält dies für ungenau. Seines Erachtens wäre der Sieg nach 15. Sc3!, mit den Drohungen 16. Lxf4, 16. Sd5 oder 16. Sxb5, schneller zu erreichen.
- 15. ... Dg5-f6 16. Sb1-c3 Lf8-c5
Schwarz entwickelt seinen Läufer mit gleichzeitigem Angriff auf den Turm g1, aber er steht bereits auf verlorenem Posten.
- 17. Sc3-d5
Richard Réti empfiehlt 17. d4! an dieser Stelle und Macieja schließt sich ihm an. Auch 17. Ld6! nebst Sd5 hält der polnische Großmeister für gewonnen.
- 17. ... Df6xb2
Schwarz erbeutet einen Bauern und bedroht den weißen Turm auf a1.
- 18. Lf4-d6
Dieser Zug, der von den meisten Kommentatoren als genial, glänzend und ähnlich betitelt und meist mit zwei Ausrufezeichen geschmückt wird, stößt bei Hübner, Kasparow und Macieja auf Bedenken. Hübner glaubt, es gäbe mindestens drei bessere Züge, die alle zum Sieg führten: 18. d4, 18. Le3 und 18. Te1. Kasparow schließt sich dem deutschen Analytiker an. Macieja setzt nach 18. Ld6 sogar zwei Fragezeichen und analysiert ausführlich den Weg zum Sieg mittels 18. Le3. Der sowjetische Meister Sergei Belawenez (1910-1942) wies im Jahre 1938 nach, dass der Zug 18. Te1 ebenfalls zum Sieg führt.
- 18. ... Lc5xg1?
Bereits 1879 nannte Wilhelm Steinitz 18. ... Dxa1+ als besten Zug für Schwarz mit der Folge 19. Ke2 Db2 20. Kd2 Lxg1. Hübner, Macieja und Kasparow geben nun 21. e5 La6! als forcierte Zugfolge an mit den Varianten:
- 22. Sxg7+ Kd8 23. Dxf7 Kc8 (Hübner und Kasparow) und nach Kasparows Meinung kann Weiß die Stellung remis halten. Macieja hingegen sieht Schwarz in Gewinnstellung nach 23. ... Sh6.
- 22. Sc7+ Kd8 23. Dxa8 (von Hübner und Kasparow angegeben; Macieja analysiert hier lediglich 23. Sxa6) 23. ... Lb6 24. Dxb8+ Lc8 25. Sd5 La5+ 26. Ke3 Dc1+ nebst Dauerschach und remis.
- 19. e4-e5!
Nach diesem "stillen"' Zug ist das Schicksal von Schwarz besiegelt. Anderssen, mit Läufer und Turm materiell im Rückstand, gestattet Kieseritzky nun auch noch seinen anderen Turm mit Schach zu schlagen. Aber der weiße Sieg ist nicht zu verhindern.
- 19. ... Db2xa1+ 20. Kf1-e2
Bei Kieseritzky endet die Notation an dieser Stelle. Einige moderne Autoren haben deshalb die Vermutung geäußert, Schwarz habe zu diesem Zeitpunkt die Partie aufgegeben. Kling und Horwitz berichten jedoch, dass die Partie tatsächlich mit 20. ... Sa6 fortgesetzt wurde und Anderssen daraufhin „in drei Zügen mattsetzte“.
- 20. ... Sb8-a6
Michail Tschigorin machte sich die Mühe, die mögliche Verteidigung 20. ... La6 zu untersuchen. Seine Analysen werden von Macieja nach geringen Ergänzungen als korrekt befunden. Auch 20. ... La6 konnte Schwarz nicht retten, war aber noch das Zäheste in dieser Position.
- 21.Sf5xg7+ Ke8-d8 22.Df3-f6+
Nachdem Anderssen einen Läufer und zwei Türme geopfert hatte, krönt er sein Feuerwerk jetzt mit einem Damenopfer. Matt ist nicht mehr abzuwenden.
- 22. ... Sg8xf6 23. Ld6-e7 matt.
Quellen
Literatur zur Partie (Auswahl)
- Conrad Bayer: „Eine unsterbliche Partie“, in: Wiener Schachzeitung, August 1855, S. 293-297
- Wilhelm Steinitz: The Field, 1879
- Michail Tschigorin: Schachmatni Wjestnik [Der Schachbote], 1879
- Hermann von Gottschall: Adolf Anderssen, der Altmeister deutscher Schachspielkunst, Leipzig 1912
- Richard Réti: Die Meister des Schachbretts, 1930
- Pjotr Romanowski: Mittelspiel, Moskau 1963
- Robert Hübner: ChessBase Magazin 1989 (Ausgabe 11, S.91-99; Ausgabe 12, S.91-98)
- Tomasz Lissowski und Bartłomiej Macieja: Zagadka Kieseritzky'ego [Das Rätsel Kieseritzkys], Warschau 1996
- Garri Kasparow: Moi welikie predschestwenniki [Meine großen Vorgänger], Band 1, Moskau 2003
- Michael Mertineit: "The Immortal Game", frame by frame - film, Hamburg 2006
Siehe auch
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