V.11

V.11

EIA-422, auch als RS-422 und in Europa auch als ITU-T V.11 normiert, ist ein Schnittstellen-Standard für eine leitungsgebundene differentielle serielle Datenübertragung. EIA-422 ist spezifiziert in „Electrical Characteristics of Balanced Voltage Digital Interface Circuits (ANSI/TIA/EIA-422-B-1994) (R2000) (R2005)“.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

EIA-422 spezifiziert nur die elektrischen Eigenschaften des Interfaces, es definiert kein Protokoll und auch keine Steckerbelegung. Es ist vorgesehen, dass die EIA-422 Spezifikation von anderen Spezifikationen referenziert wird. Deshalb existiert keine einheitliche Pinbelegung eines EIA-422-Steckers, so dass bei Verwendung verschiedener EIA-422-Geräte immer die Dokumentation des Gerätes beachtet werden muss.

Im Gegensatz zu der unsymmetrischen seriellen Schnittstelle nach der Norm EIA-232 ist die EIA-422-Schnittstelle als symmetrische Übertragung ausgelegt. Das bedeutet, dass vom Sender zum Empfänger jeweils ein positives und negatives Signal in Form eines verdrillten Leitungspaares erforderlich ist. Damit werden Gleichtaktstörungen minimiert und zugleich höhere Datenraten erzielt als bei der unsymmetrischen Schnittstelle EIA-232. Da beide Leitungen das jeweils zueinander invertierende Sendesignal übertragen, spricht man auch von balanced transmission.

Mit EIA-422 lassen sich zum einen Full-Duplex Punkt-zu-Punkt Verbindungen aufbauen, zum anderen sind auch Multidrop-Netzwerke möglich. Bei einem Multidrop-Netzwerk können bis zu zehn Empfänger an einen Sender angeschlossen werden. Die Übertragung von einem Sender (engl. Transmitter) zu einem Empfänger (engl. Receiver) geschieht über das Leitungspaar nur in eine Richtung, die Übertragung ist unidirektional. Entsprechend benötigt man für eine bidirektionale Datenübertragung neben der gemeinsamen Masse mindestens vier Leitungen: Jeweils ein Leitungspaar für eine Richtung. Will man ein Hardware-Handshake ähnlich wie bei EIA-232 einsetzen, werden entsprechend weitere Leitungspaare benötigt.

Aufgrund der höheren Datenraten bis in den Bereich von einigen MBit/s müssen die Leitungspaare einer EIA-422 Schnittstelle am Empfänger mit einem Abschlusswiderstand von typischerweise 120 Ohm abgeschlossen werden. Entsprechend sind die Empfänger ausgelegt, um kleine Differenzspannungen (von ±200 mV) sicher zu erkennen. Bei einer Punkt-zu-Punkt-Verbindung wie bei der EIA-422 spielt ähnlich der Stromschnittstelle, der Spannungsabfall über der Leitung kaum eine Rolle, lediglich der Spannungsabfall am Abschlusswiderstand nahe dem Empfänger.

Eng verwandt mit EIA-422 ist die Schnittstelle EIA-485. Diese unterscheidet sich nur geringfügig in den elektrischen Parametern von denen der EIA-422-Treiber. Meist können die heute am Markt erhältlichen EIA-422-Treiberbausteine sowohl für EIA-422 als auch für EIA-485 eingesetzt werden. EIA-485 ermöglicht den Aufbau erweiterter Netzwerke; damit sind auch Multipoint-Netzwerke mit mehreren Sendern und Empfängern möglich. EIA-485-Schnittstellen werden wegen der Ähnlichkeit zu EIA-422 daher in Praxis fälschlich oft auch als EIA-422-Schnittstelle bezeichnet, obwohl sie nicht zu 100 % kompatibel sind.

Ein von EIA-422 abgeleitetes Protokoll ist VDCP.

Übersicht über die wichtigsten Spezifikationen
Parameter Wert
Anzahl Sender/Empfänger 1 Sender, 10 Empfänger
Maximale Leitungslänge 1200 m
Maximale Datenübertragungsrate 10 Mbps
Maximale Ausgangsspannung des Senders ±6 V
Maximale Differenzspannung des Senders 10 V
Maximaler Kurzschlussstrom des Senders 150 mA
Minimale Differenzspannung am Empfänger 2 V
Maximaler Spannungsoffset am Empfänger ±3 V
Maximaler Spannungsunterschied für beide Logikzustände 0,4 V
Gleichtakt-Eingangsspannung ±7 V
Minimaler Eingangswiderstand des Empfängers (1 Unit Load) 4 kΩ
Eingangsempfindlichkeit des Empfängers ±200 mV
Minimale Spannungsfestigkeit des Empfängers 12 V (Differenzspannung)
Terminierungswiderstand 90 Ω - 150 Ω

Sender und Empfänger

Polarität

Eine EIA-422 Punkt-zu-Punkt Verbindung

Es führt immer wieder zu Verwirrung, welcher der beiden Anschlüsse der positive und welcher der negative ist. Die Spezifikation enthält auch keinen Negationskreis an den Schaltbildern. Dieser wird aber oft durch die synonyme Verwendung mit EIA-485 von demselben übernommen. Die Spezifikation legt nur fest, wie die Zustände auf der Übertragungsleitung zu benennen sind. Dabei wird von einer ‚1’ (MARK, OFF) gesprochen, wenn A gegenüber B negativ ist. Ist A gegenüber B positiv, wird von einer ‚0’ (SPACE, ON) gesprochen. Diese ‚1’ und ‚0’ Zustände müssen nichts mit denen an den digitalen Ein- bzw. Ausgängen der Sender und Empfänger zu tun haben. EIA-422 definiert keine logische Funktion; diese wird als anwendungsspezifisch angesehen, deshalb können Sender und Empfänger beispielsweise ein Negation enthalten.

EIA-422 Sender

EIA-422 Sender

Der Sender wandelt in der Regel ein digitales Eingangssignal mit TTL-Pegeln in ein Signal gleicher Polarität und ein Signal umgekehrter Polarität um. Grundsätzlich kann das bedeuten, das ein Signal negativer Spannung ausgegeben wird, in der Praxis bedeutet dies lediglich, dass das Eingangssignal negiert wird. Der nicht-invertierende Ausgang mit A (oft: Y), der invertierende Ausgang mit B (oft: Z) bezeichnet.

Die beiden Signalleitungen bilden mit dem Terminierungswiderstand (wenn vorhanden) und dem Eingang des Empfänger einen geschlossen Stromkreis. Der Strom durch diesen Stromkreis ist bis auf die Umschaltmomente konstant und stört somit kaum die eigene Versorgung. Außerdem wird die Masseleitung im Gegensatz zu EIA-232 so durch die Übertragung nicht belastet.

EIA-422 Empfänger

EIA-422 Empfänger

Die Ausgänge A und B das Senders entsprechen den Eingängen A’ (oft: A) und B’ (oft: B) des Empfängers. In der Praxis ist die logische Funktion des Empfängers die Umsetzung des Differenzsignals zwischen A’ und B’ in ein digitales Signal mit TTL-Pegeln. Dabei ist, analog zum Sender, A’ der nicht-invertierende Eingang und B’ der invertierende Eingang.

Der Bereich zwischen +200 mV und -200 mV ist nicht definiert. Bei vielen Receivern sind diese Schaltschwellen mit einer Hysterese versehen, um die Signalerkennung noch zu verbessern. Der große Schwellwert ist fertigungsbedingt. Schnelle Verstärker sind als CFA (current feed back amplifier) aufgebaut und haben im Gegensatz zu VFA (voltage feed back amplifier) aufgrund unterschiedlicher Eigenschaften von NPN- und PNP-Transistoren einen größeren Offset. VFA haben eine symmetrische Eingangsstufe, bestehend aus der gleichen Technologie (z. B. NPN, siehe Differenzverstärker) und haben daher einen kleineren Offset (oder hier Schwellwert genannt).

Die Spezifikation des Empfängers ist identisch mit der des EIA-423 Empfängers.

Empfehlungen

Verschiedene Terminierungen: Einfache, RC- und Failsafe Terminierung

Terminierung

Bei Übertragungsraten ab 200 kbps sollte die Leitung terminiert werden. Dazu wird am Ende der Übertragungsstrecke ein der Impedanz der Leitung angepasster Widerstand angeschlossen. Optional kann der Terminierungswiderstand mit einem Kondensator in Reihe geschaltet werden (RC-Terminierung). Dies vermindert die Verlustleistung der Schaltung, da der Terminierungswiderstand so nur dynamisch wirksam wird. Dabei werden allerdings die maximale Übertragungsrate und die Leitungslänge eingeschränkt. Eine weitere Terminierungsmöglichkeit ist die Failsafe-Terminierung. Hier ist jeweils eine Signalleitung mit einem ein Pull-up- und einem Pull-down-Widerstand versehen, die bei Ausfall des Senders, bei Kabelbruch oder offenem Empfänger für definierte Pegel sorgen.

Leitungslänge vs. Datenrate

Übertragungsrate

Die mögliche Übertragungsrate ist von der Kabellänge abhängig. Die maximale Übertragungsrate von 10 Mbps ist nur mit einer Kabellänge von ca. 12 m möglich, bei der maximalen Leitungslänge von 1200 m ist nur eine maximale Übertragungsrate von etwa 90 kbps möglich. Dies sind Richtwerte, durch geeignete Wahl der Übertragungsleitung und der Schaltkreise lassen sich die Werte erheblich verbessern.

Weitere Empfehlungen

Um eine möglichst gute Datenübertragung zu gewährleisten, sind gewisse Dinge empfohlen und ab bestimmten Datenraten zwingend notwendig.

  • Um möglichst wenig die Umgebung durch elektromagnetische Beeinflussungen (englisch: „electro magnetic interference“, EMI, siehe auch Elektromagnetische Verträglichkeit) zu beeinträchtigen, sollten die jeweiligen Leitungspaare verdrillt (UTP: unshielded twisted pair) sein. Das entstehende Magnetfeld dreht sich so längs der Leitung und hebt sich als Fernfeld nahezu auf. Umgekehrt wird so die Leitung auch robuster gegen äußere EMI.
  • Die mechanische Ausführung der Leitung und die Materialeigenschaften bestimmen die elektrischen Kenngrößen des Übertragungskanals. Eine sehr wichtige Kenngröße ist der Wellenwiderstand, auch Impedanz genannt. Der Übertragungskanal sollte empfängerseitig abgeschlossen sein, damit eine optimale Leistungsanpassung bei minimaler Reflexion gewährleistet ist. Dazu schaltet man einen (ohmschen) Widerstand, auch Abschlusswiderstand oder Terminator bezeichnet, wertemäßig etwa so groß wie der Wellenwiderstand, parallel, das heißt zwischen die korrespondierenden Signalleitungen.
  • Bei hohen Übertragungsraten spielt die Homogenität des Übertragungskanals eine große Rolle. Gibt es auf der Leitung Impedanzsprünge, z. B. durch ungeeignete Stecker oder durch Verlängerung mit einer anderen Leitung, so entstehen an den Übergangsstellen störende Reflexionen. Die Ausbreitung erfolgt ähnlich wie beim Nutzsignal wellenförmig, jedoch in beide Richtungen. Empfängerseitig führen Reflexionen zu Lesefehlern, im schlimmsten Fall zu einer Signalauslöschung.
  • Werden noch höhere Ansprüche an die Übertragung gestellt (wegen höherer Übertragungsraten), wird noch eine weitere kapazitive Schirmung in Form eines Mantels benötigt (STP [shielded twisted pair] z. B. CAT3 bis CAT5 Kabel für Ethernet)
  • Da keine galvanische Trennung existiert, ist es möglich, sowohl NRZ (gleichspannungsfrei) als auch RZ zu übertragen. Die nicht vorhandene Potenzialtrennung hat auch einen Nachteil. Der Empfänger kann das Differenzsignal nur korrekt bestimmen, wenn es innerhalb des Versorgungsspannungsbereiches des Empfängers (von 5 V; z. Zt. eher 3,3 V) liegt. Um allzu große Potenzialverschiebungen zu vermeiden, muss immer eine Signalmasse mitgeführt werden (über den Schirm die Signalmasse miteinander zu verbinden ist nur eine Notlösung).

Siehe auch

EIA-485

Weblinks


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