Vaihinger Stadtbahn

Vaihinger Stadtbahn
Vaihingen (Enz) Nord–Enzweihingen
Strecke der Vaihinger Stadtbahn
Kursbuchstrecke (DB): 773 (bis 2002)
Streckennummer: 9487
Streckenlänge: 7,33 km
Maximale Neigung: 20 
Minimaler Radius: 200 m
Höchstgeschwindigkeit: 50 km/h
Legende
   
Westbahn von Bietigheim-Bissingen
   
0,00 Vaihingen (Enz) Nord 245 m
   
Westbahn nach Bretten (bis 1990)
   
1,4   Kleinglattbach 232 m
   
2,0   Vaihingen (Enz) WEG (ab 1991)
   
2,2   Bogenbauwerk Glattbachtal unter der
   
  SFS Mannheim–Stuttgart (170 m lang)
   
4,2   Vaihingen (Enz) Schlossberg 241 m
   
4,7   Vaihingen (Enz) Stadt 234 m
   
6,6   Spannbeton-Brücke über die Enz (91 m)
   
7,33 Enzweihingen 205 m

Die Bahnstrecke Vaihingen (Enz)–Enzweihingen, zuletzt als Vaihinger Stadtbahn bezeichnet, ist eine stillgelegte Nebenbahn in Baden-Württemberg. Die 7,33 Kilometer lange normalspurige Eisenbahnstrecke verband die Stadt Vaihingen an der Enz und ihren Stadtteil Enzweihingen mit dem Bahnhof Vaihingen (Enz) Nord. Dieser liegt im Ortsteil Kleinglattbach, an der zwischenzeitlich verlegten Trasse der Württembergischen Westbahn von Stuttgart nach Bruchsal.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Der Name „Vaihinger Stadtbahn“ rührt daher, dass sich die Bahnlinie seit der Eingemeindung von Enzweihingen nach Vaihingen im Jahr 1971 ausschließlich auf Gemarkung letzterer befindet. Die Strecke führt die offizielle Streckennummer 9487, die Verbindungsbahn zwischen der Westbahn und dem Bahnhof Vaihingen (Enz) Nord trägt die Nummer 4843. Hier folgt die Kilometrierung dem früheren Verlauf der Westbahn. Vor der Einstellung des Betriebs im Jahr 2002 war sie im Kursbuch zuletzt unter der Nummer 773 verzeichnet gewesen.

Geschichte

Bau und Planung der Strecke

Ehemaliges Empfangsgebäude des Bahnhofs Enzweihingen

Nachdem die Westbahn von Stuttgart nach Bruchsal im Jahr 1853 eröffnet worden war, beklagte sich die damalige Oberamtsstadt Vaihingen darüber, außen vor geblieben zu sein. Um die Stadt zunächst halbwegs zu befriedigen, wurde der nächstgelegene Bahnhof Sersheim 1863 in „Vaihingen-Sersheim“ umbenannt. Aber auch diese Bahnhofsumbenennung änderte nichts an der Tatsache, dass die Stadt, die eisenbahnmäßig außer Acht geblieben war, dadurch eine Abwanderung ihrer Arbeitskräfte befürchten musste und eine Neuansiedlung von Gewerbegebieten verhindert wurde. Deshalb bildete sich im November 1889 ein sogenanntes „Eisenbahnkomitee“, das sich für einen Eisenbahnanschluss von Vaihingen einsetzen sollte. Nachdem verschiedene Varianten diskutiert worden waren, einigte man sich auf eine Verbindungsbahn vom Bahnhof Vaihingen-Sersheim nach Vaihingen Stadt.

Das in Berlin ansässige Unternehmen „Artur Koppel“ wurde daraufhin mit dem Bau der Strecke beauftragt. In Abstimmung mit dem bereits erwähnten Eisenbahnkomitee schlug die Firma allerdings vor, die Strecke nicht bereits in Vaihingen enden zu lassen, sondern bis zur damals selbständigen Gemeinde Enzweihingen durchzubinden. Die zwischenzeitlich gegründete Württembergische Eisenbahn-Gesellschaft (WEG) schloss am 15. Dezember 1900 mit der Stadt Vaihingen und der Gemeinde Enzweihigen daraufhin einen Vertrag über die Kostenbeteiligung der Strecke. Die WEG übernahm daraufhin im Gegenzug Bau und Betrieb der geplanten Nebenbahn. Die Konzession erhielt die WEG am 20. Juli 1902, der erste Spatenstich erfolgte allerdings erst am 20. Oktober 1903.

Eröffnung und Folgejahre (1904−1945)

Lokschuppen der Endstation Enzweihingen
Bahnhof Vaihingen (Enz) Nord. Früher verlief hier auch die Württembergische Westbahn

Die Strecke wurde schließlich am 16. Oktober 1904 eröffnet. In den Anfangsjahren verlief der Betrieb sehr positiv. Während des Bahnbaus hatte eine Firma in der Nähe der Bahnstrecke ein Muschelkalklager entdeckt, wodurch letztlich ein Steinbruch eingerichtet wurde, so dass nur ein Jahr nach Streckeneröffnung bereits ein erstes Anschlussgleis errichtet wurde. In der Folgezeit siedelten sich zahlreiche Industriebetriebe in Vaihingen an, wodurch weitere Anschlussgleise entstanden und die Strecke ein großes Verkehrsaufkommen bekam. Der Ausgangsbahnhof „Vaihingen-Sersheim“ wurde im Jahr 1906 schließlich in „Vaihingen (Enz) Staatsbahnhof“ umbenannt. Aufgrund der sehr guten Nachfrage im Personenverkehr traf die WEG mit den Königlich Württembergischen Staats-Eisenbahnen (K.W.St.E) eine Vereinbarung, die vorsah, die Züge bis nach Bietigheim durchzubinden. So wurden ab 1906 von insgesamt sieben Zugpaaren drei bis nach Bietigheim durchgebunden.

Nach dem Ersten Weltkrieg und der dadurch bedingten schlechten Lage der Wirtschaft stagnierte der Verkehr allerdings. 1928 ließ die Reichsbahndirektion Stuttgart die Durchbindung der Personenzüge bis nach Bietigheim nicht mehr zu, ohne für die Entscheidung Gründe anzugeben. Der Steinbruch, der bisher bedeutendste Kunde im Güterverkehr, war 1939 erschöpft. Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs gab es zwar Pläne, dort eine Anlage zur Herstellung von V-Waffen zu errichten, diese wurden jedoch nicht in die Tat umgesetzt. Ab 1. April 1945 wurde der Streckenbetrieb für ein Jahr lang eingestellt.

Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg (1945−1995)

Bahnsteig des Haltepunkts Vaihingen (Enz) WEG mit anschließender Überführung der SFS

Erst am 2. Mai 1946 wurde der Verkehr wieder aufgenommen. Allerdings mussten die Züge zunächst rund 800 Meter westlich des Endbahnhofs Enzweihingen an einem provisorischen Bahnsteig enden, da die Enzbrücke im Zweiten Weltkrieg gesprengt worden war. Nachdem der Ausgangspunkt der Strecke 1923 in "Vaihingen (Enz) Reichsbahnhof" umbenannt worden war, erhielt er 1950 mit "Vaihingen (Enz) Nord" seinen endgültigen Namen. Zur selben Zeit wurde eine parallele Omnibuslinie eingerichtet, die der Bahnlinie Konkurrenz machte, sodass der Personenverkehr am 19. Mai 1951 eingestellt wurde. Da der Schülerverkehr in Vaihingen in der Folgezeit aber immer weiter zunahm, entschloss sich die WEG dazu, den Öffentlichen Personennahverkehr, der bisher mit Dampfzügen betrieben worden war, ab 1. Juni wieder aufzunehmen, diesmal allerdings mit Dieseltriebwagen. Im Zuge der Eingemeindung von Enzweihingen nach Vaihingen Anfang der siebziger Jahre wurde die Bahnlinie im Volksmund auch als „Vaihinger Stadtbahn“ bezeichnet, da sie seither ausschließlich auf der Gemarkung von Vaihingen verlief.

In Zusammenhang mit dem Bau der Schnellfahrstrecke Mannheim–Stuttgart wurde die Westbahn zwischen Illingen und Sersheim nach Süden verlegt. Dabei nahm die Deutsche Bundesbahn den neuen Bahnhof Vaihingen (Enz) als Knotenpunkt zwischen Westbahn und Neubaustrecke in Betrieb, der deutlich näher zur Stadt als der bisherige Bahnhof „Vaihingen Nord“ liegt. Der neue Bahnhof entstand an der Stelle, an der die Neubaustrecke die Vaihinger Stadtbahn mittels des 170 Meter breiten "Bogenbauwerks Glattbachtal"[1] überquert. Am 7. Januar 1991 wurde daher der Haltepunkt „Vaihingen WEG“ als neuer Umsteigepunkt zur DB eingerichtet. Allerdings verkehrten die Züge weiterhin bis zum ehemaligen DB-Bahnhof „Vaihingen Nord“.

Stilllegung im Jahr 2002 und Zukunft der Strecke

T 04 im Jahr 2002 auf der Enzbrücke
T 04, Stammfahrzeug der Stadtbahn bis zur Betriebseinstellung

Der Personenverkehr wurde zuletzt ausschließlich durch den WEG-Dieseltriebwagen T 04 abgewickelt, der im Volksmund auch als „Bembele“ bezeichnet wurde. Dieser in den 1920er-Jahren gebaute Dieseltriebwagen war zu diesem Zeitpunkt das älteste Fahrzeug, das im regulären Personenverkehr in Deutschland eingesetzt wurde und war für die Stadtbahn im hügligen Gelände genügend stark motorisiert. In der Folgezeit dünnte die WEG den Fahrplan weiter aus. So strich sie den gesamten Wochenendverkehr, sodass Personenverkehr zuletzt nur werktags abgewickelt wurde. Er diente zuletzt hauptsächlich dem Schülerverkehr. Aus diesem Grund wurde der ÖPNV teilweise sogar nur noch an Schultagen abgewickelt.

Im Jahr 2001 wurden rund 50.000 Fahrgäste (größtenteils Schüler) und 26.000 Tonnen Güter zwischen Vaihingen Nord und Enzvaihingen im eigenwirtschaftlichen Verkehr befördert. Montags bis freitags wurden vier Zugpaare im Personenverkehr angeboten. Im Zuge des Programms MORA C kündigte die Deutsche Bahn den Vertrag zur Bedienung des Übergabebahnhofs Vaihingen Nord. Die WEG kündigte daraufhin an, den Betrieb zum Fahrplanwechsel am 15. Dezember 2002 einzustellen, da mit der fehlenden Weiterbeförderungsmöglichkeit der Güterwagen die Grundlage für einen wirtschaftlichen Betrieb der Strecke entzogen worden sei.[2]

Nachdem auch Pläne eines durchgehenden Personenverkehrs nach Bietigheim-Bissingen keine Erfolgsaussichten mehr boten, stellte die WEG den Gesamtverkehr am 13. Dezember 2002 ein. DB Cargo bediente jedoch bis zum 15. August 2003 noch einen Betrieb in Vaihingen. Nun will die Stadt Vaihingen die Strecke übernehmen, um den Güterverkehr für die örtliche Industrie zu gewährleisten, allerdings sind viele Anschlüsse bereits abgebaut. Der Kauf beinhaltet die Strecke sowie die Bauwerke entlang der Strecke: Bahnhöfe, Übergänge, Brücken, Lokschuppen, etc. Die Anbindung an das Streckennetz der DB AG wird ebenfalls übernommen. Auf die WEG entfallen zehn Hektar Land, auf die DB AG zwei Hektar Land. Der Kaufpreis liegt bei circa 400.000 Euro. Über das Gebiet der Bushallen in Enzweihingen wird noch separat mit der KVG (Busgesellschaft der WEG) verhandelt.

Anfang 2008 gibt es Bestrebungen der Eisenbahn-Service-Gesellschaft mbH (ESG) aus Bietigheim die Strecke für den Güterverkehr in Kooperation mit der DB-Tochter DB Schenker Rail zu nutzen. Beabsichtigt ist der Einbau von drei neuen Weichen im Bahnhof Vaihingen (Enz) Nord, um den Verkehr besser abwickeln zu können. Allerdings wird für den ÖPNV auf der Strecke keine Möglichkeit gesehen. Die Option eines Museumsbetriebs soll zumindest bis zum Stadtbahnhof weiter offen gehalten werden.[3]

Die Initiative Fahrradbahn Vaihingen brachte ein Bürgerbegehren auf dem Weg.[4] Sie forderte den Abriss der Gleisstrecken und dafür die Errichtung eines Bahntrassenradwegs. Der Gemeinderat lehnte dies ab, woraufhin ein Bürgerentscheid stattfinden musste. Das Vorhaben wurde kontrovers, auch innerhalb vieler Parteien, diskutiert. Neben den geschätzten Kosten von rund anderthalb Millionen Euro, wurde auch befürchtet, dass kein Bahnbetrieb auf dieser Strecke mehr möglich ist. Einige Gegner hofften, die S-Bahn Stuttgart von Bietigheim-Bissingen her bis nach Enzweihingen zu verlängern. Die Befürworter entgegneten, dass dies unrealistisch sei. Sie hoben die Funktion des Fahrradwegs als Schulweg, touristische Attraktion und als schnelle Verbindung zum örtlichen Fernbahnhof hervor. Am 27. September 2009 lehnte die Mehrheit der Bürger die sogenannte Fahrradbahn ab.[5]

Literatur

  • Burkhard Beyer: Die "Stadtbahn" ist am Ende. Württembergische Eisenbahngesellschaft. In: Lok Magazin. Nr. 255, GeraNova, München 2002, ISSN 0458-1822, S. 20ff.
  • Hermann Bürnheim: Württembergische Eisenbahn-Gesellschaft. Die Geschichte einer bedeutenden Privatbahn. 1. Auflage. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1986, ISBN 3-613-01145-X.
  • Hans-Wolfgang Scharf: Die Eisenbahn im Kraichgau. Eisenbahngeschichte zwischen Rhein und Neckar. EK-Verlag, Freiburg (Breisgau) 2006, ISBN 3-8825-5769-9.
  • Gerd Wolff, Hans-Dieter Menges: Deutsche Klein- und Privatbahnen. Band 3: Württemberg. EK-Verlag, Freiburg 1995, ISBN 3-88255-655-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Günter Dutt: Ein Streifzug durch 150 Jahre Tunnelbauwerke in Württemberg. In: Jahrbuch für Eisenbahngeschichte. Nr. 28, Uhle & Kleimann, Lübbecke 1996, ISSN 0340-4250, S. 47–63.
  2. Meldung Wenn die DB (nicht) will. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 11/2002, ISSN 1421-2811, S. 490.
  3. http://www.vkz.de/de/heute/redaktion/archiv/lokal/januar-2008/16/trassen-arbeitskreis-in-planung
  4. Offizielle Homepage der Initiative
  5. Ergebnis der Abstimmung
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