- Vajrakila
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Ein Phurba (Auch: phurpa, phurbu oder phurpu; sanskrit: kila(ya)) ist ein dreiseitiger, einem Dolch oder Nagel ähnelnder Ritualgegenstand, der in schamanistischen Traditionen der Himalaya-Region, sowie im Buddhismus in Tibet und im Bön verwendet wird. Die mit dem Gegenstand assoziierte Gottheit beziehungsweise der Yidam wird Dorje Phurba oder Vajrakila(ya) genannt.
Inhaltsverzeichnis
Bedeutung
Der Phurba ist einer von vielen ikonografischen göttlichen Attributen (tib.: phyag mtshan[1]) die bei Vajrayana- und Hindu-Gottheiten zu sehen sind. Wenn ein Phurba gesegnet und für den Gebrauch gebunden wird, gilt er als Nirmanakaya-Form des Dorje Phurba (tib.: sprul pa[2]) oder Vajrakilaya. Er wird entweder dazu verwendet um damit in die Erde zu stechen, oder auch - wie es in den schamanistischen Traditionen des Himalaya üblich ist - senkrecht in einen Korb oder Behälter mit Reis bzw. anderem weichen Getreide (sofern der Phurba aus Holz ist). Hierbei stellt man sich den Phurba als Weltachse vor. Bei nepalesischen Schamanen wird eher die Vorstellung des Weltenbaums erzeugt.
Eine besondere Rolle spielt der Phurba etwa bei der Kennzeichnung eines geeigneten Gebetsplatzes (vgl. Puja), wobei ihn aber nur eine in die Verwendung eingeweihte oder ermächtigte Person benutzen darf. Der energetische Aspekt ist dabei kämpferisch, zornvoll, festnagelnd, durchbohrend.
Besonders die hölzernen Phurbas werden des Weiteren in schamanistischen Heilritualen eingesetzt, wobei die energetische Arbeit im Sinne einer Harmonisierung der Energien im Vordergrund steht.
Häufig sind auf der Klinge eines Phurba zwei in sich verschlungene Nagas abgebildet, was an einen Äskulap- oder Hermesstab erinnert. Alle Energien, die unvereinbar und abgesondert erscheinen, sollen durch den Phurba vereint werden.
Herstellung
Material
Ein Phurba kann aus verschiedenen Materialien oder Material-Komponenten hergestellt sein. Darunter finden sich Holz, Metall, Ton, Knochen, Edelsteine, Horn und Kristall.
Tibetische Phurbas werden wie die meisten tibetischen Werkzeuge oder Instrumente für gewöhnlich aus Messing, Eisen (im Speziellen auch Meteoriten-Eisen, tib.: gnam lcags) oder weniger häufig aus Kupfer hergestellt.
Der Knauf
Der Knauf eines Phurba zeigt Dorje Phurba häufig mit drei Gesichtern. Eines davon ist freudvoll, eines friedlich und eines zornig. Er kann durch einen Ashtamangala-Schirm (tib.: gdugs; skt.: Chattra) oder eine Pilzmütze, einen Yidam wie beispielsweise Hayagriva[3], einen Schneelöwen, einen Chörten oder ähnlichen Symbolen abgeschirmt sein.
Der Griff
Der Griff sieht oft einem Vajra (siehe auch Dorje), beziehungsweise Web- oder Knüpfwerk ähnlich. Er enthält wie der Knauf und die Klinge immer auch ein dreieiniges Motiv.
Die Klinge
Die Klinge besteht für gewöhnlich aus drei dreieckigen Facetten oder Flächen, die sich an der Spitze treffen. Dies soll die Macht der Klinge, die drei Gifte transformieren zu können, symbolisieren.
Verwendung
Als ein Werkzeug des Exorzismus soll ein Phurba dazu verwendet werden, Dämonen oder Gedankengebilde abzuwehren, so dass ihre Geistesströmung umgewandelt und die ihnen eigene geistige Verdunkelung (oder Verschleierung) beseitigt werden kann. Eine weitere Verwendung ist das Binden und Niederhalten negativer Energien einer Entität, eines Gedankengebildes, einer Person oder der Projektion einer Personengruppe, um die Umgebung dadurch zu reinigen (Purification).
Dorje Phurba kann als die dem Phurba innewohnende zerstörerische (im Sinne einer Beendigung und Befreiung) Kraft gegen Gier (Tanha) (tib.: sred pa[4]) , Anhaftung (Upadana) (tib.: len pa[5]) und Unwissenheit (Avidya) (tib.: ma rig pa[6]) gesehen werden. Gier , Anhaftung und Unwissenheit sollen durch die drei Seiten der Klinge eines Phurba gebunden und durch die Spitze umgewandelt werden. Der Knauf eines Phurba kann vor dem Gebrauch gesegnet werden. Er sollte daher niemals als physische Waffe gesehen oder verwendet werden, sondern als ein spirituelles Hilfsmittel. Ein Beiname oder Epitheton des Phurba ist Diamantener Dolch der Leerheit.
Verschiedene kulturelle Bezüge
Um mit den Geistern und Dämonen der Erde, des Landes und des Ortes arbeiten zu können, haben die indigenen Völker der mongolisch-mandschurischen Steppe[7] sie festgenagelt. Obwohl der Phurba zwar mit dem indischen Vajrakilaya assoziiert wird, hat er auch Bezug zu den Heringen der Zelte der Steppennomaden. Das In-Die-Erde-Stechen mit einem Phurba kann mit dem Ritus einer Grundsteinlegung verglichen werden. Es ist eine alte schamanistische Idee, die in der ganzen Region weit verbreitet ist und im Bön und den Vajrayana-Traditionen ebenso gefunden werden kann. Nach alten schamanistischen Mythen werden beispielsweise auch Berge als große Heringe angesehen, die die Erde an ihrem Platz halten sollen. Der Berg Amnye Machen sei (der Folklore zufolge) etwa eigens zu diesem Zweck aus einem anderen Land gebracht worden. Als eine Weiterentwicklung dieser Tradition können die Chörten (vgl. Steinmännchen) angesehen werden.
Ikonografische Darstellung Dorje Phurbas
Eine verbreitete Darstellung Dorje Phurbas (Vajrakilayas) als Einzelgestalt zeigt die Gottheit mit drei Köpfen, sechs Armen und vier Beinen. Seine drei rechten Hände mit Ausnahme der ersten Hand im Vordergrund halten Vajras mit fünf und neun Speichen. Die rechte Hand im Vordergrund wird mit offener Handfläche in einer Mudra dargestellt als würde sie Segen gewähren. Seine drei linken Hände halten drei flammende wunscherfüllende Juwelen (vgl. Drei Juwelen), einen Dreizack und einen Phurba. Der Rücken Dorje Phurbas ist mit der frisch abgezogenen Haut eines Elefanten bedeckt - was Unwissenheit symbolisiert - deren Füße nach vorne zeigen. Quer über seiner Brust sieht man eine menschliche Haut, deren Hände auf seinem Bauch liegen. Er trägt eine Kette mit mehreren Köpfen, die daran an ihren Haaren aufgehängt sind. Ferner trägt er einen knielangen Lendenschurz. gegürtet mit einer Tigerhaut einschließlich Kopf, Klauen und Schwanz. Er trägt Naga-Ohrringe, Armreifen und Fußketten. Die Gesichter Dorje Phurbas sind rundlich und ziemlich klein verglichen mit seinem Körper. Trotz seiner großen Fangzähne und seinen hervorquellenden Augen in seiner zornvollen Erscheinung wird er als gütig, wohlwollend und mildtätig betrachtet. Viele Darstellungen zeigen Dorje Phurba auch Yab-Yum mit seiner Gefährtin Dorje Phagmo (sanskrit: Vajravarahi). Eine weitere Bezeichnung für Dorje Phurba ist Vajrakumara.[8]
Spiel und Film
- In dem japanischen Videospiel Suikoden wird ein Phurba als Waffe verwendet.
- In dem amerikanischen Actionfilm Shadow und der Fluch des Khan kommt ein Phurba als lebender Dolch vor.
- In der amerikanischen Komödie Auf der Suche nach dem goldenen Kind kommt ebenfalls ein stilisierter Phurba vor.
Weblinks
- Literatur von und über Phurba im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- The Vajrakilaya Puja At Sakya Centre In Rajpur (Sakya)
- Dzongsar Khyentse Rinpoche on the practice of Vajra Kilaya (Khyentse Norbu)
- rigpawiki.org: Vajrakilaya
- berzinarchives: Constructive, Destructive, and Unspecified Phenomena
Einzelnachweise
- ↑ rywiki.tsadra.org: phyag mtshan (Übersetzungsmöglichkeiten ins Englische)
- ↑ rywiki.tsadra.org: sprul pa (u.a. Übersetzungsmöglichkeiten ins Englische)
- ↑ Dharmapala Thangka Centre: Ein Hayagriva Phurba
- ↑ rywiki.tsadra.org: sred pa (Übersetzungsmöglichkeiten ins Englische)
- ↑ rywiki.tsadra.org: len pa (Übersetzungsmöglichkeiten ins Englische)
- ↑ rywiki.tsadra.org: ma rig pa (Übersetzungsmöglichkeiten ins Englische)
- ↑ Mongolian-Manchurian grassland WWF
- ↑ Dharmapala Thangka Centre: Vajrakumara / Vajrakila (Thangka)
Literatur
- Beer, Robert: The Encyclopedia of Tibetan Symbols and Motifs. Serindia Publications, London, 1999, p. 245-249.
- Hummel, Siegbert: The Lamaist Ritual Dagger (Phur bu) and the Old Middle Eastern ´Dirk Figures`”. Translated by G. Vogliotti. The Tibet Journal, vol. 22, no. 4, p. 23-32.
- Lumir, Jisl: “Ein Beitrag zur Ikonographischen Deutung der Tibetischen Ritualdolche“. Annals of the Naparstek Museum, no. 1, Prague, 1962, p. 77-83 and tables 15-16.
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