Vergleichswertverfahren

Vergleichswertverfahren

Das Vergleichswertverfahren ist ein Verfahren zur Wertermittlung von Immobilien (§ 13 Wertermittlungsverordnung -WertV). Nach diesem Verfahren wird der Marktwert eines Grundstücks aus tatsächlich realisierten Kaufpreisen von anderen Grundstücken abgeleitet, die in Lage, Nutzung, Bodenbeschaffenheit, Zuschnitt und sonstiger Beschaffenheit hinreichend mit dem zu vergleichenden Grundstück übereinstimmen. Der optimale Fall ist der direkte Vergleich: Ein benachbartes Grundstück gleichartiger Lage, Größe, Nutzung usw. wurde gestern zu Marktpreisen verkauft. Dieser Fall ist jedoch in der Praxis eher die Ausnahme. Meist wird daher im Regelfall das indirekte Vergleichwertverfahren verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Grund und Boden

Bezüglich des Grund und Boden basiert das indirekte Vergleichswertverfahren auf der Kaufpreissammlung der Gutachterausschüsse (in Deutschland sind Grundstückskaufverträge stets notariell zu beurkunden, wobei eine Kopie des Kaufvertrages dem Gutachterausschuss zugeht). Hierzu kann beim Gutachterausschuss Einblick in die anonymisierte Kaufpreissammlung genommen werden. Eine sichere Beurteilung ist nur bei ausreichender Zahl von hinreichend geeigneten vergleichbaren Käufen (mind. 10, besser 20 oder 30) möglich.

Ein anderer Weg ist die Nutzung der Bodenrichtwerte, welche die Gutachterausschüsse empirisch aus der Kaufpreissammlung ableiten. Diese werden für größere Städte in Form von Bodenrichtwertkarten für bestimmte Lagen abgeleitet, wobei im Regelfall Art und Maß der baulichen Nutzung sowie die der Wertableitung zugrunde liegende durchschnittliche Grundstücksgröße angegeben ist. Zumindest die Art der baulichen Nutzung und die Lage sollte zwischen Bodenwertzone und zu bewertendem Grundstück übereinstimmen, für Maß der baulichen Nutzung und Grundstücksgröße können Umrechnungskoeffizienten angewandt werden. Ist keine hinreichend vergleichbare Bodenrichtwertzone zur Hand, kann eine nochmals indirekte Ableitung versucht werden, die jedoch meist anfechtbar ist.

Da die meisten Grundstücke sehr viele individuelle Merkmale aufweisen, ist eine vollständige Übereinstimmung der Merkmale sowohl der direkt als auch indirekt zu vergleichenden Grundstücke oft nicht gegeben. Der Unterschied wird im Wege der Ableitung von Zu- oder Abschlägen bzw. Korrekturfaktoren ausgedrückt. Die sich ergebenden Abweichungen sollten nach deutscher Rechtsprechung im Regelfall nicht höher sein als 30 %–35 %. Ansonsten kann man nicht mehr von vergleichbaren Grundstücken sprechen.

Beispiele für Merkmale, die bei Zu- und Abschlägen zu beachten sind:

  • Örtliche Lage, z. B. Lage im bebauten Raum, zu den Himmelsrichtungen, Belichtung, Verkehrslage
  • Bodenbeschaffenheit z. B. Untergrund, Tragfähigkeit
  • Größe und Form z. B. Tiefe, Gestalt, Frontbreite
  • Bodenschätze z. B. Abbaumöglichkeiten
  • Lage in Gefahrenzonen
  • Grad der Erschließung
  • Umwelteinflüsse z. B. Lärm, Rauch, Gerüche, …
  • Grundabtretungen, Grundeinbeziehungen, Bauplatzeigenschaft
  • Planungs- und Baurecht: Flächennutzungs- und Bebauungsplan bzw. §§ 34 und 35 BauGB
  • Nutzungsbeschränkungen
  • Gesetzl. Beschränkungen der freien Verfügung: Denkmalschutz, Mieterschutz, Weltkulturerbe
  • Zustand der Außenanlagen: erforderliche Instandsetzungen
  • Art und Verwendung der Nachbarliegenschaften

Der ermittelte Wert des Grund und Boden ist ggf. durch Zu- und Abschläge für wertbeeinflussende Faktoren wie z. B. Kontamination und dingliche Rechte zu korrigieren.

Bauliche Anlagen

Wie beim Ertragswertverfahren beschrieben, können Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen sinnvollerweise im Vergleichswertverfahren bewertet werden. Das dazu früher oft verwendete Sachwertverfahren ist auf dem Rückzug, da tendenziell für am Markt gehandelte Immobilien ungeeignet. Das Merkmal "eigengenutzt" darf bei der Auswahl eines Wertermittlungsverfahrens keine Rolle spielen, da es sich bei der Eigennutzung um ein persönliches Verhältnis handelt, welches nach § 194 BauGB nicht zu berücksichtigen ist.

Auch für bauliche Anlagen stützt sich das Vergleichswertverfahren auf die Kaufpreissammlung der Gutachterausschüsse. Ebenso wie beim Grund und Boden fehlen aber meist direkt vergleichbare Kauffälle. Im indirekten Ansatz sind daher einerseits die Grundstücksmarktberichte der Gutachterausschüsse heranzuziehen und andererseits aufgrund eigener Marktrecherche die am regionalen Markt erzielbaren Verkaufspreise. Dabei können lagespezifische Abweichungen (Stadtteile) und die Größe meist gut berücksichtigt werden. Einer individuellen Einschätzung und wertmäßigen Berücksichtigung bedürfen die weiteren Merkmale wie z. B.:

  • Mikrolage (Infrastruktur, Einwohner, Lärm, etc.)
  • Ausstattung
  • Subjektiver Eindruck

Es empfiehlt sich, die gewonnen Wertspannen anzugeben und die Einschätzung des zu bewertenden Objektes innerhalb der Spanne nachvollziehbar zu begründen. Ebenfalls nützlich ist die Plausibilisierung anhand der anderen, jedoch nicht als primäre Methode tauglichen, Bewertungsverfahren (z. B. Sachwertverfahren für EFH/ZFH, Ertragswertverfahren für ETW).

Abschließend lässt sich feststellen, dass das Vergleichswertverfahren zwar das am stärksten marktorientierte Verfahren darstellt (da an tatsächlichen Preisen orientiert), aber aufgrund der Inhomogenität des Wirtschaftsguts Immobilie in der notwendigen Anpassung der Vergleichswerte stark von der Kompetenz des Gutachters abhängt.

Spezialfall

Ein Spezialfall des indirekten Vergleichswertverfahren ist das Zielbaumverfahren.

Literatur

  • Sprengnetter (Hrsg.): Immobilienbewertung - Lehrbuch und Kommentar (Bände 5 - 13), Sprengnetter GmbH, Loseblattsammlung, ISBN 3-937513-02-7

Siehe auch: Ertragswertverfahren, Sachwertverfahren


Deutschlandlastige Artikel Dieser Artikel oder Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern.
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Grundstückswertermittlung — Die Grundstücks und Immobilienbewertung (auch veraltet Güterabschätzung) ist ein durch Rechtsvorschriften geregeltes Verfahren, das durch die Anwendung fundierter betriebswirtschaftlicher, juristischer und bautechnischer Sachkenntnis einen… …   Deutsch Wikipedia

  • Güterabschätzung — Die Grundstücks und Immobilienbewertung (auch veraltet Güterabschätzung) ist ein durch Rechtsvorschriften geregeltes Verfahren, das durch die Anwendung fundierter betriebswirtschaftlicher, juristischer und bautechnischer Sachkenntnis einen… …   Deutsch Wikipedia

  • Immobilienbewertung — Die Grundstücks und Immobilienbewertung (auch veraltet Güterabschätzung) ist ein durch Rechtsvorschriften geregeltes Verfahren, das durch die Anwendung fundierter betriebswirtschaftlicher, juristischer und bautechnischer Sachkenntnis einen… …   Deutsch Wikipedia

  • Grundstücksbewertung — Die Grundstücks und Immobilienbewertung (auch veraltet Güterabschätzung) ist ein durch Rechtsvorschriften geregeltes Verfahren, das durch die Anwendung fundierter betriebswirtschaftlicher, juristischer und bautechnischer Sachkenntnis einen… …   Deutsch Wikipedia

  • Sachwertverfahren — Das Sachwertverfahren ist ein Verfahren zur Wertermittlung von Immobilien und ist in Deutschland durch die §§ 21 bis 25 WertV geregelt. Inhaltsverzeichnis 1 Anwendung und Grundsätze 2 Unterarten des Sachwertverfahrens 2.1 Deutsches… …   Deutsch Wikipedia

  • Vergleichswert — Das Vergleichswertverfahren ist ein Verfahren zur Wertermittlung von Immobilien (§ 13 Wertermittlungsverordnung WertV). Nach diesem Verfahren wird der Marktwert eines Grundstücks aus tatsächlich realisierten Kaufpreisen von anderen Grundstücken… …   Deutsch Wikipedia

  • Bedarfswert — Die Bezeichnung Bedarfswert beruht auf dem damals geltenden § 138 Abs. 5 Bewertungsgesetz (heute: nach Änderungen vom 8. Dezember 2010 nunmehr als § 151, Abs. 1, BewG seit Inkrafttreten der neuen Revision am 14. Dezember 2010), nach dem die… …   Deutsch Wikipedia

  • Ertragswertverfahren — Das Ertragswertverfahren dient der Ermittlung des Wertes von Renditeobjekten durch Kapitalisierung der Netto Erträge, die mit diesen Objekten voraussichtlich erwirtschaftet werden (Ertragswert = Barwert der zukünftigen Überschüsse aus Ertrag und… …   Deutsch Wikipedia

  • Anwesen — Eine Immobilie, auch Liegenschaft oder Anwesen ist im allgemeinen Sprachgebrauch ein Grundstück inklusive darauf befindlicher Gebäude und deren Zubehör. Juristisch und ökonomisch gesehen ist es „unbewegliches Sachgut“, woher sich auch das Wort… …   Deutsch Wikipedia

  • Baunebenkosten — Baukosten sind Aufwendungen für Güter, Leistungen und Abgaben, die für die Planung (Architektur und Statik) und die Ausführung von Baumaßnahmen erforderlich sind. Sie setzen sich zusammen aus den Kosten für das Bauwerk (reine Baukosten genannt)… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”