Veronika beschließt zu sterben

Veronika beschließt zu sterben

Veronika beschließt zu sterben (Originaltitel auf Portugiesisch: Veronika decide morrer) ist ein 1998 veröffentlichter Roman des brasilianischen Schriftstellers Paulo Coelho.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Roman erzählt die Geschichte der 24-jährigen Veronika, der es scheinbar an nichts fehlt und die sich dennoch entschließt, Suizid zu begehen. Der Selbstmordversuch scheitert allerdings und sie wird in die psychiatrische Klinik „Villete“ eingewiesen. Hier sagen die Ärzte ihr, dass sie innerhalb einer Woche an den Spätfolgen der Tablettenüberdosis sterben wird. Angesichts der ihr so nur noch kurzen verbleibenden Zeit erlaubt sich Veronika endlich, das zu leben, so zu sein, wie sie es für richtig erachtet. Ein weiteres zentrales Thema ist die Verrücktheit und ihr paradoxes Verhältnis zur Normalität.

Hintergründe

Die Handlung beginnt am 11. November 1997 und endet am 18. Februar 1998 und spielt in Slowenien. Paulo Coelho verwendet neben diesen Datumsangaben weitere Realitätsbezüge. Zum einen erwähnt er Schauplätze in Ljubljana oder den slowenischen Dichter Prešeren, zum anderen findet der Roman vor dem Hintergrund der Konflikte nach der Teilung Jugoslawiens statt. Es finden sich einige Verflechtungen der Charaktere mit den Folgen der Unabhängigkeitserklärung Sloweniens und der Krisen in den Nachbarländern. Außerdem scheut Paulo Coelho sich nicht, gleich zu Beginn einen Selbstbezug herzustellen. Später erzählt er, wie er auf Veronikas Geschichte gestoßen sei. Dies erweckt alles den Eindruck einer wahren Geschichte. Tatsächlich verarbeitet Paulo Coelho nach eigenen Angaben seine Erfahrungen, dreimal von seinen Eltern in eine psychiatrische Klinik gebracht worden zu sein, weil sie seinen Wunsch, Künstler zu sein, nicht anerkannten. Dies ähnelt der Geschichte des Schizophrenen Eduard, welche dadurch einen besonders autobiographischen Zug erhält.

Handlung

Der Roman beginnt mit Veronikas Selbstmordversuch durch eine Überdosis Schlaftabletten. Während sie auf ihren Tod wartet, fällt ihr zufällig ein Zeitungskommentar vom Schriftsteller Paulo Coelho auf: „Wo liegt Slowenien?“ Veronika beschließt, bevor sie stirbt noch einen Leserbrief an die Zeitung zu schreiben, da es sie ärgert, dass niemand ihr Heimatland Slowenien kennt. Beim Verfassen des Briefes kommen ihr erste Zweifel an der Richtigkeit ihres Selbstmordes, doch bald darauf fangen die Schlaftabletten an, Wirkung zu zeigen. Sie wacht einige Tage später im berüchtigten Irrenhaus „Villete“ auf. Während einer Visite auf der Krankenstation wird ihr erklärt, dass die Schlafmittel einen Herzfehler hervorgerufen haben und sie nur noch einige Tage zu leben hätte. Die Gewissheit zu haben, erst in ein paar Tagen zu sterben, ist für Veronika weitaus schlimmer als zu wissen, dass man in ein paar Minuten stirbt. Nun versucht sie alles, um an Medikamente zu kommen, damit sie nicht so lange warten muss.

Dabei macht Veronika in den folgenden Tagen die Bekanntschaft verschiedener Patienten, durch deren Erfahrungen sie allmählich sich selbst erkennen lernt und zunehmend wieder Lebenswillen schöpft. Ihr Schicksal des bevorstehenden Todes und die dadurch erweckte Lebensenergie regen auch die anderen Patienten dazu an, über ihr Leben nachzudenken, und wecken in Manchen sogar den Wunsch, die Anstalt zu verlassen. Indes verliebt sich Veronika kurz vor ihrem vorausgesagten Tod in den Schizophrenen Eduard, mit dem sie gemeinsam aus „Villete“ flieht und ihren Lebensabend verbringt. Doch auch am nächsten Tag lebt Veronika immer noch.

Es stellt sich heraus, dass der Heimleiter Dr. Igor bei Veronika durch regelmäßige Spritzen Herzanfälle hervorrief, um sie an den drohenden Tod glauben zu lassen. Er erhoffte sich davon, einen Beleg für seine eigenen Studien über Geisteskrankheiten zu erhalten, welche von der Idee eines Gifts ausgehen, dem er den Namen „Vitriol“, Verbitterung, gab und das nur mit dem Bewusstsein des Lebens (hervorgerufen durch das Bewusstsein des Todes) bekämpft werden könne.

Hauptcharaktere

Veronika

Veronika ist die Protagonistin des Romans. Sie entscheidet sich, Selbstmord zu begehen, weil sie ihr Leben zu eintönig findet und befürchtet, mit zunehmendem Alter würde sich nichts ändern, außer dass sie mehr Leid ertragen müsse. Hinzu kommt ein Gefühl von Ohnmacht, das sie auf Grund des Leids auf der Welt empfand. Als Kind war Veronika eine begeisterte Klavierspielerin. Sie wünschte sich eine Karriere als Pianistin, doch ihre Eltern fanden das zu riskant und drängten sie zu einem Studium. Sie schaffte ihr Diplom, aber nahm eine schlecht bezahlte, dafür aber sichere Stelle in einer Bibliothek an. Bis zur Einlieferung in „Villete“ lebte Veronika in einem gemieteten Zimmer eines Klosters, da ihr die strengen Ausgangszeiten als Vorwand dienten, sich frühzeitig von ihren Liebhabern zu verabschieden. Derer hatte Veronika zwar einige, aber scheute stets tiefergehende Beziehungen, da sie sich viele Gefühle nicht eingestehen konnte. Ihre Unternehmungen mit Freunden und die Abende in Bars und darauf folgend den Betten ihrer Liebhaber wurden somit zur Routine, die sie glaubte, nicht anders durchbrechen zu können als durch Selbstmord.

Zedka

In „Villete“ trifft Veronika als erstes auf Zedka. Zedka erklärt Veronika, dass Verrücktheit prinzipiell keine Krankheit sei und sie lohnend sein könne. Für ihre Zeit nach Villete wünscht sich Zedka, auch weiterhin verrückt zu bleiben, allein ihre Depressionen wünscht sie sich nicht wieder. Ihre Depressionen hatten sie in die Klinik gebracht und ihr scheinbar geregeltes Leben aus der Bahn gebracht. In ihrer Jugend verliebte sie sich in einen verheirateten Amerikaner, reiste ihm nach und ließ sich auf eine Affäre ein. Als der Kontakt abbrach, durchlebte sie ihr erstes großes Stimmungstief. Mit der Zeit kam sie darüber hinweg, fand Arbeit und heiratete. Doch eines Tages nahm sie die Statue des Dichters Prešeren wahr und fand ihren Kampf um die Liebe des Amerikaners in seinen Werken wieder, die er einer ebenfalls hoffnungslosen Liebe gewidmet hatte. Es folgte der unmögliche Versuch, den Amerikaner wieder zu finden. Ihr Liebeskummer war noch schlimmer als der erste und schließlich erlitt sie einen Nervenzusammenbruch. Bald darauf wurde sie nach „Villete“ gebracht.

Mari

Zedka erzählt von einer Gruppe in „Villete“, die sich „Die Bruderschaft“ nennt. Es sind Patienten, die bereits geheilt sind, aber aus finanziellen Gründen geduldet werden. Sie schätzen die Freiheit, sich in der Anstalt verhalten zu können, wie sie wollen, ohne verurteilt zu werden, da sie ja schließlich verrückt seien. Eine von ihnen ist Mari. Sie wurde wegen Panikattacken eingeliefert. Ihren ersten Anfall hatte sie im Kino, darauf folgten immer häufiger stärkere und längere Anfälle. Ein Kollege empfahl ihr, sich behandeln zu lassen.

Eduard

Am ausführlichsten wird die Geschichte Eduards erzählt. Erst Veronika schafft es, ihn mit ihrer Musik zu erreichen und sie verlieben sich ineinander. Kurz vor Veronikas vermeintlichem Tod erzählt Eduard von seiner Jugend als Diplomatensohn in Brasilien, wo er dem nüchternen Leben der Politikerstadt Brasília nichts abgewinnen kann. Nach einem schweren Fahrradunfall kommt er über das Buch eines Krankenpflegers auf die Idee, zu einem Heiligen zu werden, der seine Visionen vom Paradies der Menschheit mitteilt, und möchte daraufhin das Malen lernen. Als er aus dem Krankenhaus entlassen wird, schreibt er sich in einen Malkurs ein und kommt mit Künstlern zusammen. Seine Eltern machen ihm deutlich, dass sie für ihn eine Diplomatenkarriere vorgesehen haben und er im Namen ihrer Liebe die Malerei sein lassen soll. In der Zwickmühle zwischen Malerei und Elternliebe fängt Eduard an, sich aus der Realität zurückzuziehen. Die Ärzte diagnostizieren Schizophrenie, deren Ursache sie im Fahrradunfall vermuten. Als sein Vater wegen des Krieges in Jugoslawien als Botschafter zurückbeordert wird, sehen seine Eltern sich gezwungen, ihn nach „Villete“ zu bringen.

Rezeption

Der Roman wurde für den International IMPAC Dublin Literary Award nominiert.

Unter demselben Titel wurde der Roman unter der Regie von Emily Young verfilmt und kam 2010 in die Kinos. Die Rolle der „Veronika“ übernahm die US-amerikanische Schauspielerin Sarah Michelle Gellar.

Das Lied "Saint Veronika" der kanadischen Rockband Billy Talent basiert inhaltlich auf dem Roman.

Das gleichnamige deutschsprachige Theaterstück (Drehbuch Hakon Hirzenberger) feierte 2006 in Potsdam Premiere.

Literatur

  • Paulo Coelho: Veronika beschließt zu sterben. Diogenes Verlag, Zürich, 2000, ISBN 3-257-23305-1

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