Verschuldungsgrad

Verschuldungsgrad

Verschuldungsgrad (engl. debt to equity ratio, Gearing oder Leverage) eines Schuldners (Unternehmen, Gemeinden oder Staaten) ist eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, die das Verhältnis zwischen dem bilanziellen Fremdkapital und Eigenkapital angibt. Sie gibt Auskunft über die Finanzierungsstruktur eines Schuldners. Mit steigendem Verschuldungsgrad geht eine Erhöhung des Kreditrisikos für Gläubiger einher.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Gläubiger haben ein Interesse daran, ihr Kreditrisiko während der Kreditlaufzeit jederzeit messen zu können. Dazu bedarf es der Transparenz der wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Schuldners (Jahresabschlüsse, kommunale oder Staats-Haushalte), um aus diesen Unterlagen Informationen über das Kreditrisiko gewinnen zu können. Bei Unternehmen werden Eigenkapital und Fremdkapital miteinander ins Verhältnis gebracht, weil das Eigenkapital als Haftungsmasse für die Gläubiger zur Verfügung steht und deshalb der Anteil des Eigenkapitals am gesamten Kapital von Bedeutung ist. Je höher folglich der Eigenkapitalanteil ist, umso niedriger ist das Gläubigerrisiko einzustufen und umgekehrt. Der Verschuldungsgrad soll deshalb informieren über die Fähigkeit, Verluste oder den kurzfristigen Entzug von Eigenkapital oder Fremdkapital durchzustehen.[1]

Berechnung

\text{Verschuldungsgrad} = \frac{\text{Fremdkapital x 100}}{\text{Eigenkapital}}

Abgrenzungen

Damit stellt sich die Frage, welche Bilanzpositionen als Eigenkapital und welche als Fremdkapital zu klassifizieren sind. Nicht alle Positionen, die formal im Jahresabschluss dem Eigenkapital zugeordnet sind, können für Zwecke der Ermittlung des Verschuldungsgrades auch analytisch als Eigenkapital eingestuft werden. Das gilt ebenso für manche Positionen, die im Jahresabschluss als Fremdkapital ausgewiesen werden. Emittierte Wandelanleihen oder sonstige Finanzierungstitel sind ebenso in ihrer Zuordnung umstritten wie etwa der Geschäfts- oder Firmenwert („Goodwill“), der als immaterieller Vermögensgegenstand das Eigenkapital erhöht. Wird er analytisch nicht als realisierbarer Vermögensgegenstand angesehen, ist er vom Eigenkapital abzusetzen. Das gilt wiederum für alle analytisch zweifelhaften Vermögensposten (wie etwa ausstehende Kapitaleinlagen der Gesellschafter).

Das für die Ermittlung des Verschuldungsgrades wichtige Fremdkapital setzt sich somit zusammen aus Rückstellungen (auch Pensionsrückstellungen), Wandelanleihen (bei denen das Optionsrecht nicht ausgeübt wurde), sonstige Verbindlichkeiten sowie der Hälfte des Sonderpostens mit Rücklageanteil. Das Eigenkapital besteht aus dem gezeichneten Kapital abzüglich ausstehender Einlagen hierauf und abzüglich Goodwill, zuzüglich Gewinnrücklage, Kapitalrücklage und der Hälfte des Sonderpostens mit Rücklageanteil.

Auswirkungen

Im Falle eines angemessenen Eigenkapitals ergibt sich auch ein vertretbarer, nicht risikoerhöhender Verschuldungsgrad. „Angemessenes“ Eigenkapital ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der die Eigenmittel eines Unternehmens ins Verhältnis zu seiner Bilanzsumme setzen will. Als angemessen gilt jedenfalls in steuerrechtlicher Hinsicht ein Eigenkapital, das mit der Kapitalstruktur gleichartiger Unternehmen der Privatwirtschaft im maßgebenden Zeitraum vergleichbar ist.[2] Nach R 33 Abs. 2 KStR ist eine angemessene Eigenkapitalausstattung grundsätzlich gegeben, wenn das Eigenkapital mindestens 30 % des Aktivvermögens beträgt. Im Hinblick auf die angeführte BFH-Rechtsprechung ist diese 30 %-Grenze in erster Linie als Nichtaufgriffsgrenze zu verstehen, ihre Erfüllung wird deshalb bei steuerlichen Außenprüfungen nicht beanstandet. Für Besteuerungszwecke wird also vom Anlagendeckungsgrad ausgegangen und das Eigenkapital dann als angemessen eingestuft, wenn der Anlagendeckungsgrad (I) 30 % beträgt und somit 70 % des Anlagevermögens über Fremdkapital zu finanzieren sind.

Als optimaler Verschuldungsgrad wird ein Verhältnis des Eigenkapitals zum Fremdkapital angesehen, bei dem die durchschnittlichen Kapitalkosten gegenüber anderen Finanzierungsalternativen am geringsten sind.[3]

Ein hoher Verschuldungsgrad aus obiger Formel erhöht die Risiken der Kreditgeber, weil deren Haftungsmasse des im Eigenkapital gebundenen Vermögens im Zweifel nicht ausreichen wird, um in der Insolvenz des Schuldners das Fremdkapital vollständig zurückzuzahlen. Mit einem hohen Verschuldungsgrad geht normalerweise auch eine hohe Schuldendienstquote einher, weil Schulden Zins- und Tilgungszahlungen auslösen, die aus dem Umsatzprozess zu finanzieren sind. Aus Sicht des financial leverage indes ergibt sich – bedingt durch das relativ niedrige Eigenkapital – eine hohe Eigenkapitalrendite (Leverage-Effekt). Deshalb ist erforderlich, auch die Gesamtkapitalrendite (Eigen- und Fremdkapital) zu ermitteln. Ein hoher Verschuldungsgrad erhöht wegen des hohen Schuldendienstes die Ertragsrisiken, weil immer mehr Gewinne für den Zinsaufwand verbraucht werden und damit bei zunehmender Verschuldung auch der Break-even-Point ansteigt (cost leverage).

Verschuldungsdauer

Setzt man das Fremdkapital ins Verhältnis mit dem Cashflow, so ergibt sich die Verschuldungsdauer (debt repayment capacity), besser Entschuldungsdauer oder dynamischer Verschuldungsgrad genannt. Bei dieser Kennzahl geht es darum, zu ermitteln, wie lange ein Unternehmen unter sonst gleichbleibenden Bedingungen braucht, um das bestehende Fremdkapital aus dem frei verfügbaren Cashflow zurückzuzahlen. Die Kennzahl macht Aussagen über die Schuldendienstfähigkeit eines Unternehmens. Als noch tragfähige Verschuldungsdauer werden 3 Jahre angesehen.

Staaten und Gemeinden

Staaten als Schuldner weisen völlig andere wirtschaftliche Strukturen als Unternehmen auf. Strukturell wird zwar die Verschuldung ähnlich wie bei Unternehmen ermittelt und Auslandsverschuldung genannt, doch sind dieser Verschuldung für Zwecke der Kennzahlenermittlung die Exporterlöse gegenüber zu stellen. Diese Einnahmen stehen nämlich primär für den Schuldendienst zur Verfügung. Freilich können für den Schuldendienst auch Währungsreserven oder Neuverschuldung als sekundäre Quellen herangezogen werden, doch sind diese Positionen hierfür nicht vorgesehen. Als noch tragfähige Belastung wird eine Auslandsverschuldung von 150 % der Exporterlöse angesehen.

Die zunehmende Verschuldung insbesondere deutscher Kommunen wird seit Jahren thematisiert. Auch hier spielen absolute Zahlen eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit noch von einer Schuldentragfähigkeit ausgegangen werden kann. Dazu werden die kommunalen Schulden ins Verhältnis zu den Gesamteinnahmen (oder lediglich eigene Einnahmen als kleineres Aggregat) gebracht. Sofern die Gesamteinnahmen die Schulden insgesamt decken, kann von einer vertretbaren Schuldentragfähigkeit ausgegangen werden.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Horst-Tilo Beyer, Finanzlexikon, 1971, S. 345
  2. BFH-Urteile vom 1. September 1982 BStBl. 1983 II, S. 147 und vom 9. Juli 2003 BStBl. 2004 II, S. 425
  3. Horst-Tilo Beyer, a.a.O., S. 345

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