Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter

Durch einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (auch: "Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte", abgekürzt durch VSD oder VSzD) kann auch ein Dritter (Nicht-Vertragspartner) von der Schutzwirkung vertraglicher Pflichten umfasst werden und einen eigenen Anspruch daraus ableiten. Die Ausweitung der vertraglichen Haftung zugunsten eines Dritten stellt damit eine Ausnahme des Grundsatzes lediglich relativ wirkender Schuldverhältnisse dar. Das Rechtsinstitut müsste eigentlich "Schuldverhältnis mit Schutzwirkung zugunsten Dritter" heißen, denn es ist auch im vorvertraglichen Bereich anwendbar in Verbindung mit den Grundsätzen der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

Dieses bis heute nicht kodifizierte Institut hat sich aus einer gefestigten Rechtsprechung entwickelt. Dogmatisch hergeleitet wurde der Anspruch des Dritten bis zur Schuldrechtsmodernisierung aus dem Gedanken der ergänzenden Vertragsauslegung (§ 133, § 157, § 328 Abs. 2 BGB) und einer Analogie zum (echten) Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff. BGB). Das Rechtsinstitut wird somit entweder § 328 BGB analog zugeordnet (so die Rechtsprechung) oder in § 242 BGB verortet (so die h.L.), nach anderer Ansicht in § 311 Abs. 3 Satz 1 BGB. In der Rechtsanwendung ist diese Frage ohne Relevanz.

Inhaltsverzeichnis

Voraussetzungen

An die vier Voraussetzungen für einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sind strenge Anforderungen zu stellen:

  • Leistungsnähe
  • Gläubigernähe
  • Erkennbarkeit für den Schuldner
  • Schutzbedürftigkeit des Dritten

Neben einem wirksamen vertraglichen Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner ist eine unbedingte Leistungsnähe erforderlich, d.h. der Dritte muss bestimmungsgemäß mit der geschuldeten Leistung in Berührung kommen und hierdurch den Gefahren einer Pflichtverletzungen des Schuldners ebenso ausgesetzt sein, wie der Gläubiger selbst.

Weiterhin muss seitens des Gläubigers ein eigenes, schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrags vorhanden sein, sogenannte Gläubigernähe. Die frühere Rechtsprechung, die sich vornehmlich mit Personenschäden zu befassen hatte, verlangte insoweit eine (Mit-)Verantwortlichkeit des Gläubigers für das "Wohl und Wehe" der dritten Person (dies insbesondere in familienrechtlichen, arbeitsrechtlichen und mietrechtlichen Fällen). Heute ist der Begriff des Schutzinteresses (nunmehr lt. Rechtsprechung auch bezogen auf Vermögensinteressen) wesentlich weiter gefasst und wird insbesondere an dem bestimmungsgemäßen Kontakt der Drittperson mit der Leistung gemessen. D.h. ein Gläubigerinteresse liegt bereits dann vor, wenn der Gläubiger gegenüber dem Dritten (Geschädigten) selbst vertragliche Pflichten hat und daher an einer vertragsgemäßen Erfüllung seines Vertrages mit dem Schuldner besonderes Interesse hat.

Darüber hinaus müssen Leistungsnähe und Schutzinteresse für den Schuldner erkennbar sein. Dies bedeutet, dass es sich um einen überschaubaren Personenkreis handeln muss, damit der Schädiger das Risiko abschätzen, kalkulieren und versichern kann.

Schließlich ist eine Schutzbedürftigkeit des Dritten zu fordern. Diese entfällt regelmäßig, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche - gleich gegen wen - zustünden, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben, wie diejenigen Ansprüche, die ihm über eine Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages zukämen. Deliktische Ansprüche etc. stehen dem regelmäßig nicht entgegen - der BGH geht sogar davon aus, dass wenn verschiedene vertragliche Ansprüche gegen verschiedene Schädiger bestehen, eine Schutzbedürftigkeit gegeben ist, da die verschiedenen Ansprüche verschiedene Voraussetzungen haben.

Rechtsfolge

Als Rechtsfolge hat die dritte Person einen Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner. Sind zwischen Schuldner und Gläubiger Haftungsausschlüsse oder -begrenzungen vereinbart, so können diese auch dem Dritten entgegengehalten werden; ihm sollen nicht mehr Rechte zustehen als den Vertragsparteien (Rechtsgedanke § 334 BGB)[1] Jedoch findet § 334 BGB analog keine Anwendung, wenn der Dritte (Geschädigte) und der Gläubiger nicht im selben Lager stehen. Dies ist insbesondere in den sogenannten Gutachterfällen relevant: Der Gutachter erbringt für den Verkäufer ein Verkaufsgutachten, dieses ist infolge fehlerhafter Angaben des Verkäufers fehlerhaft. Der Käufer hat den Schaden. Hier kann der Gutachter nicht § 334 BGB analog in Verbindung mit § 254 BGB (Mitverschulden) einwenden, denn Käufer und Verkäufer stehen in verschiedenen Lagern und das wusste der Gutachter auch.

Beispiel

Ein klassischer Beispielsfall für die Regelung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist eine Abwandlung des sog. Salatblattfalls:[2]

Die Mutter M geht mit ihrem minderjährigen Sohn S im Gemüseladen des Verkäufers V einkaufen. S rutscht auf einem Salatblatt aus und bricht sich das Bein. S ist den Gefahren beim Einkauf genauso ausgesetzt wie die eigentliche (potentielle) Vertragspartnerin M, Leistungsnähe ist also gegeben. S ist in Begleitung der Mutter M unterwegs, somit ist die Leistungsnähe für den Schuldner auch erkennbar. M hat ein Einbeziehungsinteresse gegenüber S, weil dieser ihr Sohn ist. S ist auch schutzbedürftig, da ihm kein gleichwertiger Anspruch gegen den Schuldner zusteht. S hat somit einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Schuldner.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. BGHZ 56, 269, 272 ff.
  2. BGHZ 66, 57.

Weblinks

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