- Vertrag von Perejaslaw
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Als Vertrag von Perejaslaw wird der Treueeid bezeichnet, den die Saporoger Kosaken auf der Kosakenrada in Perejaslaw 1654 auf den russischen Zaren Alexei I. ablegten. Dieses Ereignis wird als eins der wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der russisch-ukrainischen Beziehungen betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
Der Weg nach Perejaslaw
Seit der Union von Lublin im Jahr 1569 befand sich die Ukraine innerhalb der neugegründeten polnisch-litauischen Adelsrepublik unter der Herrschaft der polnischen Krone. Dies hatte gegenüber der früheren litauischen Herrschaft eine Verschärfung der Diskriminierung der ruthenischen (ukrainischen) Bevölkerung zur Folge, die nun in Ihren Rechten gegenüber den Katholiken im Nachteil war. Der ruthenische Adel ließ sich in seinem Streben nach den gleichen Rechten immer mehr polonisieren. Die Union von Brest (1596) versuchte, die orthodoxe Kirche innerhalb der Republik der Herrschaft des Papstes zu unterstellen und hatte jahrzehntelange konfessionelle Kämpfe zur Folge. Zugleich stieg auch der feudale Druck und die Willkür gegenüber der bäuerlichen Bevölkerung. Die einzige freie gesellschaftliche Schicht der Ruthenen, die Kosaken, initiierte in diesem Zusammenhang immer neue Aufstände (z.B. unter Führung von Krzysztof Kosiński (1591-1593), Seweryn Nalywajko (1594-1596), Mark Schmajlo (1625), Taras Fedorowytsch (1630), Iwan Sulima (1635), Pawel Pawljuk (1637) oder Jakiw Ostrjanyn (1638). Trotz der weitgehenden Unterstützung durch die Landbevölkerung, wurden sie alle letztlich von den besser ausgerüsteten Truppen der polnischen Krone brutal niedergeschlagen.
Erst Bohdan Chmelnyzkyj gelang es in dem nach ihm benannten Aufstand ab 1648, durch nachhaltige militärische Siege die polnische Seite an den Rand einer Niederlage zu bringen. Zwischenzeitlich gründete Chmelnyzkyj das quasistaatliche Hetmanat der ukrainischen Kosaken. Bereits 1648 sandte Chmelnyzkyj einen Brief an den russischen Zaren mit der Bitte um Protektorat für die "Kleinrussen" bzw. orthodoxe Glaubensbrüder. Die russische Seite hatte jedoch 15 Jahre nach dem erfolglosen Smolensker Krieg zunächst Bedenken bezüglich einen neuen Krieges gegen Polen.
So musste Chmelnyzkyj ab 1648 auf ein wackeliges Bündnis mit dem Krimkhan vertrauen. Als die Tataren jedoch im Verlauf der Kämpfe ihr Ziel, die Schwächung Polen-Litauens, in ausreichendem Maße verwirklicht sahen, zogen sie ihre Truppen immer wieder vom Schlachtfeld zurück (so zum Beispiel in der Schlacht von Berestetschko, in der Schlacht von Sboriw und in der Schlacht von Schwanez) und zwangen damit die Kosaken, Friedensverhandlungen mit den Polen aufzunehmen. Als der Aufstand letztlich zu ersticken drohte, stimmte die russische Landesversammlung (Zemskij sobor) zu, die Kosaken unter das russische Protektorat zu nehmen, und den Polen einen neuen Krieg zu erklären.
Am 18. Januar 1654 kam in Perejaslaw ein Rat der Kosakenführung zusammen, bei dem die überwiegende Mehrheit der Kosaken in Anwesenheit des russischen Bojaren und Botschafters Wassili Buturlin einen Treueeid auf Zar Alexei Michailowitsch leistete. Später leisteten noch 17 Kosakenregimenter auf dem Gebiet von 177 Orten des Dnepr-Gebietes diesen Eid. Die Kosaken erhielten das Recht der freien Wahl ihrer Hetmane zugesichert, außerdem wurde das Stehende Heer der Kosaken auf 60.000 Mann erhöht, während die kosakischen Starosten Besitzstandrechte über ihre Ländereien erhielten.
Der Vertrag von Perejaslaw verpflichtete den Zaren, zum Schutz der Ukraine der polnisch-litauischen Adelsrepublik den Krieg zu erklären, was zum Ausbruch des Russisch-Polnischen Krieges von 1654–1667 führte, der für die russische Seite erst im Vertrag von Andrussowo auf Basis der perejaslawischen Vereinbarungen mit Erfolg endete.
Perejaslaw in der Geschichtsschreibung
Die Qualität des Eides von Perejaslaw ist heute stark umstritten. Die nationalukrainische Historiographie betont den angeblich temporären Charakter des Bündnisses, das sie als völkerrechtliches Abkommen zweier unabhängiger Staaten ansieht. Man beklagt, die Kosaken seien vom Zaren betrogen worden, der die Ukraine vertragswidrig in eine russische Kolonie verwandelt habe.
Die russische Geschichtsschreibung begriff das Ereignis vor 1917 hingegen als „Wiedervereinigung der Ukraine mit Russland“, die den „unnatürlichen Zustand“ der seit dem Mongolensturm der Rus bestehenden Trennung aufhebe. Man bestreitet sowohl den temporären Charakter des Protektorats als auch den gleichwertigen Status des Hetmanats und des Russischen Zarenreichs, dem sich dieses unterstellte.
Am 12. Januar 1954 veröffentlichte die Moskauer Prawda die Thesen des ZK der KPdSU über den 300. Jahrestag der Wiedervereinigung der Ukraine mit Rußland (vgl. Literaturliste). Damit war für das sozialistische Lager die Deutung von Perejaslaw vorgegeben – sie orientierte sich im Wesentlichen an der vorrevolutionären bürgerlichen russischen Geschichtsschreibung. Im Unterschied zu dieser wurde allerdings der Klassencharakter der Bauern- und Kosakenaufstände hervorgehoben. Die Klassenposition des Adligen Chmelnyzkyj wurde dabei aber offenbar nicht als Widerspruch wahrgenommen, er galt als Held des Fortschritts.
Der 300. Jahrestag wurde in der UdSSR mit monatelangen Feierlichkeiten begangen, in deren Rahmen die Ukrainische SSR die Halbinsel Krim von Chruschtschow geschenkt bekam – ein Geschenk, das bis heute für Spannungen sorgt. Man betonte die „unverbrüchliche Freundschaft“ der beiden „Brudervölker“, die mit Perejaslaw „auf ewig“ verbunden seien, die Progressivität des Ereignisses und das angebliche Streben nicht nur Chmelnyzkyjs, sondern des ganzen ukrainischen Volkes nach Wiedervereinigung mit Russland. Eigentlich sei der Aufstand von Anfang an auf dieses Ziel hin ausgerichtet gewesen.
Folgen
Bereits nach Chmelnyzkyjs Tod 1657 schloss sein unter widersprüchlichen Umständen gewählter Nachfolger Iwan Wyhowskyj den Vertrag von Hadjatsch mit Polen, der die Rückkehr des Hetmanats unter die polnische Herrschaft vorsah. Dies spaltete die Kosakenreihen und stürzte die Ukraine in einen Bürgerkrieg, der als Die Ruine in die Geschichtsschreibung einging. Während die Kosakenelite von den in Aussicht gestellten höheren Privilegien innerhalb der Adelsrepublik angelockt wurde, blieb das einfache Volk überwiegend auf der Seite Russlands. Im Verlauf des Bürgerkriegs, mit seinen zwischenzeitlichen zweiten (Wyhowski) und dritten (Juri Chmelnyzkyj) Rada von Perejaslawl (1658 und 1659), deren Treueeide anschließend ebenfalls verletzt wurden, ergab sich letztlich eine Spaltung entlang des Dneprs in eine propolnisch orientierte Rechtsufrige Ukraine und eine prorussisch orientierte Linksufrige Ukraine. Jede Seite wählte dabei ihren eigenen Hetman. Dieser Zustand wurde beim russisch-polnischen Vertrag von Andrussowo 1667 festgehalten. Die Linksufrige Ukraine und Kiew kamen darin offiziell unter die russische Herrschaft. Die rechtsufige Ukraine folgte im 18. Jahrhundert bei den Teilungen Polens.
Literatur
- Andrzej Gil: Dekret prezydenta Leonida Kuczmy o obchodach 350. rocznicy Kozackiej Rady Perejasławskiej 1654 r. i jego znaczenie dla wene̜trznej i zewne̜trznej sytuacji Ukrainy. Lublin 2003. ISBN 83-917615-0-9
- Carsten Kumke: "Zwischen der polnischen Adelsrepublik und dem Russischen Reich (1569-1657)." In: Frank Golczewski (Hg.): Geschichte der Ukraine. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1993. S. 58-91. ISBN 3-525-36232-3
- Anna Reid: Borderland - A Journey Through the History of Ukraine. London 2001. ISBN 0-297-81818-X
- Frank E. Sysyn: "The Jewish Factor in the Khmelnytsky Uprising." In: Potichnyj, Peter J.; Aster, Howard (Hg.): Ukrainian-Jewish Relations in Historical Perstepctive. Edmonton: Canadian Institute of Ukrainian Studies, 1988. S. 43-54. ISBN 0-920862-53-5
Die “Thesen des ZK der KPdSU über den 300. Jahrestag der Wiedervereinigung der Ukraine mit Russland” sind im russischen Original sowie in deutscher Übersetzung abgedruckt in:
- Christian Ganzer: Sowjetisches Erbe und ukrainische Nation. Das Museum der Geschichte des Zaporoger Kosakentums auf der Insel Chortycja. Mit einem Vorwort von Frank Golczewski. Stuttgart: ibidem-Verlag, 2005 (Soviet and Post-Soviet Politics and Society, vol. 19). ISBN 3-89821-504-0.
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