- Verzögerungsleitung
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Verzögerungsleitungen (englisch delay line, Korrekt: Laufzeitleitung) dienen der Zeitverschiebung oder temporären Speicherung (Laufzeitspeicher) eines seriellen Signales (analog oder digital) mittels der Signallaufzeit in einer elektrischen Leitung bestimmter Länge oder auch in einer akustischen Übertragungsstrecke.
Die Verzögerungszeit ergibt sich dabei aus dem Quotienten aus Länge und Wellengeschwindigkeit.
Inhaltsverzeichnis
Funktionsprinzip
Elektromagnetische Verzögerungsleitung
Die Verzögerung erfolgt ohne Signalwandlung durch eine elektrische Leitung oder eine äquivalente Anordnung bestimmter Länge. Auf der Leitung/Struktur breitet sich eine leitungsgebundene elektromagnetische Welle aus. Die geometrische Länge kann dabei wesentlich geringer als die elektrisch zur Signalverzögerung wirksame Länge sein, z.B.:
- ein Dielektrikum mit einer Dielektrizitätszahl (ε) größer 1 bewirkt einen sog. Verkürzungsfaktor
- ein ferromagnetisches Material mit Permeabilität(μ) > 1 bewirkt ebenfalls eine Verkürzung[1]
- über die Länge verkoppelte Induktivität bewirkt eine geometrische Verkürzung (Drahtwendel, siehe Bild, jedoch auch in Wanderfeldröhren)
- die „Leitung“ kann bei Zugeständnissen an die Signalbandbreite auch aus diskreten Induktivitäten und Kapazitäten aufgebaut werden, um eine hohe Laufzeit zu erreichen.
- Die Leitung kann aus Resonatoren bestehen (Hohlraumresonatoren, kammartige Strukturen); sie ist dann nur in einem schmalen Frequenzband wirksam und dient meist der Geschwindigkeitsanpassung (Verzögerung) der Welle an einen Elektronenstrom (Beispiele: Undulatoren im Freie-Elektronen-Laser, Schlitzanode von Magnetrons)
Eine Kombination der oben genannten Massnahmen ist ebenfalls möglich.[2]
Elektronische Verzögerungsleitung
Eine elektronische Form einer Verzögerungsleitung ist der sogenannte Eimerkettenspeicher, bei der die Ladungen einer Vielzahl von Kondensatoren auf ein Taktsignal hin an den nächsten weitergegeben werden. Das Prinzip ist in Form Integrierter Schaltungen als charge-coupled device (CCD) bekannt. Da dieses Prinzip zeitdiskret arbeitet, ist die Bandbreite auf die halbe Taktfrequenz begrenzt. Die digitale Form sind FIFO-Speicher, dieser wird auch mit DRAMs realisiert.
Akustische Verzögerungsleitung
Bei akustischen Verzögerungsleitungen wird das elektrische Signal mit piezoelektrischen Wandlern in Ultraschall gewandelt, durch ein Medium mit definierter Schallgeschwindigkeit geleitet, und dann wieder zurück in ein elektrisches Signal gewandelt.
Nebenstehendes Bild zeigt eine PAL-Ultraschallverzögerungsleitung: die beiden piezoelektrischen Wandler sind in Form schmaler Streifen auf die Stirnseiten einer Glasplatte geklebt, zu sehen sind nur die Aluminium-Anschlussdrähte. Um die Baugröße der Glasplatte zu begrenzen, wird mit Reflexionen an den Kanten des Glasmediums gearbeitet. Um dabei die Wellenausbreitung und den Signalweg definiert einzugrenzen, sind auf der Glasplatte quadratische Dämpfungs-Pads aufgetragen. Verwendet wird nach [3] Kalium-Bleiglas, welches gegenüber leichterem Glas eine geringere Schallgeschwindigkeit (etwa 2500 bis 2540 m/s) und zudem einen geringen Temperaturkoeffizienten der Ausbreitungsgeschwindigkeit besitzt.
Frühe Formen bestanden aus magnetostriktiv angeregten Drähten.
Mechanische Verzögerungsleitung
Mechanische Hallgeräte (Federhall) sind im Prinzip auch Verzögerungsleitungen.
Anwendung
Fernsehempfangstechnik
Ultraschall-Verzögerungsleitungen wurden bis ca. 1995 in Farbfernsehgeräten nach der Fernsehnorm PAL und SECAM eingesetzt, um das in der Phase alternierende Farbträgersignal um die Laufzeit von ca. einer Bildzeile zu verzögern. Damit konnten bei PAL Phasenfehler, welche sich in Farbfehler äußern, effizient unterdrückt werden. Nach der Demodulation der beiden Chrominanzsignale Y-R und Y-B aus dem Farbträgersignal wird zusammen mit dem Luminanzsignal Y die drei RGB-Komponenten (Rot, Grün, Blau) zur Ansteuerung der Farbbildröhre gewonnen.
Bei Ultraschall-Verzögerungsleitungen wird die Signalverzögerung des quadraturamplitudenmodulierten Farbträgersignals, mit einer Trägerfrequenz von 4,43361875 MHz, in Bandpasslage durchgeführt. Die Subtraktion der modulierten Farbkomponenten wird durch eine Verzögerung um eine nicht ganzzahlige Anzahl von Perioden der Farbträgerfrequenz erreicht und beträgt 283,5 Perioden. Mit der Periodendauer der Farbträgerfrequenz von:
ergibt sich eine Verzögerung der Ultraschall-Verzögerungsleitung von ≈ 63,943 µs.[4][5]
In späteren PAL-Farbfernsehempfängern wurde die Verzögerung der beiden, bereits demodulierten Farbträgersignale Y-R und Y-B im Basisbandlage mit einer Verzögerung von exakt einer Bildzeile von 64 µs mittels zweier synchronisierter SC-Filter durchgeführt. [6] Verzögerungsketten in Form von SC-Filterketten sind im Gegensatz zu den Ultraschall-Verzögerungsleitungen als integrierter Schaltkreis zu fertigen, kleiner, und mechanisch robuster.
Seit 2000 verwenden übliche digitale Fernsehgeräte für den Empfang von analogen Fernsehsignalen Multinorm-Decoder mit integrierten Verzögerungsketten. [7]
Audio-Technik
Elektronische Signalverzögerungen nach dem Eimerkettenprinzip, sogenannte Eimerkettenspeicher (engl. bucket brigade memory (BBM) oder auch Bucket Brigade Device (BBD)) werden verwendet, um Störsignale rechtzeitig erkennen und ausblenden zu können oder um den räumlichen Höreindruck durch das Zumischen von verzögerten Signalanteilen zu beeinflussen.
Auch Echo- und Hall-Geräte sind im Prinzip gekoppelte Verzögerungsleitungen. Früher kamen dafür auch mechanische Verfahren mit einer akustisch angeregten Schraubenfeder zum Einsatz (Federhall).
Wissenschaftliche Geräte und Hochfrequenz
In der Forschung ist es oft nötig, Signale oder Impulse zu verzögern, um Zeitverschiebungen auszugleichen, die Erfassung zu ermöglichen oder Triggerzeitpunkte zu synchronisieren.
Verzögerungszeiten im Nanosekunden- und Sub-Nanosekundenbereich werden oft durch definierte Leitungslängen gewährleistet. Das können fest installierte Leitungen oder auch koaxiale Laborkabel sein.
In der Hochfrequenztechnik und im Antennenbau ist es oft nötig, Signale phasenrichtig zu verteilen oder zusammenzuführen. Die hierfür eingesetzten Verzögerungsleitungen nennt man auch Umwegleitung.
Geschichte
In frühen Computern wie dem UNIVAC I oder EDSAC verwendete man Verzögerungsleitungen zur dynamischen Datenspeicherung (Laufzeitspeicher). Sie bestanden aus einer Quecksilberröhre, an deren beiden Enden ein Schwingquarz angebracht war. Brachte man durch einen kurzen Stromstoß einen Schwingquarz zum Schwingen, so pflanzten sich die erzeugten Ultraschallsignale im Quecksilber mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit von 2 km/s fort und brachten nach entsprechender Verzögerungszeit den anderen Schwingquarz dazu, eine kleine Spannung zu erzeugen. Frischte man nun den sendenden Quarz mit entsprechenden Stromstößen synchron zum Takt des Rechenwerks auf, so konnte man ein serielles Bitmuster einer bestimmten Länge umlaufen lassen und somit speichern.
Auf diese Weise erfolgt die Speicherung allein im Quecksilber durch die Signallaufzeit der akustischen Welle.
Eine andere Variante der Verzögerungsleitung für Laufzeitspeicher benutzte nicht Quecksilber, sondern Nickeldraht – bei dieser wurde der Effekt der Magnetostriktion in Nickel zum Schreiben/Lesen und ein langer aufgerollter Nickeldraht zur Speicherung ausgenutzt. Solche Verzögerungsleitungen sind in der Computertechnik seit den 60er-Jahren überholt, sie wurden vom Kernspeicher abgelöst.
Die ersten akustischen Glas-Verzögerungsleitungen wurden bereits ab Beginn der RADAR-Technik im Zweiten Weltkrieg entwickelt.
Die Verzögerungsleitungen für Farbfernsehgeräte hatten zu Beginn der 1960er Jahre (also zu der Zeit, in der die PAL-Norm bei Telefunken entwickelt wurde) eine Länge von ca. 15 cm. Später verkleinerte man diese Leitungen durch Benutzung von Mehrfachreflexion im Glaskörper.
Siehe auch
Weblinks
- Magnetostriktiver Laufzeitspeicher im Lexikon eines Fördervereins für Technikgeschichte
- Laufzeitspeicher, in einem Museum noch immer in Benutzung
Einzelnachweise
- ↑ Fernsehtechnik ohne Ballast, Otto Limann, Franzis-Verlag 1973, ISBN 3-7723-5270-7, S. 179/Laufzeitkabel
- ↑ Z.B. Fa.Hackethal, Kabeltype HH1000 mit 0,13μS/m Innenleiter nur gewendelt, Kabeltype HH2500 mit 1,9μS/m Innenleiter gewendelt und Hochfrequenzeisen im Kern-Isolator. Quelle Prospekt Hackethal 1955
- ↑ Aufsatz über einen f/U-Wandler mittels akustischer Verzögerungsleitung
- ↑ Datenblatt der PAL-Ultraschallverzögerungsleitung DL700, Hersteller Philips, Herstellernummer: 84701
- ↑ 40 Jahre PAL Farbfernsehen 1967 – 2007, Artikel aus dem Fachmagazin Funkgeschichte Nr. 174 August, September 2007, Seite 5 bis 7
- ↑ Datenblatt TDA4661 - Baseband Delay Line
- ↑ ADV7181 Datenblatt NTSC/PAL/SECAM Video Decoder
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