Totzeit (Regelungstechnik)

Totzeit (Regelungstechnik)
Totzeit-Glied im Strukturbild

Als Totzeit (auch Laufzeit oder Transportzeit genannt) wird in der Regelungstechnik die Zeitspanne zwischen Änderung am Systemeingang und Antwort am Systemausgang einer Regelstrecke bezeichnet. Ein System mit Totzeit wird auch als Totzeitglied bezeichnet.

Eine Totzeit in einer Regelstrecke führt meistens zu Komplikationen bei der Bestimmung der Regelparameter. Treten in einem geschlossenen Regelkreis erhebliche Totzeiten auf, so ist außerdem mit einem wesentlich schlechteren Regelverhalten zu rechnen. Wichtig ist dies insbesondere bei Anwendungen der Telemanipulation und Fernsteuerung. So sind z. B. Regelkreise der Positionsregelung eines Satelliten idealerweise im Satelliten selbst zu realisieren, nicht über die Kontrollstation am Boden. Aber auch bei rein lokal realisierten Anlagen schränken durch Spiele entstehende Totzeiten die erreichbare Performance ein.

Totzeit wird häufig mit Verzögerungszeit verwechselt: Verzögerungszeiten entstehen, wenn ein System z. B. durch Massenträgheit verzögert reagiert. Totzeiten sind immer Laufzeiten, d. h. ein Ausgangssignal kommt erst zustande, nachdem eine bestimmte Strecke in einer bestimmten Zeit (der Totzeit) durchlaufen wurde. Dabei wird (bei idealen Totzeitgliedern) die Signalform des Eingangssignales nicht verändert. Bekannte Systeme mit Totzeit finden sich z. B. bei Transportvorgängen, z. B. bei einem Förderband. Das Aufbringen des Materials auf das Förderband (Systemeingang) geschieht zum Zeitpunkt t = t0. Das Material kommt zum Zeitpunkt t = t1 am Ende (Systemausgang) an. Die Differenz Tt = t1t0 wird als Totzeit bezeichnet und ist im Fall des Förderbands durch den Quotienten aus der Länge des Förderbandes und der Förderbandgeschwindigkeit gegeben.

Die Funktionalbeziehung eines Totzeitgliedes im Zeitbereich lautet:

\displaystyle y(t) = u(t-T_\mathrm{t})

Das Eingangssignal wird also - um die Totzeit verzögert - am Ausgang unverändert erscheinen. Daraus ergibt sich die Übertragungsfunktion im Bildbereich:

G(s) = e^{-s\cdot T_\mathrm{t}}

Ein reines Totzeitglied hat also die Verstärkung 1 bzw. die Dämpfung av = 0 dB. Die Phasenverschiebung zwischen Eingangssignal u(t) und Ausgangssignal y(t) erhöht sich proportional zur Frequenz, das heißt, mit zunehmender Frequenz des Eingangsignals vergrößert sich die Phasenverschiebung des Ausgangssignals.
Dies kann zu Stabilitätsproblemen des gesamten Regelkreises führen.

Zur Berechnung der Phasenverschiebung wird die Übertragungsfunktion G(s) auf der imaginären Achse des Bildbereichs (welche dem Frequenzverhalten entspricht) betrachtet.

G(s=0+\mathrm{i}\omega) = e^{-\mathrm{i}\omega\cdot T_\mathrm{t}}

Der Phasenwinkel kann jetzt direkt abgelesen werden (siehe hierzu auch Eulersche Identität).

\varphi (\omega)= -\omega\cdot T_\mathrm{t}

Mit ω = 2πf ergibt sich daraus die Phasenverschiebung in Abhängigkeit von der Frequenz:

\varphi (f)= -2\pi f\cdot T_\mathrm{t}

Ist die Regelstrecke durch ein reines Totzeitglied gegeben, dann sind P-, PD- und PID-Regler unbrauchbar. Das heißt für das Beispiel des Förderbandes: will man den Volumenstrom am Ende des Förderbandes regeln, so kann das nur durch einen I- oder PI-Regler geschehen, der über das Stellglied den Volumenstrom am Anfang des Förderbandes beeinflusst.

Bei stark totzeitbehafteten Systemen kann ein Smith-Prädiktor zur Regelung verwendet werden.

Siehe auch: Regler, P-Glied, D-Glied, I-Glied, PID-Regler, PT1-Glied, PT2-Glied


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