Wasseruhr

Wasseruhr
Antike Klepsydra – Das obere Gefäß ist so geformt, dass der fallende Wasserstand der verstrichenen Zeit proportional ist. Durch ein Loch im Boden fließt das Wasser in das untere Gefäß ab.
Gesandte des Kalifen Harun al-Raschid überbringen Karl dem Großen eine Wasseruhr

Eine Wasseruhr bezeichnet ein Gerät zur Zeitmessung, bei dem als Hilfsmedium Wasser verwendet wird. Dem Prinzip nach ist die Wasseruhr mit der Sanduhr verwandt, da beide aus zwei Behältern bestehen und Teilchen vom einen in den anderen strömen.

Inhaltsverzeichnis

Kulturelle Ausbreitung

Das Funktionsprinzip wird seit mehreren Jahrtausenden in zahlreichen Kulturen genutzt, insbesondere von Griechenland bis nach China. Die jeweiligen Umsetzungen sind teils kompakt und einfach, können aber auch sehr groß sein und mit zusätzlichen, aufwendigen mechanische Komponenten versehen sein.

Aus den einfachen Einlaufuhren und Auslaufuhren der Antike entwickelten sich spätestens im Mittelalter in China und im Vorderen Orient große mechanische Apparate. Die einfache Wasseruhr nannte man in Griechenland auch Klepsydra („Wasserdieb“). Auf ihrer Basis kam es beispielsweise auch zu frühwissenschaftlichen Erklärungsversuchen der Phänomene von Druck, Unterdruck und Vakuum. Für den Orient ist weiterhin die Existenz, es sind jedoch keine Konstruktionsdetails spezieller Kurzzeit-Wasseruhren überliefert, die in der frühzeitlichen Astronomie zum Einsatz kamen. Der Kalif Harun al-Raschid schenkte Karl dem Großen eine Wasseruhr. Reguläre Wasseruhren deckten typischerweise eher Zeiträume in der Größenordnung von Stundenbruchteilen.

Der Vorteil einer Wasseruhr gegenüber einer Sonnenuhr bestand darin, dass sie nicht so stark vom Sonnenlicht und der Witterung abhängig waren und auch nachts, in geschlossenen Räumen oder im Schatten funktionsfähig waren. Allerdings behinderte Frost bei allen Wasseruhren den Wasserfluss und damit die Genauigkeit, sodass man Fackeln aufstellen oder das Wasser durch Quecksilber (Schmelzpunkt: -38,8 °C) ersetzen musste.

Geschichte

  • Um 1530 v. Chr. baute der Siegelaufbewahrer Amemhet für König Amenophis I. im Alten Ägypten eine technisch ausgereifte Wasseruhr.
  • Im Tempel des Amun in Karnak sollen Bruchstücke einer Wasseruhr gefunden worden sein, die auf das 14. Jahrhundert v. Chr. datiert werden.
  • Im 3. Jahrhundert v. Chr. baute Ktesibios Wasseruhren, Wasserorgeln, ein Pressluftgeschütz und eine doppelt wirkende Pumpe mit Windkessel.
  • Im Griechenland und Rom der Antike wurde die Redezeit vor Gericht mit Wasseruhren, beispielsweise mit einer Klepsydra gemessen.
  • In China baute der Mönch Yixing um 725 ein astronomisches Instrument, das ebenfalls als Uhr diente. Bewegt wurde es über ein mit Wasser betriebenes Schaufelrad, das binnen 24 Stunden eine vollständige Umdrehung durchführte. Sonne, Mond und Himmelskugel bewegten sich auf Kreisbahnen, eine Glocke läutete automatisch jede Stunde, eine Trommel schlug jede Viertelstunde. Alle Bewegungen steuerte ein Mechanismus mit mechanischer Hemmung (nicht durch Gewichte und Spiralfedern, sondern durch Wasserkraft bewegte Hemmung). Der Mechanismus begann aber bald zu rosten, sodass die Maschine stillgelegt werden musste. Yixing verstarb zu früh, um noch ein Nachfolgemodell zu konstruieren.
  • Der Chinese Su Song baute und beschrieb um 1090 eine Wasseruhr, die am Antriebsrad eine Hemmung besaß. Ihre Konstruktion ist in allen Einzelheiten überliefert. Sie baute auf einem Vorgängermodell von Zhang Sixun von 976 auf und besaß ein mit Schalen bestücktes Wasserrad. Diese Schalen wurden so mit Wasser gefüllt, dass sich das Rad pro Viertelstunde um eine Schale weiter drehte, während eine Sperrklinke ein ungewolltes Vorwärtsdrehen und eine weitere ein ungewolltes Rückwärtsdrehen verhinderte. Die Uhr Su Songs war von 1092 bis 1127 in Kaifeng in Betrieb, danach noch einige Zeit in Peking.
  • 1982 wurde die 13 Meter hohe Uhr der fließenden Zeit (entworfen von dem Franzosen Bernard Gitton) im Berliner Europa-Center aufgestellt (Bild).
Die Uhr der fließenden Zeit, eine moderne Wasseruhr im Berliner Europa-Center, nach einem Design von Bernard Gitton
Ein baugleiches Wasseruhrwerk in kleinerer Version im Noria-Museum, Saint-Jean-du-Bruel, Frankreich

Die Wasseruhr hat in heutiger Zeit aufgrund ihrer eher nur moderaten Genauigkeit und ihrer örtlichen Gebundenheit zugunsten anderer Techniken ihre Bedeutung im Alltagsleben verloren, ist aber gelegentlich Gegenstand einer künstlerisch-dekorativen Umsetzung in diversen modernen, meist großformatigen, Versionen.

Literatur

Ulrich Alertz: Das Horologium des Harûn al-Raschîd für Karl den Großen – Ein Versuch zur Identifikation und Rekonstruktion nach der Bauanleitung des al-Gazarî. In: Wolfgang Dreßen, Georg Minkenberg, Adam C. Oellers (Hrsg.): Ex Oriente – Isaak und der weiße Elefant. Bagdad – Jerusalem – Aachen. Band I, Mainz 2003, S. 234–249, 10 Abbildungen.

Weblinks

 Commons: Wasseruhr – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary Wiktionary: Wasseruhr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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