Werla

Werla

Die Königspfalz Werla, gelegen auf dem Gemeindegebiet von Werlaburgdorf bei Schladen in Niedersachsen, war eine wichtige Stätte für die frühe deutsche Reichsgeschichte im 10. bis 12. Jahrhundert. Sie wurde nach 1015 zugunsten der 15 km entfernt liegenden Pfalz Goslar aufgegeben und geriet bis zu ihrer Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert vollkommen in Vergessenheit. Das Pfalzgelände von etwa 20 ha, von dem keine oberirdischen Reste mehr sichtbar sind, erhebt sich auf dem Kreuzberg als natürliches Plateau 17 m über die Oker. Die früheren Befestigungsanlagen in Form einer Hauptburg und zwei großräumigen Vorburgen wurden im 20. Jahrhundert ausgiebig archäologisch erforscht.

Bodenreste der Pfalzanlage, im Hintergrund Schladen mit Zuckerfabrik

Inhaltsverzeichnis

Lage

Die Pfalzanlage liegt etwa 15 km südlich von Wolfenbüttel und 15 km nordöstlich von Goslar. Sie befindet sich im freien Gelände zwischen Schladen und Werlaburgdorf. Eine Zufahrt für Fahrzeuge besteht nicht. Sie ist über einen Wanderweg zu erreichen entlang der Wedde und dann links entlang der Oker durch die Flussniederung. Ein günstiger Ausgangspunkt ist auch das Heimathaus "Alte Mühle" in Schladen. Nach 2 Kilometern erreicht man das 17 m hohe Geländeplateau des Kreuzberges, auf dem die ehemalige Pfalz lag.

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Lage der früheren Königspfalz Werla auf dem Kreuzberg, einem natürlichen Geländesporn über der Oker, mit Zentrum im Bereich des markanten, einzelstehenden Baumes
Lage der früheren Königspfalz Werla auf dem Kreuzberg, einem natürlichen Geländesporn über der Oker, mit Zentrum im Bereich des markanten, einzelstehenden Baumes

Der nahegelegene Ort Werlaburgdorf trägt erst ab 1958 diesen Namen, vorher hieß er schlicht "Burgdorf".

Pfalzanlage

Rekonstruktion der Werla als Schautafel auf dem Pfalzgelände

Die Hauptburg war eine kreisförmige Anlage mit einem Durchmesser von etwa 150 m. Sie lag auf dem Kreuzberg mit zwei Seiten direkt an den rund 17 m hohen Steilhängen zur Flussniederung der Oker. Dieser Burgbereich war mit einer etwa 1 m starken Ringmauer und einem 9 m breiten und 4 m tiefen Spitzgraben umgeben. Die Mauer verfügte über zwei Tore und mehrere Türme. An die Kernburg schlossen sich zwei (spätere) Vorburgen an. Insgesamt war ein Areal von rund 20 Hektar in die Befestigung einbezogen. Die Vorburgen verfügten ebenfalls über einen ähnlich tiefen Graben, hatten aber anstatt einer Mauer einen Wall (vermutlich mit Palisade). Innerhalb der Hauptburg wurden mehrere frühere Gebäude ergraben.

  • Kapelle (23 × 7,5 m)
  • Kemenate (5 × 8 m)
  • Saalgebäude (17 × 7 m)
  • Palas I (22 m lang mit Heizungsanlage)
  • Palas II (15 × 34 m)
  • Unterirdischer Fluchtgang nach außen von 35 m Länge
  • Wachhäuser

Ein rekonstruiertes Modell der Pfalz Werla befindet sich im Braunschweigischen Landesmuseum. Es zeigt die Anlage im Zustand des 10. Jahrhunderts mit einzelnen Steinbauten sowie einer steinernen Umfassungsmauer.

Geschichte

Name

Die Herkunft des Namens Werla ist nicht eindeutig. Der Corveyer Mönch Widukind erwähnte diesen Begriff um 967 und beschrieb damit - je nach Lesungsweise - eine feste Burg oder einen befestigten Ort, an dem sich der König (Heinrich I.) befand. 1935 stellte der Namenforscher Edward Schröder die Theorie zur Namensherkunft von Werla auf, wonach es übersetzt ein Ausdruck für "Männerwald" sei. Der Name habe sich vom Grundwort vir (lat.) oder dem verwandten germanischen Wort wer für Mann gebildet. Angehängt worden sei der Zusatz -la(h), ein alter Begriff für Wald. Schröder nahm an, dass das spätere Gelände der Pfalz zunächst ein heiliger Waldbezirk gewesen sei, in dem sich in heidnischen Zeiten Gauvertreter zu Beratungen trafen. Eine neuere Deutung aus den 1960er Jahren besagt, dass es sich bei Werla um einen Gewässernamen eines nahen Baches gehandelt habe, der auf den Kreuzberg als Standort der Pfalz übertragen wurde.

Zeitleiste Pfalz

9. Jahrhundert
926
968
1017
1086
12. Jahrhundert
1180
13.–15. Jahrhundert
um 1500
19. Jahrhundert
1875
1926
1934–39
1957–64
2004
seit 2007
März 2008
Mai 2008

- Entstehung der Befestigungsanlage
- Gefangennahme des ungarischen Fürsten Zoltán vor der Burg Werla durch König Heinrich I.
- Adelsversammlung in Abwesenheit des Königs
- Verlegung der Pfalz nach Goslar
- Verschenkung des Wirtschaftshofes der Pfalz
- Vergrößerung durch Vorburgen (Stadtgründung?)
- Letzte Nutzung als Pfalz durch Kaiser Friedrich I.
- Dörfliche Siedlung anstelle der Burganlage
- Aufgabe der dörflichen Siedlung und in Vergessenheit geraten
- Suche nach der Königspfalz
- Grabung mit erster Entdeckung von Resten
- Eintägige Versuchsgrabung
- 1. Ausgrabungskampagne
- 2. Ausgrabungskampagne
- Planung eines „Archäologieparks Kaiserpfalz Werla“
- moderne Grabungen innerhalb der Kernburg und umfangreiche Prospektion der Inneren Vorburg
- Gründung des "Fördervereins Archäologischer Park Kaiserpfalz Werla"
- Rekonstruktion eines westlichen Mauerabschnitts der Hauptburg

Zeitleiste Königsaufenthalte

  • 926

- Heinrich I.

  • 937
  • 939
  • 940
  • 947
  • 956

- Otto I.

  • 973
  • 974
  • 975

- Otto II.

  • 993

- Otto III.

  • 1005
  • 1013

- Heinrich II.

  • 1035

- Konrad II.

  • 1180

- Friedrich I. (Barbarossa)

Pfalzfunktion

Die erste urkundliche Erwähnung der Pfalz Werla erfolgte 931 in einer Urkunde von König Heinrich I. Sie enthält die Königsaufenthalte der deutschen Herrscher zwischen 926–1180 von Otto I., Otto II. Otto III., Heinrich II., Konrad II. und Friedrich I. (Barbarossa). Das Dokument nennt auch die einzelnen Monate des Aufenthalts, denn die Herrscher zogen durch das Land von einer zur anderen Pfalz. Der damalige Hofstaat zur Unterhaltung des Königsaufenthaltes wird heute auf 300–1.000 Personen geschätzt. Die Anlage im heutigen südlichen Landkreis Wolfenbüttel hatte daher eine erhebliche Bedeutung für die Könige des Deutschen Reiches.

Die Blütezeit der Pfalz mit ihren zahlreichen Königsaufenthalten lag zwischen etwa 920–1020. Danach deutete sich unter Heinrich II. bereits die künftige Rolle der Kaiserpfalz Goslar an, wo inzwischen am Rammelsberg reiche Silbererzvorkommen ausgebeutet wurden. Auf seinen Befehl wurde 1017 die Pfalzfunktion dorthin übertragen. Sein Nachfolger, Konrad II., hielt noch eine Reichsversammlung an der alten Stätte Werla ab, aber seine Bemühungen konzentrieren sich bereits auf den neuen königlichen Bezirk am Nordrand des Harz. Das letzte Mal lud 1180 ein deutscher König zum Hoftag auf der Werla ein: Friedrich Barbarossa wählte mit Bedacht diesen so sehr in der sächsischen Geschichte verwurzelten Ort, um die Bestrafung Herzog Heinrichs des Löwen in die Wege zu leiten.

Verfall und Vergessen

Im 12. Jahrhundert kam es aus bisher unbekannten Gründen zur Erweiterung der Hauptburg um die beiden Vorburgen mit überdimensionierten Ausmaßen. Möglicherweise war eine Stadtgründung geplant. Kurz danach wurde die gesamte Anlage aufgegeben und verfiel. Die Angehörigen des Wirtschaftshofes blieben wahrscheinlich weiterhin im Bereich der Vorburgen der Pfalz sesshaft und bildeten die Siedlung Werla. Da sich Spuren einer dauerhaften Besiedlung um 1500 verlieren, dürften die Menschen ihre Hofstellen in das nahe Burgdorf, das heutige Werlaburgdorf, verlegt haben. Nachdem man die oberirdischen Mauern der Pfalzanlage wahrscheinlich für den eigenen Hausbau abgetragen hatte, geriet sie in Vergessenheit. Von der Existenz der Pfalz zeugten rund 50 überlieferte Schriftquellen aus dem 10. bis 13. Jahrhundert, wie Königsurkunden und Chronikberichte. In ihnen wird zwar die Werla wörtlich genannt, sie konnte aber über Jahrhunderte nicht mehr lokalisiert werden.

Grabungsgeschichte

Erste Grabung 19. Jahrhundert

Etwa 4 m hoher Gedenkstein, 1875 auf dem Pfalzgelände aufgestellt

Erste Lokalisierungsversuche der Pfalz Werla gab es im 19. Jahrhundert, wo ihre Lage in Werle in Mecklenburg oder in Werl in Westfalen vermutet wurde. Eine Eingrenzung auf den Raum Schladen ergab sich durch das Urkundenstudium des Gelehrten H.A. Lüntzel Mitte des 19. Jahrhunderts. Ortsansässige Bauern hatten berichtet, dass sie auf dem Kreuzberg Steine aufgepflügt hätten. 1875 führte der Bauinspektor der Kaiserpfalz Goslar E.F.A. Schulze eine kurze Grabung vor, die einige Fundamente zutage treten ließ. Dies nahm man als „Nachweis“ für die alte Königspfalz Werla ohne einen wissenschaftliche Beweis dafür zu haben. Es wurde ein Gedenkstein aufgestellt, der heute noch neben einer markanten Linde steht. Um 1920 forschte der Lehrer Franz Kaufmann aus Schladen nach der Werla und lenkte das archäologische Interesse auf das heutige Werlaburgdorf. Das führte 1926 zu einer kurzen Versuchsgrabung, bei der man nicht mit weiteren Funden rechnete.

Luftbilderkundung 20. Jahrhundert

Ab 1934 kam es durch eine „Werla-Kommission“ mit Hilfe des Reichsarbeitsdienstes zu organisierten Grabungen, die bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 anhielten. Dabei wurden großflächig Mauerfundamente im inneren Bereich der Pfalz untersucht. Zu sensationellen Entdeckungen führten 1937 Luftbilder der Fliegerbildschule Hildesheim. Erstmals kam dabei in der Archäologie Stereofotografie zum Einsatz. Die Luftbilder zeigten streifenförmige Bodenverfärbungen in den angrenzenden Ackerflächen und ließen die gewaltigen Ausmaße der Gesamtanlage von 600 × 600 m erkennen.

Grabungsende 1964

Die Hauptburg gilt archäologisch als vollständig erschlossen nach einer groß angelegten Ausgrabungskampagne von 1957–64. Die beiden Vorburgen wurden nur stichprobenhaft untersucht, um sich auf die Hauptburg zu konzentrieren. Bei den Grabungen wurden tausende Einzelfunde geborgen, bei denen es sich mehrheitlich um Keramik, aber auch um Eisen- und Bronzestücke handelte. Die gefundenen Münzen, u.a. aus Rostock, Göttingen und Bremen, stammten aus dem 13. Jahrhundert. Hinweise auf die zeitweiligen hochangesehenen Besucher der Pfalz fehlen, die frühere königliche Anwesenheit spiegelt sich nur in den Baulichkeiten der Anlage.

Großveranstaltung 2005

Am 21. und 22. Mai 2005 fand auf dem Gelände der Pfalz eine Großveranstaltung mit dem Titel "Pfalz Werla-Leben vor 1000 Jahren" statt. Bei dem eventartigen Ereignis erhielten Besucher die Möglichkeit, eine Zeitreise ins Mittelalter zu unternehmen. 300 Akteure, 130 Zelte, ein Dutzend Pferde und fünf Geschütze präsentierten 17.000 Besuchern drei Zeitinseln:

  • Europa um das Jahr 1000 mit Vorführung kriegerischer Auseinandersetzungen und Einblicken in die Lebens- sowie Ernährungsgewohnheiten
  • Welfen und Staufer-Zeit des Mittelalters mit höfischem Leben
  • Spießbürger und Pulverdampf zu Zeiten des Spätmittelalters mit Wehrtechnik und Handwerk einer städtischen Gesellschaft.

Die Großveranstaltung sollte die Bewerbung Braunschweigs zur Kulturhauptstadt Europas 2010 unterstützen, was sich durch eine Entscheidung gegen Braunschweig 2005 erübrigte.

Grabung seit 2007

Unter der Leitung des Archäologen Markus Blaich begannen im Frühjahr 2007 erneute Nachgrabungen im Bereich der Kernburg (Kapelle, Estrichbau und Westtor). Diese Bereiche wurden innerhalb des Jahres 2007 gänzlich freigelegt. Des Weiteren wird die Innere Vorburg vollständig geomagnetisch prospektiert. Zusammen mit den Ergebnissen einer Begehung der Flächen und den dabei entdeckten Fundstücken ist eine genauere Lokalisation ehemaliger Wirtschaftsgebäude und deren Gruppierung möglich.

Im Mai 2008 wurde der nächste Grabungsabschnitt begonnen, wobei vorrangig eine Sicherung der freigelegten Fundamente durchgeführt wurde. Ausgrabungen fanden am westlichen und südlichen Teil der Wehrmauer sowie im Bereich von Turm IV statt. Kleinere Nachgrabungen wurden in den Arealen südlich der Kapelle durchgeführt. Als erste Rekonstruktion der Wehrmauer wurde ein kurzes Teilstück (6 m Länge, 1,40 m Breite und 1,70 m Höhe) errichtet. Mittlerweile ist geplant, die Reste der Pfalz zum "Archäologischen Park Kaiserpfalz Werla" zu gestalten.

Siehe auch

Literatur

  • Robert Slawski: Königspfalz Werla Forschungsreise in das 10. Jahrhundert, Zelter Verlag, 1. Auflage, Braunschweig 2005, ISBN 3-931727-05-X.
  • Carl-Heinrich Seebach: Die Königspfalz Werla. Die baugeschichtlichen Untersuchungen, Karl Wachholtz Verlag, Neumünster 1967
  • Hans Adolf Schultz: Burgen und Schlösser des Braunschweiger Landes, Braunschweig 1980, ISBN 3-87884-012-8
  • Ernst Andreas Friedrich: Wenn Steine reden könnten. Landbuch-Verlag, Hannover 1989, ISBN 3-7842-0397-3

Weblinks

52.03768305555610.5547711111117Koordinaten: 52° 2′ 16″ N, 10° 33′ 17″ O


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