Wernicke-Enzephalopathie

Wernicke-Enzephalopathie
Klassifikation nach ICD-10
E51.2 Wernicke-Enzephalopathie
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Die Wernicke-Enzephalopathie (syn.: Polioencephalopathia haemorrhagica superior, Wernicke-Korsakow-Syndrom; engl.: Wernicke's encephalopathy; benannt nach Carl Wernicke 1848-1905) ist eine degenerative Erkrankung des Gehirns im Erwachsenenalter. Sie tritt vor allem bei Vitaminmangel (Malabsorptionssyndrom) auf.

Inhaltsverzeichnis

Betroffene

Eine Wernicke-Enzephalopathie findet sich bei etwa 15% der verstorbenen Alkoholiker. Seltenere Ursachen sind ein Magenkarzinom, eine Magenresektion oder eine lang andauernde parenterale Ernährung ohne Zugabe von Vitamin B1 (Thiamin). Im Jahr 2003 erkrankten mehrere Babys, die ausschließlich thiaminfreie Nahrung erhielten, an dem Syndrom.[1]

Entstehung

KM-Anreicherung periaquäduktal bei Wernicke-Enzephalopathie im MRT

Zu Grunde liegt ein Vitamin-B1-Mangel (Thiamin), der zu Störungen im Kohlenhydratstoffwechsel durch Versagen einer energiereichen Phosphorylierung führt. Nach einer ödematösen Schwellung des Gehirns kommt es später auch zur Einblutung und Kapillarsprossung an bestimmten Stellen des Gehirns (Corpora mamillaria, hypothalamische Kerngebiete um den III. Ventrikel, Lamina tecti und periaquäduktales Grau mit Okulomotoriuskerngebieten). Es folgt eine Atrophie dieser Strukturen.

Der Übergang zum Korsakow-Syndrom ist fließend, deshalb wird die Krankheit auch oft Wernicke-Korsakow-Syndrom genannt.

Symptome

Die Wernicke-Encephalopathie wird klassischerweise durch die Symptomkombination Hirnorganisches Psychosyndrom (HOPS), Gang- und Standunsicherheit und Augenbewegungsstörungen beschrieben. Im Speziellen kommt es zu Störungen beim Bewegen der Augen durch Augenmuskellähmungen und Doppelsehen (Diplopie), horizontalem Blickrichtungsnystagmus, Reflexstörungen, Bewusstseinstörungen, Desorientiertheit, Apathie und Somnolenz, cerebellärer Rumpf-, Stand- und Gang-Ataxie, Störungen der Feinmotorik mit Dysdiadochokinese, bulbärer Sprechstörung (Dysarthrie), Schluckstörung (Dysphagie), Schlafstörung (Insomnie), vegetativen Störungen wie Hypotonie, Hypothermie und Hyperhidrose, organischer Psychose.

Therapie

Entsprechend dem Entstehungsmechanismus besteht die Behandlung in einem schnellstmöglichen Vitaminersatz durch intravenöse Gabe von Thiamin. Im Verlauf eines Jahres kann dadurch eventuell eine deutliche Leistungsanhebung eintreten. Daneben ist eine absolute Alkoholabstinenz erforderlich. Unbehandelt kann die Erkrankung tödlich verlaufen. Eine unkontrollierte Glucose-Infusion bei Alkoholikern mit unklarer Bewusstseinsstörung kann einen latenten Thiamin-Mangel bis hin zum Auslösen einer Wernicke-Enzephalopathie verschlimmern, da die Verstoffwechselung der Glucose Thiamin als Coenzym benötigt.

Siehe auch

Literatur

  • Cook, C.C. & Thomson, A.D. (1997): B-complex vitamins in the prophylaxis and treatment of Wernicke-Korsakoff syndrome, British journal of hospital medicine, 57, 461-465.
  • Schröder, Thomas: Zur Katamnese der alkoholischen Wernicke-Enzephalopathie, Akademie für Ärztliche Fortbildung der DDR, Berlin 1990. (Dissertation)
  • Witting, Birgit: Morphologische Untersuchungen zur Wernicke-Enzephalopathie, Freie Universität Berlin 1988. (Dissertation)

Einzelnachweise

  1. Fattal-Valevski A, Kesler A, Sela BA, et al: Outbreak of life-threatening thiamine deficiency in infants in Israel caused by a defective soy-based formula. In: Pediatrics. 115, Nr. 2, Februar 2005, S. e233–8. doi:10.1542/peds.2004-1255. PMID 15687431.
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