Carl Wernicke

Carl Wernicke
Carl Wernicke

Carl Wernicke (* 15. Mai 1848 in Tarnowitz, Oberschlesien; † 15. Juni 1905 in Dörrberg im Geratal, heute ein Ortsteil von Gräfenroda), war ein deutscher Neurologe und Psychiater. Er wirkte als Professor in Breslau und Halle.

Wernicke entdeckte 1874 das sensorische Sprachzentrum (so genanntes Wernicke-Areal) im Gehirn, das im Gegensatz zum motorischen Broca-Areal (nach Paul Broca) für das Verstehen von Sprache zuständig ist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Carl Wernicke wurde am 15. Mai 1848 zu Tarnowitz in Oberschlesien geboren; sein Vater war Oberbergamtsrevisor. Wernicke besuchte das Königliche Gymnasium in Oppeln und das Maria-Magdalenen-Gymnasium in Breslau bis zum Abitur im Jahre 1866. Er studierte Medizin an der Universität Breslau und promovierte 1870. Als Assistenzarzt am Allerheiligenhospital zu Breslau habilitierte er sich 1875. Von 1876 bis 1878 war er Assistent an der psychiatrischen und Nervenklinik der Charité in Berlin. Im Jahre 1885 wurde er als außerordentlicher Professor für Psychiatrie und Nervenkrankheiten nach Breslau berufen und 1890 zum ordentlicher Professor ernannt. 1904 folgte er einem Ruf nach Halle. Als Direktor der Hallenser psychiatrischen und Nervenklinik hat er nicht ganz 3/4 Jahre gewirkt. Auf einer Radfahrt durch den Thüringer Wald verunglückte er am 13. Juni 1905; dabei erlitt er mehrere Rippenbrüche und einen Brustbeinbruch, wodurch ein Pneumothorax entstand. An diesen schweren Verletzungen verstarb er. Seine Leiche wurde in Gotha eingeäschert.

Werk

Erstveröffentlichung von Wernickes Entdeckung 1874

1874 veröffentlichte der 26-jährige Wernicke eine Arbeit, in der er die Entdeckung der sensorischen Aphasie mitteilte. Diese Arbeit, „eine psychologische Studie auf anatomischer Basis“, stellt sich als eines der großen Ereignisse in der Geschichte der Medizin dar, sowohl Dank den in ihr enthaltenen Beobachtungen, als auch auf Kraft der Wirkungen, die von ihr ausgegangen sind. Sie fußte auf den Anschauungen Theodor Meynerts über Bau, Tätigkeit und Leitungssysteme des Gehirns, die sich in Projektionssysteme und Assoziationssysteme scheiden. Auf diese Weise erklärte Wernicke die motorische Aphasie (Broca, Läsion der 3. Stirnwindung), die sensorische Aphasie (von ihm nachgewiesene Läsion der 1. Schläfenwindung) und nahm eine Leitungsaphasie durch Zerstörung des verknüpfenden Assoziationssystems an.

Von dieser Auffassung aus gabelt sich die wissenschaftliche Tätigkeit Wernickes in drei Richtungen:

  • Der eine Zweig war die Anatomie des zentralen Nervensystems, speziell des Gehirns, in der er immer das Fundament jeglicher klinischen Arbeit sah. Das Ergebnis dieser Forschung war der erste Band seines „Lehrbuches der Gehirnkrankheiten“ (1881), in dem er vor allem die Herde neurologischer Krankheiten zu lokalisieren versuchte.
  • Arbeiten auf dem Gebiet der Gehirnpathologie, im 2. und 3. Band des Lehrbuches der Gehirnkrankheiten, und der Geisteskrankheiten, in seinem „Grundriss der Psychiatrie“ (1894-1900).
  • Eine große Anzahl kleinerer Veröffentlichungen über: das Krankheitsbild der Polioencephalitis haemorrhagica, die hemiopische Pupillenreaktion, den Prädilektionstypus der cerebralen Lähmung, zusammen mit Ludwig Mann, („Wernicke-Mann-Prädilektionstyp“).

Siehe auch: Wernicke-Aphasie, Wernicke-Enzephalopathie

Wichtigste Arbeiten

  • Der aphasische Symptomenkomplex. Eine psychologische Studie auf anatomischer Basis. Breslau: M. Cohn & Weigert 1874
  • Lehrbuch der Gehirnkrankheiten. Bd. I-III. Berlin: Theodor Fischer 1881-83
  • Atlas des Gehirns. Mit E.Hahn, H.Sachs, P. Schröder, O Förster. Berlin: Karger 1897-1903
  • Grundriss der Psychiatrie in klinischen Vorlesungen. Leipzig: G. Thieme 1900
  • Krankenvorstellungen aus der psychiatrischen Klinik in Breslau, Heft 1-3. Breslau: Schlettersche Buchhandlung 1899-1900

Literatur

  • Gruhle, H.W.: Wernickes psychopathologische und klinische Lehren. Nervenarzt 26, 505-507, 1955
  • Kleist, K.: Pathoarchitektonische Begründung der sensorischen Aphasien. In Rehwald, E.: Das Hirntrauma. Stuttgart: Georg Thieme 1956
  • Kleist, E.: Carl Wernicke. In Kolle, K.: Grosse Nervenärzte, Band 2. Stuttgart: Georg Thieme 1970
  • Lanczik, M.: Der Breslauer Psychiater Carl Wernicke. Thorbecke, Stuttgart, 1998. ISBN 3-7995-5852-7
  • Schröder, P.: Die Lehren Wernickes in ihrer Bedeutung für die heutige Psychiatrie. Z. ges. Neurol. Psychiat. 165, 38-47, 1939

Weblinks


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