Wiener Schmäh

Wiener Schmäh

Das Wort Schmäh (sprich: „schmee“) hat im Wienerischen mehrere Bedeutungen:

  1. Es kann eine Irreführung oder humoristische Lügengeschichte meinen
    Dazöö ma kane Schmäh! oder Hoit mi net am Schmäh! („Lüge mich nicht an“ / „Veräppel mich nicht“),
  2. die humoristische – demzufolge ebenso wenig wortwörtlich zu nehmende – Konversation
    Mia hom in gonzn Obnd long Schmäh gfiat! („Wir haben den ganzen Abend Spaß gehabt“)
  3. den Esprit einer gewitzten Person
    Da Franz hot an leiwandn Schmäh! („Franz hat einen astreinen Humor“ mit leiwand „einwandfrei“ von frz. lévant, „erhebend“, oft auch „gut“)

Schmähstad (stad „still“, „ruhig“) ist im Gegensatz dazu der gängige Ausdruck für „sprachlos“ im Sinn von „nicht (mehr) in der Lage sein, Kontra zu geben“. Ein Schmähtandler hingegen ist jemand, der mit seinem Schmäh "hausieren" geht, also jemand, dessen Äußerungen nicht immer für bare Münze zu nehmen sind. Wird oft angewandt, um jemanden nicht Lügner nennen zu müssen (z.B. vor Kindern).

Inhaltsverzeichnis

Mentalität

Mit Wiener Schmäh wird also eine den Bewohnern Wiens zugesprochene Mentalität bezeichnet, die sich durch Humor oder den damit verbundenen Gemütszustand auszeichnet: oft etwas melancholisch, sarkastisch oder morbid, humoristisch-verharmlosend, mitunter leicht arglistig und boshaft, oft grantelnd (misanthropisch), meist freundlich und durch ein Lächeln begleitet. Im Vergleich der Bundesländer wird in Wien laut Presseberichten am häufigsten gelächelt.[1]. Gegenstand mentalitätsgeschichtlicher Forschung ist der Wiener Schmäh jedoch bislang nicht. Der Ausdruck "Schmäh" wird nicht mit einer Schmähung in Verbindung gebracht, da er es nur in den allerseltensten Fällen auch ist.

Der Wiener Schmäh bedient sich des Wienerischen, einem aus der deutschen Umgangssprache der Vorstädte (Ansiedlungen außerhalb der Wiener Stadtmauer, der späteren Ringstraße) hervorgegangenem Dialekt. Anfänglich war er der (sprachliche) Ausdruck der einfachen Bediensteten, Wäscherinnen, Prostituierten und Tagelöhner und ist gewissermaßen eine Haltung – eine oppositionelle Denkweise, im Ausdruck eine Gegensprache zum geraden, pseudo-höfischen Idiom-Deutsch der Groß- und Kleinbürger, der Politiker und der Geistlichkeit.

Außenwahrnehmung

Außerhalb Wiens ansässige Österreicher wie auch andere Deutschsprecher erleben die typischen Verhaltens- und Redeweisen, die im Allgemeinen als Ausdruck des Wiener Schmäh gesehen werden, oftmals als eher hinterhältig bis stur und derb bis proletarisch.

Allerdings gibt es durchaus einen gepflegten Wiener Schmäh, welcher eben nicht proletarischen Ursprungs ist, sondern auch in gutbürgerlichen Kreisen verwendet wird. Ein gewisser Hang dazu, den Adressaten - aber auch sich selbst - mehr oder weniger liebevoll zu veräppeln, ist jedenfalls vorhanden. Diese Spielart des Schmähs wird von Nichtwienern, insbesondere Deutschen und Schweizern, manchmal missverstandenerweise als persönlich angriffig empfunden, was er jedoch nur in den seltensten Fällen auch ist, während die Tatsache, dass man in dieser Spielart des Schmähs auch sich selbst nicht ernstzunehmen gewillt ist, ebenfalls meist Erstaunen auslöst.

Je nach Intensität und Form kann der Wiener Schmäh daher bei einem Nichtwiener entweder Belustigung hervorrufen oder sogar als abstoßend empfunden werden. Gerade auch auf den erstgenannten Effekt ist der österreichweite Erfolg von TV-Serien wie Kaisermühlen-Blues und Ein echter Wiener geht nicht unter zurückzuführen. Generell betrachtet kann man sagen, dass man mit dem Wiener Schmäh westlich von St. Pölten keinen „Riss“ macht, das heißt, er kommt nicht an – es sei denn, er ist wie in den oben angeführten Fernsehserien humoristisch überzogen – und Wiener werden als „Koffer“ oder "Mundln", also primitiv, dargestellt.

Ein Kellner, der eine Frau wissend mit "Küss die Hand Frau Doktor" begrüßt, obwohl sie keinen Doktortitel hat, allenfalls ihr Ehemann,[2] bedient sich des Wiener Schmähs dahingehend, dass Österreicher Wert auf Titel legten und diese Ansprache die Chance auf ein gutes Trinkgeld erhöht.

Wiener Schmäh in der Kunst

Der Wiener Schmäh fand Mitte des 19. Jahrhunderts (Biedermeier) Eingang in die Literatur, das Theater und die Musik. So sangen etwa Ulli Bäer das Lied Nur mit'n Schmäh und Peter Cornelius Mit'n Schmäh.

Einzelnachweise

  1. Ländervergleich: "Grantige Wiener" lächeln laut Presseberichten am meisten. Die Presse, 21. September 2010, abgerufen am 25. September 2010.
  2. Rainhard Fendrich: Feine Damen. In: “Feine Damen“, Single. 1983, abgerufen am 25. September 2010 (deutsch, Liedstrophe): „In den Gesprächen lieben sie es akademisch, sie sind gebildet und belesen allesamt. Doch böse Zungen kichern leise, aber hämisch, denn promoviert haben sie erst am Standesamt.“

Weblinks


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