Willkürverbot

Willkürverbot

Willkür ist ein Rechtsbegriff im deutschen Recht.

Ursprüngliche Bedeutung

Willkür bezeichnet ursprünglich wertneutral die Entscheidungsfreiheit im Gegensatz zur Notwendigkeit, in bestimmter Weise zu verfahren. In diesem Sinne findet sich die Bedeutung etwa noch wieder in der gewillkürten Prozessstandschaft (also die nach Wahl der Prozessparteien eingetretene Prozesstandschaft) im Gegensatz zur notwendigen Prozessstandschaft (also die rechtliche vorgeschriebene Prozesstandschaft).

Bezogen auf den Staat besteht allerdings aufgrund der Bindung auf das Gemeinwohl auch dann keine eigentliche Entscheidungsfreiheit, wie sie Privaten zusteht. Auch die Ausübung von Staatsgewalt innerhalb eines Ermessensrahmens oder Beurteilungsspielraums ist nicht frei. Der Staat (im Gegensatz zu Privaten) darf mithin nicht willkürlich entscheiden, sondern nur aus sachlichem Grund gezogen auf das öffentliche Wohl (salus rei publicae).

Willkür staatlicher Entscheidungen als Verfassungsverstoß

Bezogen auf staatliche Entscheidungen – der Legislative, Exekutive oder Judikative – bedeutet Willkür das Fehlen eines sachlichen Grundes und damit jedenfalls einen Verstoß gegen Verfassungsprinzipien.

Willkür liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, wenn eine Rechtsanwendung, insbesondere eine gerichtliche Entscheidung, nicht nur fehlerhaft, sondern unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden Erwägungen beruht. Willkür ist bei einer Maßnahme gegeben, welche im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist. Dabei ist Willkür im objektiven Sinn zu verstehen und enthält keinen subjektiven Schuldvorwurf.[1]

Sofern Grundrechtsträger betroffen sind, stellt eine willkürliche Entscheidung zugleich einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Willkürverbot) gemäß gemäß Art. 3 Abs. 1 GG dar und kann auf die Verfassungsbeschwerde hin aufgehoben werden, wenn kein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung gegeben ist.

Auch im Zivilprozessrecht ist der Begriff der Willkür von Bedeutung: Eine gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindende Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht hat ausnahmsweise keine Bindungswirkung, wenn die Verweisung willkürlich ist.[2]

Einzelnachweise

  1. BVerfGE 80, 48–53
  2. BGH NJW 1993, 1273; 2004, 3201
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