Wirklich

Wirklich

Das deutsche Wort Wirklichkeit wurde von Meister Eckhart als Übersetzung des lateinischen „actualitas“ eingeführt. Es bezeichnet den Seinsmodus, der von Möglichkeit und Notwendigkeit abgegrenzt ist (siehe auch Kontingenz). Dem Begriffspaar Wirklichkeit/Möglichkeit (Akt/Potenz) steht das anders akzentuierte Begriffspaar Realität/Idealität gegenüber (siehe auch Realismus und Idealismus).

Der Begriff „Wirklichkeit“ (in Echt) erklärt im Unterschied zum Begriff Realität reale Dinge als Dinge, die eine Wirkung haben oder ausüben können. Insofern sind auch subjektive innere, z. B. emotionale Zustände der Wirklichkeit zugehörig, da auch sie Wirkung zeigen (Stichwort Psychosomatik). Dies kommt etwa in der Definition des Gestaltpsychologen Kurt Lewin (ebenso auch bei C. G. Jung) zum Ausdruck: „Wirklich ist, was wirkt.“ Diese erweiterte Verwendung des Begriffs findet man vor allem in der Psychologie und in der Kommunikationsforschung, während er in den Naturwissenschaften oft noch abgelehnt wird, weil er zu Missverständnissen führen könnte.

Inhaltsverzeichnis

Santiago-Theorie

Nach der so genannten Santiago-Theorie von Humberto Maturana und Francisco Varela wird Wirklichkeit durch die verkörperte Erfahrung eines Organismus hervorgebracht.

Wirklichkeitsordnungen

Der Kommunikationsforscher Paul Watzlawick teilt Wirklichkeit in verschiedene Ordnungen ein:

Wirklichkeit 1. Ordnung

Die Wirklichkeit 1. Ordnung ist das, was wir täglich zusammen mit anderen Menschen erleben, was anhand von Experimenten und durch Wiederholungen ,,überprüfbar" ist, wie zum Beispiel die Form, Farbe, Duft, Geräusche von bestimmten Objekten.

Wirklichkeit 2. Ordnung

Die Wirklichkeit 2. Ordnung ist auf ein Individuum bezogen und mit ,,Grundannahmen" zu umschreiben, die wir über die Welt durch Erfahrung haben. Sie ist eng verbunden mit Sinn und Wertvorstellungen, die wir mit den Dingen an sich verbinden und das Resultat höchst komplexer Kommunikationsvorgänge.

Wirklichkeit 3. Ordnung

Die Wirklichkeit 3. Ordnung ist das mehr oder weniger ,,einheitliche Bild", das wir aus unserer Erfahrung heraus erschaffen. Diese Ebene der Wirklichkeit ist identisch mit unserem Weltbild bzw. unserer Weltanschauung.

Buddhismus

Die buddhistische Lehre unterscheidet häufig zwischen der relativen Wirklichkeit und der absoluten Wirklichkeit. Die relative entspricht der alltäglich von jedem unerleuchteten Wesen individuell erlebten Welt, die geprägt ist von Leiden (Samsara). Die absolute Wirklichkeit, frei von individuellen Prägungen bzw. Bedingungen, wird in Nirvana erkannt, als die tatsächlichen Verhältnisse, Prozesse bzw. Wirkungen, frei von allem Leiden.

Manche Lehrer und/oder Autoren bezeichnen die relative Wirklichkeit „Erfahrungs-Welt“ und nennen nur die absolute kurz „Wirklichkeit“ (oder auch die „reale“, „letztendliche“ oder „tatsächliche“ Wirklichkeit).

Die relative Wirklichkeit (oder Erfahrungs-Welt) ist aus buddhistischer Sicht wie ein Traum zu sehen. Mit Hilfe von Praktiken wie Meditation und Yoga ist es möglich die „Traumhaftigkeit“ unseres Erlebens zu erkennen. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass es keine Trennung zwischen Beobachter, zu Beobachtendem und dem Prozess des Beobachtens gibt. Ein wichtiger Punkt in diesem Prozess ist die Erzeugung von Liebe und Mitgefühl allen Wesen gegenüber. Diese Emotionen fördern die Entwicklung hin zu einer Erkenntnis der „absoluten Wirklichkeit“ die frei von Leiden ist (Nirvana).

Literatur

  • Gerhard Roth: Das Gehirn und seine Wirklichkeit. Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1997
  • F. Varela, E. Thompson, E. Rosch: Der mittlere Weg der Erkenntnis: die Beziehung von Ich und Welt in der Kognitionswissenschaft - der Brückenschlag zwischen wissenschaftlicher Theorie und menschlicher Erfahrung. Goldmann, München 1995, ISBN 3-442-12514-6
  • Paul Watzlawick: Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen [1976], München/Zürich: Piper 2005 (4. Auflage)
  • Paul Watzlawick (Hg.): Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben?, München/Zürich: Piper 1985
  • Thorsten Benkel: Signaturen des Realen. Bausteine einer soziologischen Topographie der Wirklichkeit, Konstanz: UVK 2007, ISBN 978-3-86764-021-3
  • Hans Blumenberg: Wirklichkeitsbegriff und Möglichkeit des Romans [1964], in: H. R. Jauß (Hg.), Nachahmung und Illusion, München: Fink 1991 (3. Auflage), S. 9-27
  • Yongey Mingyur Rinpoche: Buddha und die Wissenschaft vom Glück, Goldmann, München 2007

Siehe auch

Weblinks


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