Bekenntnisschriften

Bekenntnisschriften

Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (BSLK) sind eine Sammlung von Bekenntnistexten aus dem 16. Jahrhundert, die in Folge der Reformation Martin Luthers entstanden. Sie ist i.W. identisch mit dem sog. Konkordienbuch.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Das Augsburger Bekenntnis

Das Augsburger Bekenntnis (lateinisch: Confessio Augustana = CA) von 1530. Ihr Verfasser ist Philipp Melanchthon, allerdings wurde sie von Luther vor ihrer Veröffentlichung gegengelesen. Sie ist in zwei Teile gegliedert: Gemeinsame Artikel (1-21) und Strittige Artikel (22-28). Das Gegenüber bilden dabei Lehre und Praxis der römisch-katholischen Kirche des 16. Jahrhunderts. Das Augsburger Bekenntnis ist sozusagen das Bekenntnis der Reformationszeit. Es versteht sich selber nicht als Bekenntnis einer „neuen, verbesserten“ Kirche, sondern als Darlegung der Lehre der Apostel aus der Hl. Schrift und damit als Lehre der katholischen Kirche (lat. ecclesia catholica = allgemeine/allumfassende Kirche). Obwohl diese Denkweise zur Zeit Luthers revolutionär war, verstanden sich die lutherischen Reformatoren doch nie als Revolutionäre; ihr Ziel war es immer, die römisch-katholische Kirche zu reformieren. Die spätere Spaltung der Kirche muss deshalb als „Unfall der Kirchengeschichte“ gewertet werden. Der revolutionärste Ansatz der CA findet sich gewiss in Artikel 4, der die Rechtfertigung des (sündigen) Menschen vor Gott beschreibt als „umsonst, allein um Christi [Kreuzestod] Willen durch den Glauben“ („... gratis iustificentur propter Christum per fidem.“) Dies steht der römisch-katholischen Lehre entgegen, dass neben der Gnade Gottes auch noch gute Werke notwendig sind, um die Seligkeit zu erlangen.

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses

Die Apologie des Augsburger Bekenntnisses (lateinisch: Apologia Confessionis Augustanae = AC) von 1530. Sie wurde ebenfalls von Philipp Melanchthon verfasst, und zwar als Verteidigung(= lat. Apologia) auf die „Bestreitung der CA“ (lateinisch: Confutatio) der päpstlichen Theologen. Die Ausführungen der Apologie zu bestimmten Fragen (Wie können Menschen vor Gott bestehen? Inwiefern müssen Christen gute Werke tun? Wie frei ist der Wille des Menschen? u.a.) sind theologisch von so hohem Niveau, dass es bis heute wenig Vergleichbares gibt. Eine ähnliche theologische Dichte erreicht in den BSLK nur noch die Konkordienformel (siehe unten).

Die Schmalkaldischen Artikel

Die Schmalkaldischen Artikel (lateinisch: Articuli Smalcaldici = AS) Martin Luthers von 1537. Hier fasst Luther die reformatorische Lehre zusammen, weshalb die AS oft als sein „theologisches Vermächtnis“ bezeichnet werden. Ursprünglich sollten diese Artikel auf einem (päpstlichen) Konzil in Mantua vorgebracht werden, um die Lehrdifferenzen der „Lutherschen“ darzustellen; dieses Konzil fand aber erst 1545 in Trient statt und zwar unter Ausschluss der Evangelischen. Die AS gliedern sich in drei Teile: 1. Artikel, in denen unzweifelhaft Übereinstimmung besteht. 2. Artikel, die von Rom falsch gelehrt werden und in denen es keine Kompromisse geben kann und darf (v.a. Erlösung allein um Christi Willen durch den Glauben). 3. Artikel, die zwar Missstände benennen, aber eine Einigung mit vernünftigen römischen Katholiken als möglich erscheinen lassen.

Traktat von der Gewalt und Obrigkeit des Papstes

Der Traktat von der Gewalt und Obrigkeit des Papstes (lateinisch: Tractatus de potestate et primatu papae) des Philipp Melanchthon von 1537. Diese Schrift stellt eigentlich einen Anhang zur CA dar, in der die eigentliche Frage nach dem Papstamt nur sehr spärlich zur Sprache kommt.

Der Kleine Katechismus

Der Kleine Katechismus (KK) Martin Luthers von 1529. Hier fasst Luther die christliche (nicht nur spezifisch reformatorische) Lehre in aller Knappheit zusammen mit dem Ziel, dass die Kinder sie in der Schule auswendig lernen können. Da der KK für das „einfache Volk“ (was Luther damals überhaupt nicht abwertend verstand) verfasst ist, sind viele Aussagen zugespitzt auf die in den Köpfen der Menschen präsenten römisch-katholischen Irrlehren dieser Zeit. Dies lässt teilweise das lutherische Profil, das in den übrigen Schriften der BSLK deutlich wird, etwas einseitig anti-römisch-katholisch wirken. Über die allgemein bekannten Hauptstücke christlicher Lehre hinaus (1. 10 Gebote 2. Glaubensbekenntnis 3. Vaterunser 4. Taufe 5. Beichte 6. Abendmahl) enthält der KK auch weniger bekannte Stücke (Gebete, die „Haustafel“).

Anhänge zum Kleinen Katechismus

  • Bett- und Tischgebete
  • Die Haustafel mit Vermahnungen an die verschiedenen Stände.
  • Das Traubüchlein Luthers von 1529. Es beschreibt exemplarisch den liturgischen Ablauf einer Trauung und erklärt Hintergründe. Die Trauformel ist eine Besonderheit für den evangelischen Bereich, denn der Pfarrer spricht Braut und Bräutigam zusammen: „... so spreche ich sie ehelich zusammen ...“
  • Das Taufbüchlein Luthers von 1526. Das Taufbüchlein enthält Erklärungen zur Taufe und deren liturgische Ausführung. Anders als in modernen Taufformularen findet sich hier sowohl der sog. „Kleine Exorzismus“ als auch der „Große Exorzismus“, die der eigentlichen Taufe vorangehen. Luther betont dadurch, dass die Taufe tatsächlich den Wechsel aus dem Machtbereich des Teufels in den Machtbereich Gottes bewirkt. Die Formeln lauten: „Fahre aus Du unreiner Geist und gib Raum dem heiligen Geist.“ bzw. „Ich beschwöre Dich, Du unreiner Geist, bei dem Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, dass Du ausfahrest und weichest von diesem Diener Jesu Christi, .“ Dazu wird jeweils das Kreuzzeichen geschlagen.

Der Große Katechismus

Der Große Katechismus (GK) Martin Luthers von 1529 geht ausführlicher auf die einzelnen christlichen Glaubensartikel ein als der KK. Luther wählt hier die Predigtform, damit die einzelnen Ausführungen auch von Hausvätern oder Pfarrern gut vorgetragen werden können.

Die Konkordienformel

Die Konkordienformel (lateinisch: Formula Concordiae = FC) von 1577. Die FC zeichnet gegenüber den anderen luth. Bekenntnisschriften zwei Dinge aus: 1. Die FC wurde von einem Gremium von Theologen verfasst und deshalb ist sie 2. ein Kompromissdokument, das sich bemüht, in der Verantwortung vor der Hl. Schrift verschiedene Positionen innerhalb des Luthertums zum Ausgleich zu bringen. Dementsprechend ausführlich und gründlich geht sie vor (begriffliche Analysen, bisheriger Verlauf der Diskussionen, ausführliche Darstellung der versch. Positionen usw.). Es gibt eine Kurzfassung der FC (lat. Epitome = FC Ep) und die ausführliche Fassung (lat. Solida Declaratio = FC SD = „einmütige Erklärung“). Die FC versteht sich ausdrücklich als gültige Auslegung der CA auf der Basis der Hl. Schrift. Die Konkordienformel wurde nicht von allen lutherischen Kirchen als verbindliche Lehrgrundlage angenommen, aber zu denken gibt der Satz eines Theologen: „Man kann wohl ohne die FC Lutheraner sein, aber nicht gegen sie.“

Diese Bekenntnisschriften, gemeinsam mit den drei altkirchlichen Bekenntnissen ( Apostolisches Glaubensbekenntnis, Nizänisches Glaubensbekenntnis, Athanasianische Glaubensbekenntnis/Quicunque), wurden 1580 zusammengefasst im Konkordienbuch.

Die lutherischen Bekenntnisschriften heute

Die lutherischen Bekenntnisschriften sind bis heute in den evangelisch-lutherischen sowie den meisten unierten Kirchen in Geltung. Die Geltung erstreckt sich dabei mitunter nur auf einen Teil des lutherischen Bekenntnisses, etwa die Confessio Augustana, sowie weitere ausgewählte Bekenntnisschriften. Doch gehört z.B. die Konkordienformel von 1577 in der Regel nicht zum Bekenntnisstand lutherischer Landeskirchen. Ob und inwiefern die aus der Zeit der Bekennenden Kirche stammende Barmer Theologische Erklärung zum Bekenntnisstand einiger evangelischer Landeskirchen zählt, ist umstritten.

Seit der Bildung kirchlicher Unionen im 19. Jahrhundert, also der Vereinigung von Gemeinden lutherischen und reformierten Bekenntnisses zu einer gemeinsamen Kirche, der Gründung der (konfessionsübergreifenden) Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Ratifizierung der Leuenberger Konkordie im Jahr 1973 durch die deutschen Landeskirchen, wird von einigen lutherischen Theologen (Reinhard Slenczka, Oswald Bayer, Jörg Baur und anderen) kritisch angefragt, ob die lutherischen Bekenntnisschriften neben der formal-rechtlichen Geltung auch noch eine faktische Geltung in den lutherischen Landeskirchen besitzen.

Geteilt wird diese Kritik von den lutherischen Bekenntniskirchen, die aus dem Widerstand gegen die Union im 19. Jahrhundert entstanden sind, und in denen das gesamte Konkordienbuch von 1580 rechtlich wie faktisch in Geltung ist.

Literatur

  • Die Bekenntnisschriften der evangelisch–lutherischen Kirche, Göttingen 1930, 199812 (Urtext).
  • Wenz, Gunther, Theologie der Bekenntnisschriften der ev.-luth. Kirche, Berlin, New York, de Gruyter , Bd. 1, 1996 und Bd. 2, 1997
  • Pöhlmann, Horst Georg (Hg.): Unser Glaube. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Gütersloh 20047

Weblinks


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