Wolfgang Burgdorf

Wolfgang Burgdorf

Wolfgang Burgdorf (* 26. Dezember 1962 in Salzkotten, Ostwestfalen) ist ein deutscher Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wolfgang Burgdorf studierte Geschichte, Sozialwissenschaft, Politikwissenschaft, Philosophie und Pädagogik in Bochum, 1995 erfolgte seine Promotion im Fach Geschichte. Nach dem Studium war er 1991 zunächst Wissenschaftlicher Assistent für Mittelalterliche Geschichte in Hamburg. Von 1992 bis 1993 war Burgdorf als Stipendiat des Instituts für Europäische Geschichte in Mainz, anschließend Assistent für Neuere Geschichte in Bochum. Seit 1996 war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Universität München. 2005 erfolgte seine Habilitation in München, seitdem ist er Privatdozent.

Arbeitsschwerpunkte

Seine Dissertation Reichskonstitution und Nation. Verfassungsreformprojekte für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation im politischen Schrifttum von 1648 bis 1806 hat auch international viel Aufmerksamkeit gefunden und gilt heute bei Historikern und Rechtshistorikern als Standardwerk. „Das Buch von Wolfgang Burgdorf wird in der Literatur über die Spätzeit des Heiligen Römischen Reichs den Platz eines Standardwerkes zu seinem Thema behaupten“ schrieb Dietmar Willoweit 2004 in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte.

Bekannt ist Burgdorf als Teilnehmer der Debatte um die Bedeutung des Alten Reiches, also der Frage, welche Stellung das Heilige Römische Reich Deutscher Nation in der Geschichte deutscher Staatlichkeit hat. Er gehört zu den Repräsentanten, die dem HRR positiv gegenüberstehen. Er äußerte sich in diesem Kontext jedoch nicht zum Vorbildcharakter des Alten Reiches für die vergrößerte Bundesrepublik. Burgdorf verweist aber auf die mit dem Alten Reich verbundenen positiven Traditionen in der deutschen Geschichte, wie Föderalismus, Rechtsstaatlichkeit und kulturelle Vielfalt. Zudem plädiert er dafür, das frühneuzeitliche deutsche Reich gemäß der Selbst- und Fremdwahrnehmung des Reiches in der Frühen Neuzeit als Staat der deutschen Nation zu betrachten. Er sieht das Reich jedoch nicht als modernen Staat, sondern als frühneuzeitlichen zusammengesetzten Staat, ähnlich wie die frühneuzeitliche Schweiz, die Niederlande oder Polen, ein Gesamtstaat, der je nach Bedarf für seine Glieder im unterschiedlichen Graden subsidiär tätig wurde.

1999 erschien bei Winkler in Bochum sein Werk Chimäre Europa. Antieuropäische Diskurse in Deutschland (1648-1999). Als erstes wurde hier systematisch die Frage nach dem antieuropäischen Denken nicht nur in der neueren Zeit, sondern bereits in der Frühen Neuzeit gestellt. Burgdorf stellt darin die These auf, dass anders als bislang behauptet das Alte Reich 1806 keineswegs „sang- und klanglos“ untergegangen sei, sondern mit einem vernehmlichen Getöse, begleitet von den Klagen der Zeitgenossen in allen Teilen Deutschlands. Die Reaktionen ließen sich generell mit den Begriffen Desorientierung, Entsetzen, Wut und Schmach beschreiben. Doch Restriktionen der Kommunikation, Angst vor Spitzeln, die Erschießung des Verlegers Palm, die Unterbrechung der Postverbindungen und die Schrecken eines neuen Krieges ließen die Klagen über den Untergang des Reiches erst erstickten und dann in weite Ferne rückten. Ferner geht es um die Tabuisierung des Reichsendes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die gleichzeitigen Versuche der Kompensation und Sublimierung des Reichsverlustes.

Wegen seiner Aufsätze in überregionalen Zeitungen und Rundfunkbeiträgen ist Burgdorf auch in der breiteren historischen Debatte präsent.

Veröffentlichungen

  • Reichskonstitution und Nation. Verfassungsreformprojekte für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation im politischen Schrifttum von 1648 bis 1806. Mainz 1998.
  • Chimäre Europa. Antieuropäische Diskurse in Deutschland (1648-1999). Bochum 1999.
  • zusammen mit Arndt Brendecke (Hg.): Wege in die Frühe Neuzeit. Werkstattberichte. Münchener Universitätsschriften. Philosophische Fakultät für Geschichts und Kunstwissenschaften. Münchner Kontaktstudium Geschichte Bd. 4, München 2001.
  • Ein Weltbild verliert seine Welt. Der Untergang des Alten Reiches und die Generation 1806. München 2006. (Auszüge bei googlebooks)
  • als Herausgeber: Kritik der deutschen Reichsverfassung. Band 1: Kritik der Regierungsform, Germanien 1796. Band 2: Kritik der Kriegsverfassung des Deutschen Reiches, Germanien 1798. Band 3: Kritik der staatswirtschaftlichen Verfassung des Deutschen Reiches, Germanien 1798. Anonym von Johann Nikolaus Becker. Hildesheim 2009.

Weblinks


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