Wolfgang Reinhard

Wolfgang Reinhard

Wolfgang Reinhard (* 10. April 1937 in Pforzheim) ist ein deutscher Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Wolfgang Reinhard studierte Geschichte, Anglistik und Geographie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1963 wurde er bei Erich Hassinger in Freiburg promoviert. Nach einer Zeit im Schuldienst und als Schulentwicklungsreferent am Oberschulamt Freiburg habilitierte er sich 1973.

1977 erhielt er einen Ruf für Neuere und Außereuropäische Geschichte an der Universität Augsburg, war 1985/1986 Gastprofessor an der Emory University in Atlanta und von 1990 bis zu seiner Emeritierung 2002 Ordinarius für Neuere Geschichte in Freiburg im Breisgau. Einen Ruf auf einen hochdotierten Woodruff Chair an der Emory University lehnte er 1986 aus privaten Gründen ab. 2003/2004 war er Jean-Monnet-Fellow am European University Institute Florenz; 2004 Gast des Rektors am Netherlands Institute for Advanced Studies in Wassenaar. Seit 2005 ist er am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien in Erfurt tätig.

Er ist Mitglied der British Academy, Mitglied der Accademia di San Carlo di Milano und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Von 1988 bis 2002 war er Mitglied des Beirats des Deutschen Historischen Instituts in Rom. 2001 erhielt er für sein Gesamtwerk den renommierten Preis des Historischen Kollegs („Historikerpreis“) durch den Bundespräsidenten.[1]

Reinhard war Mitherausgeber der Zeitschriften Periplus und Saeculum, der Reihen Historiae, Historische Anthropologie, Menschen und Kulturen, Päpste und Papsttum. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, beispielsweise zur Papstgeschichte, zur europäischen Expansion und zum Kolonialismus, zur historischen Anthropologie und zur Vergleichenden Verfassungsgeschichte Europas. Zu seinen wichtigsten Publikationen zählen das vierbändige Standardwerk „Geschichte der europäischen Expansion“ (1983-1990), die „Geschichte der Staatsgewalt“ von 1999 sowie die 2004 erschienene Kulturanthropologie-Geschichte „Lebensformen Europas“. Einem breiten Publikum wurde er 2006 bekannt durch die Veröffentlichung seines Buches „Unsere Lügengesellschaft“.

Reinhard wurde insbesondere durch seine Arbeiten zur europäischen Expansion und zur Geschichte des Papsttums bekannt. Mit Hilfe der Verflechtungsanalyse, die er in die Geschichtswissenschaft einführte, untersuchte er vor allem Patronagesysteme. Er ist einer der Schöpfer der Theorie der Konfessionalisierung.

Schriften (Auswahl)

  • Papstfinanz und Nepotismus unter Paul V. (1605–1621): Studien und Quellen zur Struktur und zu quantitativen Aspekten des päpstlichen Herrschaftssystems. 2 Bände. Hiersemann, Stuttgart 1974 (Päpste und Papsttum. Bd. 6).
  • Geschichte der europäischen Expansion. 4 Bände. Kohlhammer, Stuttgart 1983–1990.
  • Kleine Geschichte des Kolonialismus. Kröner, Stuttgart 1996, ISBN 3-520-47501-4. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Kröner, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-520-47502-2.
  • Geschichte der Staatsgewalt: Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart. C.H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-45310-4.
  • Lebensformen Europas. Eine historische Kulturanthropologie. C.H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-51760-9.
  • Glaube und Macht: Kirche und Politik im Zeitalter der Konfessionalisierung. Herder, Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 3-451-05458-2.
  • Unsere Lügengesellschaft: Warum wir nicht bei der Wahrheit bleiben. Murmann, Hamburg 2006, ISBN 3-938017-47-3.
  • (Hrsg.) Sakrale Texte: Hermeneutik und Lebenspraxis in den Schriftkulturen. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-58487-9.
  • Die Nase der Kleopatra: Ein Spaziergang durch die Weltgeschichte. Herder, Freiburg im Breisgau 2010, ISBN 978-3-451-30294-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. W. Reinhard: Geschichte als Delegitimation. Dankrede bei Entgegennahme des Preises des Historischen Kollegs am 23. November 2001 in München. In: FAZ, 26. November 2001.

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