Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion

Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion

Die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR trat am 1. Juli 1990 aufgrund eines Staatsvertrages in Kraft, der am 18. Mai 1990 von den Finanzministern Theodor Waigel und Walter Romberg unterzeichnet wurde.

Inhaltsverzeichnis

Währungsunion

1:1
1. Juli 1990: In Gera stehen DDR-Bürger bei einer Bank an, um DM abzuheben

Die Währungsunion stellte für die meisten DDR-Bürger zunächst den größten Einschnitt dar, da sie nun DM in ihren Händen hielten, die für sie, wie auch im Ausland, das Symbol für das Wirtschaftswunder und den bundesdeutschen Wohlstand war.

Der Umtauschkurs wurde speziell gestaffelt und variierte je nach Alter und Gegebenheit. So durften Bürger ab 60 Jahren bis zu 6.000, Erwachsene bis zu 4.000 und Kinder bis 14 Jahren bis zu 2.000 DDR-Mark zum Kurs von 1:1 umtauschen. Darüberliegende Sparguthaben wurden zum Kurs 2:1 gewechselt, Schulden wurden ebenfalls halbiert. Löhne, Gehälter, Stipendien, Renten, Mieten und Pachten sowie weitere wiederkehrende Zahlungen wurden zum Kurs von 1:1 umgestellt. Die Guthaben von Personen und Firmen, die nicht ihren Wohnsitz in der DDR hatten, wurden zum Kurs von 3:1 umgetauscht.

Die Deutsche Bundesbank wurde alleinige Währungs- und Notenbank.

Wirtschaftsunion

Grundlage der Wirtschaftsunion war die Soziale Marktwirtschaft wie sie in der Bundesrepublik Deutschland bestand. Die am 1. März 1990 gegründete „Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums“ übernahm am 1. Juli 1990 7.894 Volkseigene Betriebe mit vier Millionen Beschäftigten. Ihre Aufgabe war die Privatisierung der Betriebe. Die Einführung der D-Mark und der Umbau der Planwirtschaft zu marktwirtschaftlichen Strukturen beschleunigte den Niedergang der DDR-Volkswirtschaft. Das Einzelhandelsmonopol der HO und Konsumgenossenschaften sorgte in den Geschäften am Stichtag für ein reichhaltiges Angebot an Waren aus westdeutscher Produktion. Die Nachfrage nach in der DDR gefertigten Waren brach auf der anderen Seite ein, da die Konsumenten mit der durch die Währungsunion gewonnenen Kaufkraft westdeutsche Waren bevorzugten. Die nun treuhänderisch verwalteten Betriebe der DDR hingegen fanden nur mit sehr viel Mühen Abnehmer für ihre Produkte. Als enormer Wettbewerbsnachteil erwies sich die geringe Produktivität der DDR-Betriebe. Zusätzlich belastet wurden die Betriebe durch Lohnerhöhungen nach der Währungsunion. Damit stiegen die Lohnstückkosten weit über das Niveau der westdeutschen Industrie und verringerten die Wettbewerbsfähigkeit.[1]

Sozialunion

Die Sozialunion umfasste eine Umstrukturierung der sozialen Gegebenheiten der DDR nach dem Vorbild der Bundesrepublik. In Artikel 1 Absatz 4 des Vertrags heißt es: „Die Sozialunion bildet mit der Währungs- und Wirtschaftsunion eine Einheit. Sie wird insbesondere bestimmt durch eine der Sozialen Marktwirtschaft entsprechende Arbeitsrechtsordnung und ein auf den Prinzipien der Leistungsgerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs beruhendes umfassendes System der sozialen Sicherung.“

Die bestehende Sozialversicherung in der DDR wurde in Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung aufgespalten. Für das Arbeitslosengeld und die Rentenkasse wurde eine Anschubfinanzierung eingeführt.

In der DDR wurde nun nach westdeutschem Arbeitsrecht gearbeitet, was Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie sowie Veränderungen an Arbeitskampfrecht (insbesondere Streikrecht) sowie Mitbestimmung und Kündigungsschutz beinhaltete.

Sonstiges

Als Referatsleiter im Finanzministerium arbeitete Thilo Sarrazin 1990 die deutsch-deutsche Währungsunion aus, und zwar in vier Tagen. 2010 gab er in einem Interview Einblicke in das damalige Procedere.[2]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Gerlinde Sinn, Hans-Werner Sinn: Kaltstart. Tübingen 1992, ISBN 978-3161458699.
  2. manager-magazin.de vom 1. Juli 2010: Billionentransfers waren einkalkuliert

Weblinks


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