Beobachtungshorizont

Beobachtungshorizont

Im Urknall-Standardmodell der Kosmologie ist das beobachtbare Universum der Teil des Universums, der im Prinzip unserer Beobachtung zugänglich ist.

In der allgemeinen Relativitätstheorie ist eine Vielzahl von verschiedenen Koordinatensystemen möglich. Zur Beschreibung von kosmologischen Entfernungen und Zeiten werden aber nur wenige, besonders geeignete Koordinatensysteme benutzt.

Beobachter, für die die Hintergrundstrahlung isotrop ist, werden als „ruhend“, besser gesagt „mitbewegt“, betrachtet. Die mitbewegte Entfernung (englisch: comoving distance) zwischen zwei solchen Beobachtern bleibt konstant und ist so definiert, dass sie heute mit der Eigenentfernung (englisch: proper distance) übereinstimmt. Die Eigenzeit solcher Beobachter definiert die kosmologische Zeit.

Der Hubble-Radius bzw. das Hubble-Volumen ist ein anderes Maß für die Größe des Universums, die aber nicht mit dem tatsächlich beobachtbaren Universum zusammenfällt.

Inhaltsverzeichnis

Beobachtungshorizont

Der Beobachtungshorizont (auch: Partikelhorizont) begrenzt den Teil des Universums, von dem uns seit dem Urknall Informationen erreicht haben können. Bereiche jenseits des Beobachtungshorizonts können nicht beobachtet werden, weil die Zeit seit dem Urknall nicht ausreicht, um von dort Licht (Informationen) zu erhalten. Ebenso ist die Geschwindigkeit der Übertragung von Informationen oder der Bewegung von Materie (Partikel) durch die Lichtgeschwindigkeit begrenzt, also können uns von Ereignissen hinter dem Beobachtungshorizont auch keine Informationen erreichen.

Die Entfernung bis zum Beobachtungshorizont ist nicht durch das Alter des Universums (ca. 13,7 Milliarden Jahre) multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit gegeben, also nicht 13,7 Milliarden Lichtjahre. Es ist zu berücksichtigen, dass sich das Universum weiter ausgedehnt hat, während sich das Licht vom Beobachtungshorizont zu uns bewegt hat (bereits zurückgelegte Strecken sind nachträglich länger geworden). Daher ist die heutige Entfernung zum Beobachtungshorizont größer, nämlich ca. 45 Milliarden Lichtjahre (für diese Zahl wurde die Gültigkeit des ΛCDM-Modells angenommen).

Oft wird auch die gleichwertige, umgekehrte Betrachtung zur Definition benutzt: Der Partikelhorizont ist dann die Kugeloberfläche, bis zu der lichtschnelle Strahlung vorgedrungen wäre, die an unserem Standpunkt unmittelbar nach dem Urknall ausgesendet worden ist.

Berechnung

Die Entfernung zum Partikelhorizont lässt sich gemäß folgender Formel berechnen:

r_p = {c} \int_{t'=0}^{t_0} \frac{1}{a(t)}\, \mathrm dt ,

wobei c die Lichtgeschwindigkeit und die Zeit t beim Urknall gleich null und heute gleich t0 ist. Die Größe a(t) ist der Skalenfaktor, eine dimensionslose Größe, deren Verlauf über der Zeit die Ausdehnung des Universums angibt, und der heute gleich eins ist (a(0) = 0, a(t0) = 1). Wenn das Integral für ein gegebenes a(t) divergiert, so besitzt das zugehörige Universum keinen Partikelhorizont.

Kosmische Hintergrundstrahlung als Grenze

In der Praxis ist für elektromagnetische Strahlung bei den meisten Wellenlängen der Beobachtungshorizont geringfügig näher, weil das frühe Universum für Licht undurchlässig war. Die am weitesten zurückliegende Information, und damit die Information über die am weitesten entfernten Bereiche, die man über elektromagnetische Wellen erhält, stammt aus der Zeit von etwa 400.000 Jahren nach dem Urknall, als das Universum durchsichtig wurde. Diese Strahlung ist als kosmische Hintergrundstrahlung bekannt und stammt demnach vom Rand des heute beobachtbaren Universums.

Zum Zeitpunkt ihrer Aussendung vor etwa 14 Milliarden Jahren betrug die Entfernung nur 30 Millionen Lichtjahre, das Verhältnis dieser Entfernungen z=1500 ist der Faktor der Expansion des Universums über diesen Zeitraum und zugleich die Rotverschiebung.

Mit anderen Worten: eine Information, die kurz nach dem Urknall mit Lichtgeschwindigkeit ausgesandt wurde und uns heute erreicht, stammt von einem Ort, der heute ca. 45 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt ist. Ebenso gilt, dass Informationen, die an unserer Position im Universum kurz nach dem Urknall ausgesandt wurden, nun (heute) in einer heutigen Entfernung von ca. 45 Milliarden Lichtjahre angekommen sein muss.

Rotverschiebung

Auf Grund der Expansion des Universums ist die Strahlung von einem Objekt umso stärker rotverschoben, je näher dieses dem Beobachtungshorizont ist; beim Beobachtungshorizont ist die Rotverschiebung unendlich. Allerdings ist die Annahme falsch, dass sich Objekte am Beobachtungshorizont heute mit Lichtgeschwindigkeit von uns weg bewegen, wie man das bei einer einfachen (falschen) Interpretation der kosmologischen Rotverschiebung als Dopplereffekt in einem statischen Universum meinen könnte. Objekte am Beobachtungshorizont bewegen sich heute mit mehr als 3-facher Lichtgeschwindigkeit von uns weg. Das steht jedoch nicht im Widerspruch zur Relativitätstheorie, weil die Expansion des Universums keine Bewegung im Raum, sondern eine Expansion des Raumes ist. Heute ist auch keine Informationsübertragung von einem Objekt am Beobachtungshorizont zu uns (oder umgekehrt) mehr möglich.

Ereignishorizont

Der etwa 60 Milliarden Lichtjahre entfernte kosmologische Ereignishorizont begrenzt den Teil des Universums, aus dem uns jemals Informationen erreichen können. Da über Bereiche jenseits des kosmologischen Ereignishorizonts keine falsifizierbaren Aussagen gemacht werden können, sind sie nicht Gegenstand der Physik.

Diese Entfernung bezieht sich wiederum auf die jetzige Entfernung von Punkten, die zum Zeitpunkt des Aussendens der Signale, unmittelbar nach dem Urknall, viel dichter lagen. Dementsprechend ist die Entfernung, von der aus uns jetzt ausgestrahlte Signale jemals erreichen können, viel kleiner, nämlich etwa 17 Milliarden Lichtjahre, entsprechend einer Rotverschiebung von z=1,8.

Auch hier werden die Parameter des kosmologischen Standardmodells zugrundegelegt. In einem – durch heutige Beobachtungen ausgeschlossenen – materiedominierten Weltall gäbe es keinen kosmologischen Ereignishorizont.

Hubble-Radius

Der Hubble-Radius bezeichnet die Entfernung, in der Galaxien eine Zurückweichgeschwindigkeit von c, der Lichtgeschwindigkeit, haben. Er ist 14 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt. Dies entspricht einer Rotverschiebung von z=1,5.

Siehe auch

Quellen

  • Tamara M. Davis, Charles H. Lineweaver, Expanding Confusion: Common Misconceptions of Cosmological Horizons and the Superluminal Expansion of the Universe, Publications of the Astronomical Society of Australia, Vol. 21, pp. 97-109 (2004) astro-ph/0310808

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