Berliner Schule (Didaktik)

Berliner Schule (Didaktik)

Das Berliner Modell (auch: „lehr-lern-theoretische Didaktik“) wurde von Paul Heimann (1901–1967) in Abgrenzung gegen die bildungstheoretische Didaktik Wolfgang Klafkis entwickelt. Indem er Klafki und seiner geisteswissenschaftlich geprägten Auseinandersetzung mit dem Bildungsbegriff „Stratosphärendenken“ vorwarf, wollte er ein praktisches Entscheidungsmodell entwerfen, das es dem Lehrenden ermöglicht auf einer rein empirischen, mithin wertfreien Basis seinen eigenen Unterricht zu theoretisieren und so getroffene didaktische Entscheidungen empirisch zu analysieren. Es soll Lehrern im Rahmen der Unterrichtsplanung dabei helfen, möglichst viele den Unterricht beeinflussende Faktoren zu berücksichtigen bzw. überhaupt erst „in den Blick“ zu bekommen. Auf diese Weise soll gezieltes und geplantes Lehren und Lernen ermöglicht werden.

Inhaltsverzeichnis

Das Modell

Berliner Modell

Das Berliner Modell möchte helfen, unter Berücksichtigung der je unterschiedlichen Bedingungen und Situationen, zu sinnvollen Entscheidungen über das „Warum“, „Wohin“, „Was“ und „Wie“ in einer Gruppe zu kommen. Es gibt Hilfen zur Analyse und Planung einzelner Schritte und zur nachträglichen Reflexion und Auswertung von Arbeitseinheiten oder Gruppenstunden.

Durch systematische Unterrichtsanalysen auf empirischer Basis stellte Heimann sogenannte „formale Konstanten“ (auch Kategorien) des Unterrichts fest, die zeitunabhängig in jedem Unterricht vorkommen. Die so ermittelten Konstanten könnten bei der Planung von Unterricht als Richtschnur dienen. Heimann bestimmte sechs solcher Konstanten in zwei Feldern:

  • zwei Bedingungsfaktoren (Bedingungsfeld)
    • anthropologisch-psychologische Voraussetzungen und
    • persönliche sozial-kulturelle Voraussetzungen aller Beteiligten
  • vier Entscheidungsfaktoren (Entscheidungsfelder)
    • Absichten/Ziele
    • Inhalte/Gegenstände
    • Methoden/Wege
    • Mittel/Medien

Bedingungsfaktoren

Der Bedingungsrahmen, in dem das Treffen stattfindet

  • Wo findet das Treffen statt?
  • Welche räumlichen Bedingungen gibt es?
  • Wieviel Zeit steht zur Verfügung?
  • Was ist sonst noch unverändert vorgegeben?
  • Wer hat von außen welche Einfluss- und Kontrollrechte ? (z. B. Hausmeister stellt Strom ab)

Die persönlichen sozial-kulturellen Voraussetzungen aller Beteiligten (d. h. die der Mitglieder und die des Leiters)

  • Wie alt sind sie, in welcher Entwicklungsstufe, Männer und/oder Frauen (Jungen/Mädchen)?
  • Welche Interessen haben sie vermutlich?
  • Welche Einstellung/Motivation, Aufnahmebereitschaft?
  • In welchem Lebensraum leben sie, und was ergibt sich daraus (Einstellungen, Fähigkeiten. Lernstile)?
  • Vorerfahrung aller Beteiligten?
  • Wie ist die Zusammensetzung der Gruppe, wer führt, hat Einfluss? Wie ist das Klima?
  • Wie ist das Verhalten und die Beziehung der Teilnehmer und Leiter untereinander?

Entscheidungsfaktoren

  • Die Absichten und Ziele, die angestrebt werden:
    • Was möchte ich (möchten wir) erreichen? Worum geht es?
    • Woher kommen diese Ziele, wie begründen sie sich?
    • Wie „passen“ diese Ziele auf den Bedingungsrahmen, auf unser aller Voraussetzungen?
    • Sind diese Ziele denkbar, oder müssen sie im Blick auf Bedingungen und Voraussetzungen verändert werden?
  • Die Inhalte/Gegenstände, um die es geht:
    • Um welche Inhalte geht es?
    • Passen diese Inhalte zu den Zielen und umgekehrt?
    • Wie genau müssen die Inhalte gefüllt werden (eingegrenzt/ausgeweitet), damit sie nicht an den Voraussetzungen der Beteiligten vorbeigehen?
    • Gibt es Widersprüche zum Bedingungsrahmen?
  • Die Methoden sind der Weg, auf dem die Inhalte angegangen und die Ziele erreicht werden können.
    • „Wenn ich die Voraussetzungen der Beteiligten und den Bedingungsrahmen bedenke und mir die angestrebten Ziele und Inhalte vergegenwärtige, welche Ideen habe ich dann, wie ich dieses erreichen könnte?“
    • Welche Schritte finde ich?
    • Was könnte ich tun, sagen, anbieten? Wie den Inhalt aufbauen, strukturieren oder darbieten?
    • Müsste ich eventuell meine Zielstrebungen ändern, weil ich keinen Weg finde, wie ich sie erreichen kann; oder ändere ich meine Inhaltsentscheidungen oder den Bedingungsrahmen oder meine Voraussetzungen? (indem ich mir z. B. zu einer Sache mehr Informationen beschaffe)
  • Die Mittel, die Medien, die ich brauche, wenn ich diesen Weg gehen will:
    • Habe ich diese Mittel/das Material, oder muss ich den Weg ändern, weil sie mir nicht zur Verfügung stehen? (Z. B.: Mir fehlt ein Dia-Projektor und ich wollte Bilder zeigen.)
    • Passen die Medien zu den Voraussetzungen der Teilnehmer, den Zielen, den Inhalten usw?

Wichtigste Feststellungen

Die wichtigsten Feststellungen dieses Modells sind:

Fortentwicklung

Das Modell wurde von Wolfgang Schulz, einem ehemaligen Mitarbeiter Heimanns, in den 1980er Jahren zum Hamburger Modell weiterentwickelt. Aus dem Planungsmodell Heimanns wird ein Handlungsmodell für einen „emanzipatorisch-relevanten, professionell-pädagogischen Unterricht“. Schulz wendet sich von der rein Phänomenologie (Methodik)deskriptiven Unterrichtsanalyse ab, und entwickelt ein normatives Modell kritischen Unterrichts, der es den Schülern ermöglichen soll sich von überflüssiger Herrschaft zu befreien und in größtmöglicher Selbstbestimmung zu leben.

Literatur

  • Paul Heimann, Gunter Otto, Wolfgang Schulz: Unterricht: Analyse und Planung (Hrsg.: Blumenthal, Alfred, Ostermann, Wilhelm), Hannover: Schroedel Schulbuchverlag , 10. Unveränderte Auflage, 1979, ISBN


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