Betriebssanitäter

Betriebssanitäter

Betriebssanitäter und -sanitäterinnen arbeiten überwiegend in großen Unternehmen, großen Baustellen und in Betrieben mit einem besonderen Gefährdungspotential. Dort sind sie für die Versorgung von erkrankten und verletzten Personen zuständig und führen bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes oder Notarztes erweiterte Erste-Hilfe-Maßnahmen durch.

Inhaltsverzeichnis

Das Tätigkeitsfeld

(temporäre) Sanitätsstation für eine Baustelle in einem Betrieb

Betriebssanitäter sind betriebliche Ersthelfer mit einer erweiterten Ausbildung um dem Betriebsarzt oder dem nachfolgendem Rettungsdienst bei der Durchführung notwendiger lebensrettender Maßnahmen helfen zu können.

Kleinere Verletzungen sollen Betriebssanitäter eigenständig versorgen, betriebliche Rettungsmittel säubern und desinfizieren und die sachgerechte Aufbewahrung des Erste-Hilfe-Materials kontrollieren. Sie leiten somit Erste-Hilfe-Stationen in Unternehmen und auf Baustellen eigenverantwortlich und registrieren in diesem Zusammenhang auch alle Vorkommnisse, die betriebsbedingte Unfälle und Erkrankungen betreffen.

Die Ausbildung zum Betriebssanitäter umfasst einen 63-stündigen Grundlehrgang mit anschließendem 32-stündigen Aufbaulehrgang für den betrieblichen Sanitätsdienst bei speziell dazu ermächtigten Stellen. Anschließend ist spätestens alle 3 Jahre eine Fortbildung erforderlich.

Unterschied zwischen Betriebssanitäter und Rettungssanitäter

Rettungssanitäter und Rettungsassistenten durchlaufen zwar eine deutlich umfangreichere (notfall-)medizinische Ausbildung, Organisation und Einsatzbilder des Rettungsfachpersonals und des betrieblichen Sanitätsdienstes sind jedoch sehr unterschiedlich.

Einsatzbilder

Sanitäter bei der Arbeit im Betrieb

Während die Ausbildung und Tätigkeit des Rettungsfachpersonals deutliche Schwerpunkte auf die im Rettungsdienst "normalen" Einsatzbilder (beispielsweise Herzinfarkte und Schlaganfall - etwa 80-90 % des Einsatzaufkommens) legt, so ist in Betrieben zwar auch mit eben diesen Einsätzen zu rechnen (hier jedoch nur mit circa 10-20 % des Einsatzaufkommens); jedoch stellt sich hier das "normale" Einsatzbild in der Regel als einfache chirurgische Hilfeleistungen (z. B. Wundversorgung und Augenspülung- etwa 80-90 % des Einsatzaufkommens) dar, die in dem für Betriebe erforderlichen Umfang in der Ausbildung von Rettungsfachpersonal nicht oder nur am Rande vermittelt werden.

Somit wird zwar die Ausbildung des Rettungsfachpersonals als Grundausbildung für den betrieblichen Sanitätsdienst anerkannt, der Aufbaulehrgang für den betrieblichen Sanitätsdienst ist dennoch zwingend auch für die Berufsgruppe der Rettungssanitäter und Rettungsassistenten vorgeschrieben. In diesem Lehrgang sollen für Betriebssanitäter die im Grundlehrgang erworbenen Kenntnisse vertieft und für Rettungsfachpersonal die entsprechenden betrieblichen Einsatzkenntnisse (beispielsweise Augenspülung, Verbandlehre oder andere) aus- beziehungsweise aufgebaut werden.

Organisation

Auch durch die anders ausgeprägte Einsatzorganisation ergeben sich erhebliche Unterschiede. So wird im Rettungsdienst immer im qualifizierten Team von mindestens zwei Personen gearbeitet. Im Unterschied dazu ist ein Betriebssanitäter zunächst die einzige qualifizierte Kraft an einer Einsatzstelle, die im günstigsten Fall durch betriebliche Ersthelfer unterstützt wird.

Aus diesem Grund stellt sich auch die Ausbildung etwas anders dar. So werden Einsatzabläufe (Algorithmen) für Rettungsfachpersonal im Zweierteam trainiert, während in der Betriebssanitäterausbildung der Schwerpunkt in der "Ein-Helfer-Tätigkeit" liegt.

Ferner bestehen viele betriebsspezifische Besonderheiten, die in der Ausbildung von Rettungsfachpersonal – wenn überhaupt – nur am Rande angesprochen werden. Hier seien insbesondere die Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt (z. B. Vorsorgeuntersuchungen) und berufsgenossenschaftliche Vorschriften (z. B. Erstellen und Weiterleiten von Unfallmeldungen) genannt.

Gesetzliche Verpflichtung

Mindestens ein Betriebssanitäter ist erforderlich in Betrieben (§ 27 BGV A1) mit

  • mehr als 1500 anwesenden Versicherten
  • mehr als 250 anwesenden Versicherten, wenn Art, Schwere und Zahl der Unfälle dies erfordert,
  • mehr als 100 anwesenden Versicherten auf Baustellen.

(Mit einzubeziehen sind hierbei jeweils auch die kaufmännischen Mitarbeiter.)

Sinnhaftigkeit

Zunächst erscheint es für viele Unternehmer nicht einsichtig, warum Betriebssanitäter vorgehalten werden sollen und sie diese vermeintlich unnötige Arbeitskraft finanzieren müssen, ohne dass der Betriebssanitäter produktiv am Betriebsablauf teilnimmt. Dies gilt insbesondere, wenn der kommunale Rettungsdienst doch eigentlich in unmittelbarer oder doch zumindest relativer Nähe zum Betrieb (z. B. ca. 2–3 Minuten Fahrzeit) entfernt stationiert ist.

Der Wunsch, die „unnötigen“ Kosten zu minimieren oder gar gänzlich zu vermeiden und den Sanitäter beispielsweise in den Betriebsablauf zu integrieren oder gar die Kosten komplett zu vermeiden, indem erst gar kein spezieller Betriebssanitäter beschäftigt wird („Kollege XY hat doch als Rettungssanitäter im Zivildienst gearbeitet. Der ist dann einfach unser Betriebssanitäter.“) Dies erscheint vielen Betrieben auch mit Blick auf die (zumeist) recht geringe Auslastung des Betriebssanitäters (z. B. auf Baustellen mit ca. 200 Anwesenden lediglich ein bis zwei Versorgungen am Tag) plausibel und gerechtfertigt.

Sanitätscontainer auf Kraftwerksbaustelle

Übersehen wird hierbei, dass die Aufgaben des Betriebssanitäters nicht nur das „Pflasterkleben“ (das sicherlich auch ein gut ausgebildeter Ersthelfer beherrscht) umfasst, sondern dass auch die Wartung und Kontrolle des Sanitätsraumes und des vorhandenen Sanitätsmaterials, sowie die sachgerechte Dokumentation von Arbeitsunfällen zu den Aufgaben des Betriebssanitäters gehört. So sind – obgleich ein Betriebssanitäter, der im Regelablauf des Betriebes integriert ist, vorgehalten wird – immer wieder desolate Sanitätsräume und unvollständige Erste-Hilfe-Koffer in diesen Betrieben anzufinden, da der Sanitäter für diese Wartungs- und Kontrollarbeiten nicht von seiner eigentlichen Tätigkeit freigestellt wird. Auffällig werden diese Missstände jedoch erst dann, wenn es zu spät ist.

Ferner muss ein Betriebssanitäter jederzeit erreichbar und abkömmlich sein, um seiner Tätigkeit als Betriebssanitäter im Einsatzfall auch nachkommen zu können. Hierzu zählt beispielsweise auch, dass der Betriebssanitäter jeden potentiellen Einsatzort auf dem Betriebsgelände in einer akzeptablen Zeit (max. 5 Minuten) erreichen kann.

Sicherlich kann ein Betriebssanitäter auch andere Aufgaben, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem betrieblichen Sanitätsdienst stehen, wahrnehmen. Hier seien einige Tätigkeiten exemplarisch aufgeführt:

Betriebssanitäter beim Materialcheck
  • Mitarbeit im arbeitsmedizinischen Dienst (AMD)
  • Unterstützung der Fachkraft für Arbeitssicherheit (FaSi) bzw. des Sicherheits- und Gesundheitskoordinators (SiGeKo)
  • Desinfektions- und Reinigungsaufgaben
  • andere Wartungs- und Kontrolltätigkeiten

Unerlässlich ist aber, dass der Betriebssanitäter jederzeit erreichbar ist und unverzüglich seine Aufgabe als Betriebssanitäter wahrnehmen kann! Ferner sollte die Abwesenheit des Betriebssanitäters von seiner „eigentlichen“ Arbeitsstelle nicht dazu führen, dass der Betriebsablauf oder die Fortführung der Rettungskette grundlegend gestört wird. So werden oftmals Pförtner als Betriebssanitäter eingesetzt. Im Falle einer Versorgung durch den Betriebssanitäter auf dem Betriebsgelände ist in dieser Situation jedoch zum einen der Betriebsablauf gestört (Zufahrt wird durch Abwesenheit des Pförtners gesperrt) und zum anderen ist die Fortführung der Rettungskette (hier Nachfordern und Einweisen des Rettungsdienstes) zumindest stark behindert.

Nutzen

Dass gut ausgebildetes Personal im betrieblichen Sanitätsdienst den Betrieb zunächst Geld kostet, ist sofort ersichtlich. Ein gut funktionierender betrieblicher Sanitätsdienst erspart dem Betrieb i. d. R. jedoch mehr Geld, als er tatsächlich kostet!

So kann ein vernünftig versorgter Verletzter oftmals seine Tätigkeit nach erfolgter Versorgung direkt wieder aufnehmen. In diesem Zusammenhang entfallen zumindest die Ausfallzeit für den Weg und die Wartezeit bei einem Arzt oder Krankenhaus. Auch ist in vielen Fällen eine sachgerechte qualifizierte Erstversorgung ausschlaggebend für den weiteren Krankheitsverlauf und die damit verbundene Ausfallzeit des betroffenen Mitarbeiters. Verschiedene Studien der Berufsgenossenschaften belegen dies und haben damit überhaupt erst zu den zunächst sehr restriktiv erscheinenden Vorschriften beigetragen.

Die Vorgabe, einen Betriebssanitäter vorzuhalten, ist somit nicht als reiner Luxus des Betriebes zu sehen, sondern dient dem Betrieb bereits mittelfristig zur Kostenreduktion. So wird für fast alle Betriebe ein Wachschutz organisiert, damit beispielsweise Einbrüche und Diebstähle minimiert oder verhindert werden. Sieht man jedoch den betrieblichen Schaden (Kosten), der durch einen Einbruch/Diebstahl entsteht, und vergleicht diesen mit dem potentiellen Schaden (Kosten), der durch eine verlängerte Ausfallzeit eines Mitarbeiters entsteht, so ist der Schaden durch Ausfallzeiten schnell ungleich höher.

Grundausbildung

Der Betriebsanitäter ist kein Ausbildungsberuf, sondern lediglich eine Qualifizierungsmaßnahme.

Zugangsvoraussetzungen:

  • Mindestalter 18 Jahre (alte Regelung)
  • Hauptschulabschluss (alte Regelung)
  • Ausbildung zum Erst-Helfer oder Teilnahme am Erste-Hilfe-Training innerhalb der letzten 2 Jahre
Sanitätsmaterial im betrieblichen Sanitätsdienst

Der Lehrgang wird abgehalten gemäß den Richtlinien des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) – BGG 949 vom September 2006 (63-Stunden-Ausbildung).

Dieser Lehrgang soll den Teilnehmer befähigen, sowohl theoretisches wie auch praktisches Grundwissen im Bereich der Notfallmedizin zu sammeln. Dieses Grundwissen muss durch eine theoretische und praktische Prüfung bewiesen werden. Nach heutiger Rechtsauffassung ist der erfolgreiche Abschluss dieses Lehrgangs, ergänzt um einen 32-stündigen Aufbaulehrgang, die adäquate Ausbildung für Betriebssanitäter. Diese sind befähigt, die Erste-Hilfe-Station eines Betriebes oder einer Baustelle alleinverantwortlich zu leiten und dem Betriebsarzt oder dem Notarzt zu assistieren (gem. Berufsgenossenschaftliche Grundsätze "Aus- und Fortbildung für den betrieblichen Sanitätsdienst" – BGG 949 vom September 2006 des HVBG).

Aufbaulehrgang

Zugangsvoraussetzungen:

  • Mindestalter 18 Jahre (alte Regelung)
  • Hauptschulabschluss (alte Regelung)
  • Grundausbildung zum Betriebssanitäter innerhalb der letzten 2 Jahre oder eine regelmäßige Tätigkeit als Betriebssanitäter. Es wird auch eine gleichwertige Ausbildung (z. B. Rettungshelfer, -sanitäter, -assistent, Krankenpfleger o. Ä.) anerkannt.
  • Ausbildung zum Erst-Helfer oder Teilnahme am Erste-Hilfe-Training innerhalb der letzten 2 Jahre

Der Lehrgang wird abgehalten gemäß den Richtlinien des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) – BGG 949 vom September 2006 (32-Stunden-Ausbildung).

Dieser Lehrgang soll den Teilnehmer befähigen, sein theoretisches wie auch praktisches Grundwissen im Bereich der betrieblichen Notfallmedizin zu erweitern. Die erlernten Fähigkeiten müssen durch eine theoretische und praktische Prüfung bewiesen werden. Diese Ausbildung befähigt den Betriebssanitäter zur alleinverantwortlichen Leitung einer Erste-Hilfe-Station eines Betriebes oder einer Baustelle und zum Assistieren des Betriebsarztes oder des Notarztes. (gem. Berufsgenossenschaftliche Grundsätze "Aus- und Fortbildung für den betrieblichen Sanitätsdienst" – BGG 949 vom September 2006 des HVBG).

Umsetzung

Wie ein Betrieb diese Vorschriften umsetzt, ist zum einen von der allgemeinen Geschäftspolitik abhängig (eigene Mitarbeiter vs. „Outsourcing“), zum anderen spielen natürlich auch wirtschaftliche Faktoren eine Rolle.

So kann es sinnvoll sein, den betrieblichen Sanitätsdienst/Rettungsdienst durch eine evtl. vorhandene Werkfeuerwehr oder den eigenen arbeitsmedizinischen Dienst betreuen zu lassen, eigene Betriebssanitäter zu beschäftigen oder derartige Aufgaben aus dem eigentlichen Betriebsablauf auszulagern („Outsourcing“). Eine entsprechende Entscheidung ist immer einzelfallabhängig und kann nicht grundlegend beantwortet werden.

Auf Grund der immer komplexer werdenden Vorschriften empfiehlt es sich jedoch, Personal/Dienstleister mit derartigen Aufgaben zu betrauen, die über entsprechende Erfahrungen verfügen.

Mitarbeiter im betrieblichen Sanitätsdienst müssen zunächst ausgebildet und anschließend regelmäßig fortgebildet werden, um den stetig wachsenden Anforderungen und Neuerungen gerecht werden zu können. Hierdurch entstehen zum einen neben den eigentlichen Personalkosten auch regelmäßige „Nebenkosten“. Somit liegt gerade in Betrieben, in denen Betriebssanitäter nur unregelmäßig benötigt werden (z. B. auf Baustellen oder für Revisionsarbeiten), das Auslagern dieser Tätigkeiten an spezielle Dienstleister nahe.

Literaturverzeichnis

  • "Grundsätze der Prävention" (BGV A1)
  • BG-Grundsätze für die Aus- und Fortbildung für den betrieblichen Sanitätsdienst (BGG 949)
  • Berufsgenossenschaftliche Regeln "Grundsätze der Prävention" (BGR A1)
  • Berufsgenossenschaftliche Information "Erste Hilfe im Betrieb" (BGI 509)

Weblinks


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