Billmuthausen

Billmuthausen
Gedenkstein und Kreuz neben der Gedächtniskapelle

Billmuthausen (auch Billmuthhausen) ist eine Wüstung in Thüringen. Sie liegt im äußersten Süden Thüringens im Landkreis Hildburghausen zwischen den Kleinstädten Bad Colberg-Heldburg in Thüringen und Bad Rodach in Bayern. Der Ort ist heute eine Gedenkstätte an der ehemaligen innerdeutschen Grenze.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1340 wurde Billmuthausen erstmalig als Billmuthehusen erwähnt. Das Dorf war im Kern ein Rittergut. 1840 standen in Billmuthausen 14 Häuser, eine Mühle und eine Kirche, um 1850 hatte das Dorf 68 Einwohner. Die Mühle hatte ein Mahl- und ein Schleifwerk, eine eigene Wasser-und Stromversorgung und ein Backhaus. [1] Das Rittergut umfaßte etwa 226 Hektar Landwirtschaftliche Nutzfläche und Wälder. Billmuthausen gehörte bis 1918 zum sächsischen Amt Heldburg im Herzogtum Sachsen-Meiningen, danach zum Land Thüringen. Das Schicksal des Dorfes nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von seiner unmittelbaren Lage an der innerdeutschen Grenze bestimmt. Zunächst war Billmuthausen amerikanisch besetzt, dann rückte im Juli 1945 die Rote Armee in das Dorf ein. Das Rittergut wurde enteignet, der Gutsbesitzer verhaftet, im KZ Buchenwald ermordet und seine Familie nach Rügen deportiert. Das Land wurde während der Bodenreform verteilt. 1948 wurde auf Befehl der russischen Besatzungsmacht (SMAD-Befehl 209 vom 9. September 1947) das 1836 erbaute Gutshaus abgerissen. Ab 1952 lag das Dorf in der von den DDR-Behörden geschaffenen Sperrzone. Im gleichen Jahr flüchteten sieben Familien mit 34 Personen und aller beweglichen Habe über die Grenze nach Bayern. Beim militärischen Ausbau der Grenze hat man das Wehr für den Mühlgraben zerstört und damit der Mühle das Wasser abgegraben. 1961 wurden zwei Familien zwangsausgesiedelt. 1965 ordneten die Behörden den Abriss der Dorfkirche an. Die Grenzanlagen wurden mitten durch das Dorf gebaut. Nachdem der innere Grenzzaun errichtet worden war, waren die Mühle und die Bergkeller vom Dorf getrennt. 1977 ließen die Behörden die Mühle abreißen und verkündeten die vollständige Räumung des Dorfes. Unter dem Druck der Politbürokratie wurde Haus für Haus geräumt und danach sofort abgerissen. 1978 hat man die letzte Familie deportiert und das Dorf vollständig geschleift. Die Räumung des Friedhofs war geplant, wurde aber wegen des Widerstands der ehemaligen Bewohner nicht vollzogen. So wurde aus dem thüringischen Dorf Billmuthausen eine politische Wüstung.

In Telefonbüchern, Atlanten und Verzeichnissen der DDR wurde der Ort Billmuthausen auch nach der Wüstlegung weitergeführt. Der Eintrag im letzten DDR-Postleitzahlenverzeichnis lautete DDR-6111 Billmuthausen Post Bad Colberg; er wurde unverändert ins erste gesamtdeutsche Postleitzahlenverzeichnis vom Juni 1990 übernommen. Selbst als 1993 für Deutschland neue fünfstellige Postleitzahlen eingeführt wurden, bekam Billmuthausen die neue Postleitzahl 98663 zugewiesen.[2]

Billmuthausen heute

Geblieben sind der Friedhof und ein Transformatorenturm. Erhalten geblieben sind auch die Kirchenglocken (heute im Museum in Eisfeld) und sakrale Gegenstände der Kirche (in kirchlicher Verwahrung). Ein 1994 gegründeter Förderverein Gedenkstätte Billmuthausen e. V. pflegt die Überreste der Dorfanlage. Er hat 1992 auf dem Friedhof einen Gedenkstein aufgestellt, 2004 eine Gedenkkapelle gebaut und ein Mahnkreuz errichtet. Der alte Transformatorenturm wurde rekonstruiert und der Dorfbrunnen wiedererrichtet. Ein nahebei erhalten gebliebener Grenzwachturm ist dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) überlassen worden, der ihn als Fledermausquartier unter dem Namen Artenschutz-, Forschungs- und Fledermauszentrum - Billmuthausen einrichtete. Zur Erinnerung an die Billmuthäuser Mühle ließ der Förderverein der Gedenkstätte im September 2005 einen drei Tonnen schweren Mühlstein aufstellen. Außerdem ist die Gedenkstätte durch drei neue Informationstafeln erweitert worden.

Weitere politische Wüstungen

Im Landkreis Hildburghausen erlitten zwei weitere Dörfer, Leitenhausen und Erlebach dasselbe Schicksal. An der innerdeutschen Grenze sind Dutzende Dörfer auf diese Weise zu politischen Wüstungen geworden. Beispiele: Bardowieck, Broda (siehe Rüterberg), Christiansgrün, Dornholz, Greifenstein, Grabenstedt, Heiligenroda, Jahrsau, Karneberg, Kaulsroth, Kleintöpfer, Korberoth (siehe Effelder-Rauenstein), Krendelstein, Lankow (siehe Lankow (Wüstung)), Lenschow (siehe Lüdersdorf), Liebau (siehe Dorfstelle Liebau), Lieps, Neuhof, Neu Gallin, Niederndorf, Ruppers, Scharfloh, Schmerbach, Schwenge, Stöckicht, Stresow, Taubenthal, Troschenreuth, Vockfey, Wahlsdorf (siehe Lüdersdorf), Wehningen, Zarrentin-Strangen. Dazu kommen noch Wüstungen an der Grenze zwischen der CSSR und der DDR, die auf etwa 50 km Länge ab dem bayrisch-tschechischen Dreiländereck ebenso militärisch gesichert wurde, wie die innerdeutsche Grenze. Dort wurden u.a. zerstört und eingeebnet: Ebersberg, Gottmannsgrün, Gräben im Thale, Hammerleithen, Kugelreuth, Pabstleithen, Wieden, die fast alle im ehemaligen DDR-Kreis Plauen lagen.

Literatur

  • Norbert Klaus Fuchs: Billmuthausen – Das verurteilte Dorf. Greifenverlag zu Rudolstadt & Berlin, 2009, ISBN 978-3-86939-004-8
  • Norbert Fuchs: Das Heldburger Land – ein historischer Reiseführer. Fiedler-Verlag, Coburg 1994. ISBN 3-923434-19-7
  • Förderverein Gedenkstätte Billmuthausen e. V.: Gedenkstätte Billmuthausen. Verlag Frankenschwelle, Hildburghausen 2002. ISBN 3-86180-137-X
  • Thüringer Institut für Lehrerfortbildung (Hrsg.): Der totgeschwiegene Terror. Zwangsaussiedlung in der DDR, Bad Berka. ISSN 0944-44-8705

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bettina Iduna Kieke: Billmuthausen - Wie ein Dorf verschwand; in NITRO, Berliner Journalisten, Heft 2/2011, S.20-33
  2. Artikel über die Einführung der neuen Postleitzahlen
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