Bodenvereisung

Bodenvereisung

Die Bodenvereisung oder Baugrundvereisung ist ein Bauverfahren im Tiefbau, bei dem der Boden durch künstliches Gefrieren des Bodenwassers verfestigt und wasserundurchlässig gemacht wird. Der entstehende Frostkörper verleiht der Baugrube ein gewisses Maß an Stabilität und schützt sie vor Wasserzutritt bis diese Funktionen vom Bauwerk selbst übernommen werden können.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

Um den Boden zu gefrieren, werden Gefrierrohre in den Boden eingesetzt. Durch die Gefrierrohre strömt ein Kälteträger, der dem umgebenden Boden die Wärme entzieht. Dadurch entstehen um die Gefrierrohre zylinderförmige Frostkörper, die sich mit den Gefrierkörpern der benachbarten Gefrierrohre zu gefrorenen Kubaturen verbinden. Erforderlich sind genaue Vereisungsbohrungen und leistungsstarke Vereisungsaggregate. Voraussetzung für die Anwendung dieses Verfahrens ist ein ausreichend hoher Wassergehalt des Bodens und keine zu hohen Grundwassergeschwindigkeiten (bis etwa 4 Meter pro Tag bei Sole, bis etwa 11 Meter pro Tag bei Stickstoff).

Der gefrorene Bodenkörper weist in bindigen Böden (vgl. Baugrund) eine Druckfestigkeit zwischen 0,6 und 0,8 MN/m2, in nicht bindigen Böden zwischen 1,2 und 1,5 MN/m2 auf. Beim Gefriervorgang kann es zu unerwünschten Hebungen kommen, bei Auftauen des Frostkörpers zu Setzungen.

Es können zwei unterschiedliche Vereisungsverfahren eingesetzt werden:

  • Bodengefrieren mit Sole: Solevereisung
  • Bodengefrieren mit flüssigem Gas: Stickstoffvereisung

Mitunter werden auch beide Verfahrensarten miteinander kombiniert: Erst wird der Frostkörper mittels Stickstoffvereisung in relativ kurzer Zeit aufgebaut, die Aufrechterhaltung des Gefrierkörpers übernimmt anschließend die (kostengünstigere) Solevereisung über intermittierende Energiezufuhr.

Ein Beispiel für eine großflächige Baugrundvereisung war der U-Bahn-Bau unterm Wiener Donaukanal nach dem Neuen Österreichischen Tunnelbauprinzip. Die Baugrundvereisung hatte folgende Zielsetzungen: Dichtung des Ausbruchsquerschnittes gegenüber dem Grundwasser, dem Donaukanal und gegen unbekannte Wegigkeiten des Wassers, hervorgerufen z. B. durch Sandlinsen, nicht verdämmte alte Aufschlüsse oder Wasserwege entlang der Holzpfähle der Schleuseninsel, der Sohlbefestigung der Kaiserbadschleuse und des linken Vorkais. Aufbau eines temporären Hilfsgewölbes in Längs- und Querrichtung, um den Ausbruchsquerschnitt sicher herstellen zu können.

Sole als Kälteträger

Die Kälte wird in einem geschlossenen Kreisprozess erzeugt. Drei Kreisläufe lassen sich dabei unterscheiden:

  • Kälteträgerkreislauf: Kälteträger ist eine Sole, meist werden wässrige Salzlösungen wie Calciumchlorid, Natriumchlorid oder Magnesiumchlorid verwendet mit einer Temperatur von etwa −50 °C. Der Kälteträger zirkuliert in den Gefrierrohren im Boden und entzieht dabei dem Bodenkörper die Wärme.
  • Kältemittelkreislauf: Um den Kälteträger auf konstant niedrigen Temperaturen zu halten verwendet man als Kältemittel Gase wie Kohlenstoffdioxid, dessen Sublimationspunkt bei −78,5 °C liegt, und Ammoniak mit einem Siedepunkt von −33,4 °C. Das flüssige Kältemittel kommt im so genannten Verdampfer mit den aus dem Boden kommenden Gefrierrohren in Berührung, in denen der erwärmte Kälteträger fließt. Dabei verdampft das Kältemittel und entzieht die dafür notwendige Energie dem Kälteträger, der somit wieder auf die gewünschte Temperatur abgekühlt wird und weiterverwendet werden kann. Das nun gasförmige Kältemittel wird im Verdichter verdichtet, bleibt aber noch gasförmig und erwärmt sich daher weiter. Im Verflüssiger wird dem Kältemittel nun seinerseits so viel Wärme entzogen, bis es wieder flüssig wird. Mit dem neumaligen Eintritt in den Verdampfer schließt sich der Kältemittelkreislauf.
  • Kühlwasserkreislauf: Durch ein Rückkühlwerk sorgt dieser Kreislauf dafür, dass das Kältemittel im Verflüssiger wieder auf die gewünschte Temperatur abgekühlt und verflüssigt wird.

Da dies ein geschlossenes System ist und daher weder Kälteträger noch Kältemittel verbraucht werden, bietet es sich vor allem für größere und länger andauernde Bauvorhaben an. Zu beachten ist die lange Vorlaufzeit (bis zu sechs Wochen und länger), die benötigt wird, bis der Frostkörper die erforderliche Größe erreicht hat und die dauernd nötige Energiezufuhr. Beim Aufbau des Frostkörpers wird ständig Energie zur Aufrechterhaltung des Kältemittelkreislaufs benötigt. Wenn der Gefriervorgang beendet ist, funktioniert die Aufrechterhaltung des Frostkörpers über intermittierende Energiezufuhr. Dabei wird über zusätzlich zu den Gefrierrohren eingebrachte Temperaturfühler im Boden die Ausdehnung des Gefrierkörpers kontinuierlich gemessen und bei Bedarf automatisch Energie zugeführt.

Flüssiger Stickstoff als Kälteträger

Bei frostgefährdeten bindigen Böden besteht bei langsamen Gefriervorgängen die Gefahr der Eislinsenbildung (vgl. Eislinse) und den damit verbundenen unerwünschten Hebungen des Bodens. Bei solchen Böden empfiehlt sich die Anwendung von flüssigem Stickstoff, da hier der Gefriervorgang wesentlich schneller und bei sehr viel tieferen Temperaturen abläuft.

Bei diesem offenen Verfahren wird flüssiger Stickstoff mit einer Temperatur von −196 °C in Gefrierlanzen geleitet. In den Gefrierlanzen verdampft der Stickstoff und entzieht dem umgebenden Boden seine Wärme. Die tiefe Temperatur führt zu einem grossen Temperaturgradienten und der resultierende grosse Wärmestrom gefriert dabei das Bodenwasser sehr schnell. Der Stickstoff kann nicht erneut eingesetzt werden und wird daher wieder an die Atmosphäre zurückgeleitet.

In einer seltenen Variante kann der flüssige Stickstoff auch mittels perforierten Lanzen in direkten Kontakt mit dem umgebenden Boden gebracht werden.

Da der Stickstoff hierbei ein Verbrauchsgut ist, wird er nach Bedarf in hochisolierten Tankwagen nachgeliefert und in wiederum hochisolierten doppelwandigen Tanks zwischengelagert. Das Verfahren ist aus wirtschaftlichen Gründen insbesondere für kurzfristige und schnelle Vereisungen (bis zu einer Aufrecherhaltungszeit von etwa 3 Monaten) geeignet. Die Vorlaufzeiten bis zum Erreichen des gewünschten Frostkörperumfangs sind um einiges geringer als bei der Solevereisung (Dauer: etwa eine Woche), und das Verfahren ist sowohl in frostempfindlichen Böden als auch bei höheren Grundwassergeschwindigkeiten (bis zu etwa 11 Meter pro Tag) anwendbar.

Anwendungsmöglichkeiten

Die Durchführung einer Bodenvereisung bietet sich unter anderem in folgenden Fällen an:

  • beim Bau von (kurzen) Tunneln, Querschlägen (Verbindung zwischen zwei Tunnelröhren) oder Notausstiegen in wasserführendem Lockergestein,
  • beim Durchpressen von Eisenbahnunterführungen,
  • zum Abdichten von Schlitz- oder Bohrpfahlwänden,
  • als Abdichtung von Fugen zwischen Tübbing und Schlitzwand,
  • zum Vertiefen von Bodenplatten unter dem Grundwasser (Aufzug),
  • für die Entnahme von ungestörten Bodenproben.

Auch im Bergbau, beim Abteufen von Schächten, wird mit künstlicher Vereisung gearbeitet. Man spricht dann vom Gefrierschachtverfahren.

Literatur

  • Otto Pregl: Handbuch der Geotechnik, Band 15 - Konstruktive Ausbildung von Stützbauwerken, 2000
  • K. Simmer: Grundbau 2
  • W. Schnell: Verfahrenstechnik zur Sicherung von Baugruben
  • R. H. Rübener: Einführung in Theorie und Praxis der Grundbautechnik

Weblinks


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