- Bohr-Effekt
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Der Bohr-Effekt bezeichnet die Abhängigkeit der Affinität von Hämoglobin (Hb) zu Sauerstoff von Kohlenstoffdioxidgehalt (CO2-Partialdruck) und pH-Wert der Umgebung. Gemeinsam mit der kooperativen Bindung von Sauerstoff und dem im Rapoport-Luebering-Zyklus durch das Enzym Bisphosphoglyceratmutase gebildeten allosterischen Effektor 2,3-Bisphosphoglycerat gewährleistet diese Eigenschaft die optimale Funktion des Hämoglobins als Sauerstofftransporter.
Der Effekt ist nach seinem Entdecker, dem dänischen Physiologen Christian Bohr (1855–1911), Vater des Physikers Niels Bohr, benannt.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen
Das Hämoglobin vermittelt die Aufgabe des Blutes, Sauerstoff von der Lunge zu den verbrauchenden Organen zu transportieren. Hierzu muss das Hämoglobin in der Lage sein, in den Lungenkapillaren den dort reichlich in der Atemluft vorhandenen Sauerstoff zu binden und ihn in den Zielorganen wieder abzugeben, wo er für den Energiestoffwechsel gebraucht wird. Vereinfacht kommt es dabei in zwei Zuständen vor, in denen es entweder Sauerstoff gebunden hat (Oxyhämoglobin) oder nicht (Desoxyhämoglobin). Beide Formen stehen miteinander in einem Gleichgewicht, das abhängig von der Umgebung zur einen oder anderen Seite verschoben ist.
Für die Steuerung der Sauerstoffbindung und -freisetzung sind mehrere Eigenschaften des Hämoglobins zuständig. Der Bohr-Effekt gewährleistet eine bevorzugte Freisetzung von Sauerstoff in stoffwechselaktiven Geweben. Dabei spielen im Wesentlichen zwei Faktoren eine wichtige Rolle: Stoffwechselaktive Gewebe, wie beispielsweise Muskeln bei sportlicher Aktivität, weisen einen erhöhten CO2-Gehalt und einen erniedrigten pH-Wert auf. Beides ist durch Anreicherung von Stoffwechselprodukten zu erklären: Kohlenstoffdioxid entsteht bei der Zellatmung und reagiert mit Wasser zu Hydrogencarbonat und Protonen – der pH-Wert sinkt:
Diese Reaktion ist umkehrbar und wird von dem Enzym Carboanhydrase katalysiert.
Die Senkung des pH-Wertes wird verstärkt, wenn für die Zellatmung nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht. Dann kann das in der Glykolyse gewonnene Pyruvat nicht über den Citrat-Zyklus abgebaut werden. Es kommt durch Stillstand des Citrat-Zyklus gewissermaßen zu einem „Rückstau“. Damit der Rückstau nicht auch die Glykolyse beeinträchtigt und die Energiegewinnung gänzlich lahmlegt, wird das Pyruvat zu Lactat (deprotonierte Milchsäure) umgesetzt, welche sich anreichert und zu einer Ansäuerung des Blutes führt. Diesen Vorgang beobachtet man beispielsweise beim anaerob arbeitenden Muskel.
Wirkung des pH-Werts
An dem pH-abhängigen Effekt sind zum einen die Histidinreste 122 der α-Untereinheiten und 146 der β-Untereinheiten des Hämoglobins beteiligt und zum anderen die α-Aminogruppen der N-terminalen Aminosäuren der α-Untereinheiten.
Die pKs-Werte dieser Gruppen liegen in der Nähe von 7, eine Änderung des pH-Werts, der im Blut etwa 7,4 beträgt, hat also relativ große Auswirkung auf deren Protonierungsgrad. In der Folge kommt es zur Stabilisierung der sauerstofffreien Form des Hämoglobins (Desoxyhämoglobin).
Die Senkung des pH-Werts des Bluts verringert also die Affinität von Hämoglobin zu Sauerstoff, so dass dieser leichter an das Gewebe abgegeben wird. Die Senkung des pH-Werts um 0,2 hat bereits eine Abnahme der Sauerstoffaffinität um etwa 20 % zur Folge.
Wirkung des CO2-Partialdrucks
Neben dem oben beschriebenen pH-senkenden Effekt des Kohlenstoffdioxid spielt noch ein zweiter Mechanismus eine Rolle. Das CO2 reagiert reversibel mit endständigen Aminogruppen des Hämoglobins zu Carbamatgruppen.
Auch das führt zur Stabilisierung der Desoxyhämoglobinform und damit zur Verringerung der Sauerstoffaffinität. Die Bildung von Carbamatgruppen ist auch zu einem kleinen Teil (ca. 5-7%) am CO2-Transport durch Hämoglobin beteiligt.
Umkehr
In der Lunge ist die Situation umgekehrt. Hier liegt ein hoher Sauerstoff- und ein niedriger Kohlenstoffdioxidpartialdruck vor, da ein Gasaustausch zwischen Blut und Atemluft stattfindet. Aus Hydrogencarbonat und einem Proton wird wieder Kohlenstoffdioxid, das ausgeatmet wird.
Auch die Carbamatgruppen hydrolysieren wieder zu Aminogruppen und CO2. Das hat zur Folge, dass die Affinität des Hämoglobin zu Sauerstoff wieder steigt und aus Desoxyhämoglobin Oxyhämoglobin wird, das erneut zum Sauerstofftransport zur Verfügung steht.
Die beiden entscheidenden Wirkungen des Bohr-Effekts sind somit die Regulation des Gasaustauschs sowie die gezielte Versorgung stoffwechselaktiver Organe mit Sauerstoff.
Therapeutische Bedeutung
Eine zielgerichtete Anwendung des Bohr-Effekts wird in der Buteiko-Methode versucht.
Quellen
- Berg, Stryer, Tymoczko: Biochemie. Spektrum Akademischer Verlag, 2007, ISBN 978-3-8274-1800-5
Siehe auch
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